Smart Farming - Landwirtschaft folgt Digitalisierungspfad
Satellitengesteuerte Mähdrescher, die zentimetergenau über den Acker navigieren, Melkroboter und höhere Erträge durch Datenanalyse: Die Digitalisierung hat die Landwirtschaft nachhaltig erfasst. Warum heimische Bauern einem für manche Anwendungen um den Hals fallen, Melkroboter kein Teufelswerk sind und es in Forschung und Entwicklung noch Nachholbedarf gibt, erklärte Andreas Gronauer, Leiter des Instituts für Landtechnik an der Universität für Bodenkultur (Boku), im Gespräch mit APA-Science.
"Im Forschungsbereich beschäftigen uns Themen wie 'Precision Farming' bereits seit Mitte der 80er-Jahre. Bei der Umsetzung in die Praxis haben wir es aber mit wellenförmigen Entwicklungsschüben zu tun. Im Augenblick beobachten wir einen extrem starken Anstieg", sagte Gronauer. Die Wellentäler seien vor allem auf die Enttäuschung so mancher Erwartungen zurückzuführen: "Da wurden Technologien auf den Markt geworfen, die im Noch-vor-Alpha-Versions-Zustand gewesen sind. Letztlich hat vieles nicht funktioniert."
Als großes Problem erwiesen sich auch Blackbox-Insellösungen: "Das war ja das Schlimme, dass wenn es auf einem landwirtschaftlichen Betrieb vier, fünf Geräte verschiedener Hersteller und zwei verschiedene Traktoren gegeben hat, dass die nicht miteinander kombinierbar waren. Jeder hat sein eigenes Süppchen gekocht", so der Experte. Die Hersteller würden inzwischen wissen, dass sie sich gegenüber genormten und damit kompatiblen Technologien öffnen müssten, um nicht ins Hintertreffen zu geraten.
Melkroboter galten als "Spinnerei"
Ein deutlicher Schub sei derzeit bei Anwendungen wie Melkrobotern oder autonomen Lenksystemen feststellbar. "So um 1993, als ich meine Doktorarbeit schrieb, wurde an dem Institut, an dem ich zu der Zeit gearbeitet habe, ein erster Prototyp des Melkroboters weiterentwickelt und praxistauglich gemacht. Die Reaktion war: Ihr seid völlig wahnsinnig. Ihr macht den Krieg der Sterne in der Landwirtschaft", warf Gronauer einen Blick zurück. Außerdem wurde kritisiert, dass diese Technologie sowieso nur den Großbetrieben helfe.
Die Systeme würden aber gerade für die Entwicklung der familienbäuerlichen Betriebsstrukturen - als Vollerwerbsbetrieb - neue Möglichkeiten eröffnen. "In Großbetrieben machen Melkroboter gar keinen Sinn. Diese Maschine kann 70, 80 Kühe bedienen und nicht mehr, sonst würde das in der Kuhherde zu viele Tiere auf eine Station binden und das ist zeitlich nicht mehr mit einem artgerechten Tierverhalten und Tages-/Nachtrhythmus machbar", erklärte der Boku-Professor. In Österreich seien derzeit rund 200, in Bayern über 600 Melkroboter installiert.
Autonome Lenksysteme stark gefragt
Eine steigende Nachfrage gebe es auch bei autonomen Lenksystemen. Dabei wird beispielsweise dem Traktor über an Geoinformationssysteme gekoppelte Karten einprogrammiert, wohin er fahren soll. Ein Vorteil sei, dass sich der Fahrer stärker auf das konzentrieren kann, was er auf dem Feld mit dem Traktor und den angebauten Geräten und Maschinen tut. Zudem würde die Belastung, stundenlang hochkonzentriert sein zu müssen, wegfallen. "Inzwischen haben grob geschätzt ein oder zwei Prozent der heimischen Landwirte ein autonomes Lenksystem im Einsatz", so Gronauer.
Hoch sei die Nachfrage vor allem bei größeren Ackerbau-Gebieten, etwa im Marchfeld. Sehr viele Impulse würden auch aus dem überbetrieblichen Bereich kommen. Denn bei einem Betrieb mit zwei, drei Hektar würde sich die Frage nach der Wirtschaftlichkeit der Investition stellen. Durch die überbetriebliche Organisation beispielsweise der Feldbewirtschaftung - Stichwort Maschinenring oder Lohnunternehmer - könnten die eingesetzten Maschinen und Geräte viel besser ausgelastet werden. Außerdem steige die Transparenz.
Neue Möglichkeiten durch "Precision Farming"
Wenn es aufgrund der Geländestrukturen oder ökologischen Rahmenbedingungen sinnvoll wäre, 20 kleine Felder mit 0,1 bis 0,2 Hektar Größe gemeinsam zu bewirtschaften, sei es mit "Precision Farming" möglich, von der Bodenbearbeitung bis hin zur Ernte die Menge und die Qualität des Ernteguts georeferenziert den einzelnen Grundstücken zuzuordnen, obwohl der Mähdrescher praktisch nur ein großes Feld aberntet. Jeder Eigner wird also quantitäts- und qualitätsgerecht entlohnt.
"Das ist sonst oft ein Problem, wenn der Maier sagt, dass der Huber bei der Bodenbearbeitung schlecht arbeitet, und meint, dass er selbst viel besseres Getreide erntet. Wenn hinterher alles in einen Topf geschmissen würde und damit Ungerechtigkeit entsteht, macht man das nicht überbetrieblich", sagte Gronauer.
Abrechnung auf Knopfdruck
Ein weiterer Vorteil sei das lückenlose Datenmanagement - bis hin zu den Abrechnungsmöglichkeiten. Hier spare man sich sehr viel administrative Arbeitszeit. "Wenn ich einem Landwirt sage, dass er am 31. Dezember nur auf den Knopf drücken muss und dann spuckt der PC sämtliche Unterlagen aus, die man für die AMA, für den Mehrfachantrag, für die Cross-Compliance-Zahlung an die EU zum Nachweis der umweltschonenden Bewirtschaftung braucht, dann fallen einem glaube ich sehr viele um den Hals", ist der Experte überzeugt.
Generell würden die anfallenden Datenmengen derzeit massiv zunehmen. "Wir haben unglaublich viel Datenmaterial zur Verfügung. Diese einzelnen Sensordaten jetzt aber intelligent in Software miteinander zu verbinden, um die gewünschte Information in ihrer zeitlichen wie räumlichen Tiefe zu erhalten, da ist noch sehr viel zu tun. Es liegt ein riesiger Datenschatz vor uns, der aber erst zur Information gemacht werden muss", so Gronauer. Problematisch sei auch die extrem hohe Komplexität der Daten: So habe man es unter anderem mit Bodendaten, Tierdaten, Pflanzendaten, Maschinendaten, meteorologischen und geologischen Daten zu tun.
Aufgrund der Dynamik der Entwicklung müsse auch die Ausbildung angepasst werden. "Wie viel Know-how haben die Absolventen von agrarwissenschaftlichen Studien im Bereich Informatik und Computer Science? Ganz furchtbar wenig", erklärte der Professor. Er sieht auch Weiterbildungsangebote als Aufgabe der Universitäten: "Wir müssen dafür Sorge tragen, dass das neu entstehende Know-how schneller als Wissen an die vermittelt wird, die damit arbeiten. Sonst kommt das alte Bild vom Elfenbeinturm wieder daher."
Nachholbedarf bei Agrarforschung
Was die Agrarforschung betrifft, liege Österreich eher im unteren Mittelfeld in Europa. In vielen Ländern gebe es mehr Mittel und Aktivitäten. "Im Agrarbereich existiert als Forschungseinrichtung letztendlich nur die Boku. Die anderen Universitäten haben keine Agrarwissenschaften - weder in der Lehre, noch der Forschung. Jetzt will man in einzelnen Bundesländern ausbildungsseitig Fachhochschulen für Agrar aufstellen. Aber wovon sollen die fachlich denn gut gespeist werden, wenn das Fundament dazu fehlt? Ich sehe das als höchst gefährlich an, dass das längerfristig gesehen nur Sputniks sind, die dann wieder verschwinden", prognostiziert der Experte.
Diese Mängel hätten auch Auswirkungen auf Unternehmen, die hierzulande Landtechnik produzieren. "Wenn Innovation, Forschung und Entwicklung für die Firmen im Lande nicht vorhanden ist, dann werden sie sich das holen, wo sie können. Heimische Firmen investieren deshalb bereits F&E-Kapital außerhalb Österreichs. Die schieben das Geld über die Grenze, um sich dort Innovation einzukaufen. Das ist für alle Länder, die vom Ingenieurs-Geist als Kapital leben, eine bedenkliche Geschichte", sagte Gronauer.
Von Stefan Thaler / APA-Science