Wenn Filme auch Forschern "Aha"-Momente bescheren
Für Forscher können Wissenschafts-Dokumentationen zu einem wichtigen und befruchtenden Betätigungsfeld werden, auf das man sich allerdings gänzlich einlassen muss, um keine unliebsamen Überraschungen zu erleben. Gelingt das, kann die Zusammenarbeit neue Perspektiven öffnen und "Aha"-Erlebnisse bescheren - und zwar nicht nur den Zuschauern. Das erklärten zwei renommierte österreichische Wissenschafter, die seit längerem in dem Bereich aktiv sind, im Gespräch mit APA-Science.
Für den Impaktforscher und Direktor des Naturhistorischen Museums (NHM) Wien, Christian Köberl, begann die Verbindung mit der Welt des Wissenschaftsfilms bereits Anfang der 1990er Jahre mit der Arbeit an der zweiteiligen Universum-Dokumentation "Himmelsboten". "Das war eine ziemlich umfangreiche Produktion, die damals noch auf echtem Film gemacht wurde", erinnert sich Köberl.
Mit dem Filmteam um die Welt
Insgesamt reiste er mit dem Filmteam dafür etwa drei Wochen lang durch Nordamerika und Japan. "Ich war wissenschaftlicher Berater und habe am Drehbuch korrigierend eingegriffen. Ich habe aber auch Kontakte zu Wissenschaftern und Laboratorien hergestellt und die Leute des Filmteams bei diversen Institutionen eingeführt."
Für Köberl war es auch der erste umfangreichere Einsatz vor der Kamera. Es folgten weitere internationale und österreichische Produktionen, etwa über ein von ihm geleitetes großes Bohrprojekt am Bosumtwi-Einschlagskrater in Ghana oder Produktionen über historische Himmelsereignisse. Zuletzt entstand die "Terra Mater"-Produktion "Meteor Menace".
Von Hallstatt bis Stonehenge
Auch die ersten Filmerfahrungen des Direktors des Ludwig Boltzmann Instituts (LBI) für Archäologische Prospektion und Virtuelle Archäologie, Wolfgang Neubauer, reichen bis zu einer ORF-Produktion Anfang der 1990er Jahre zurück. Damals leitete Neubauer seine erste größere Grabung im prähistorischen Salzbergwerk in Hallstatt.
"Das war dann der Punkt, an dem ich gedacht habe, wenn wir solche Ausgrabungen machen, ist es gut, wenn wir Filmaufnahmen davon haben. Man weiß ja nicht, was später daraus wird - vor allem, weil diese Dinge ja nicht wiederholbar sind", sagte Neubauer. Es folgten weitere Produktionen, etwa zu neuen Erkenntnissen in und rund um den berühmten Steinkreis von Stonehenge (Großbritannien) oder in Carnuntum. Über das Leben der Gladiatoren dort entstand kürzlich eine Universum-History-Dokumentation mit starker Beteiligung von Archäologen.
Lernen auf beiden Seiten
Die Erfahrungen im filmischen Bereich möchten jedenfalls weder Neubauer noch Köberl missen. "Man sitzt dann ja auch am Abend mit den Leuten zusammen und die wollen wirklich wissen, worum es da geht", erklärte der NHM-Direktor, der im Laufe dieser Arbeit als Teil der Produktionen auch vieles über die Arbeit eines Filmteams und vor der Kamera gelernt hat.
Vielleicht brauche man für Letzteres auch ein "bestimmtes Talent". Unbedingt nötig sei aber, dass man als Forscher keine Scheu habe und sich gut überlege, was für eine gute Wissenschaftsdokumentation notwendig sei. Beiderseitiges Bemühen und das Wissen darüber, was das jeweilige Gegenüber braucht, ist für den Impaktforscher der Schlüssel zum Erfolg.
Forscher müssen sich involvieren...
Auch Neubauer unterstrich, dass es keinesfalls reiche, einfach ein Interview vor dem Hintergrund einer Ausgrabung zu geben. Forscher müssten die Bereitschaft mitbringen, auch die Story mitzuentwickeln. Dass man sich dafür die Zeit genommen hat, war seiner Einschätzung nach extrem wichtig für das Gelingen der Produktionen. "Jetzt sind wir in der schönen Situation, dass wir uns aussuchen können, was wir mit vollem Elan betreiben."
In jeden Fall müsse man viele Ressourcen darin investieren, zu klären, was vermittelt werden soll, was die Medien brauchen und sich nicht zu schade zu sein, etwa auch in der Post-Produktion - also etwa im Schnitt - mitzuarbeiten. Viele Kollegen, die schlechte Erfahrungen gemacht haben, hätten vermutlich den Fehler gemacht, "sich nicht genug zu involvieren". Dann fehle natürlich auch ein gewisses Maß an Kontrolle über das Ergebnis, was Unstimmigkeiten auslösen kann.
...und Fachvokabular umschiffen
Gut überlegen sollten sich Wissenschafter, welche Botschaften sie unterbringen wollen und vor allem, wie sie diese in möglichst verständlichen und kurzen Sätzen darlegen können. "Oft beobachte ich Kollegen, die zuerst unnötig komplizierte Fachausdrücke verwenden und diese dann möglichst einfach - im Sinne von: 'und das heißt jetzt...' - erklären. Mein Ansatz ist, sich den Fachausdruck zu ersparen und gleich die einfache Variante zu verwenden - ich brauche hier ja niemanden beeindrucken!", erklärte Köberl. Im Endeffekt mache man solche Interviews nicht "für die zwei anderen Leute in Österreich, die sich da auskennen, sondern für das breite Publikum". Hier schließt sich für den NHM-Direktor auch der Kreis zur Museumsarbeit. Die Kunst bestehe in beiden Bereichen darin, "Aha"-Erlebnisse zu vermitteln.
Als Archäologe müsse man sich von Haus aus darum bemühen, Dinge verständlich zu erklären, so Neubauer. "Wir haben bei Grabungen und Prospektionen (dabei wird der Boden etwa mittels Radar vom Boden oder aus der Luft quasi durchleuchtet, ohne dass die Forscher zu graben beginnen, Anm.) fast immer mit Grundbesitzern und einfachen Bauern zu tun. Da kann man nicht komplizierte Sachen erzählen." Die Erfahrungen, die Neubauer und seine Kollegen mit Fernsehteams gesammelt haben, "waren hier ganz wichtig. Dass man nämlich nicht drei Stunden lang ein Interview aufnimmt, sondern in einfachen Sätzen - ohne Fremdwörter und hunderttausend 'Ähs' und 'Ohs' - Dinge erklärt."
Nicht jeder liebt die Kamera - und umgekehrt
Das wird natürlich umso schwerer, wenn sich ein Forscher vor der Kamera nicht wohlfühlt. Ebenso steckt nicht in jedem Wissenschafter ein begnadeter Vortragender. Dass Wissenschaftsvermittlung und Öffentlichkeitsarbeit wichtig ist, sei in Forscherkreisen mittlerweile zwar angekommen, "leben tut das aber nur ein ganz geringer Prozentsatz", meinte Köberl.
Der Wissenschaftsfilm biete insgesamt gute Möglichkeiten, Forschung abseits des Elfenbeiturms zu vermitteln und mit der Bevölkerung, die vieles ja mit Steuergeldern erst ermöglicht, in Kontakt zu treten. Aber auch Neubauer hat vor allem am Anfang seiner "Filmkarriere" Ressentiments erlebt: "Als wir zum erstem Mal eine TV-Produktion gemacht haben, ist am Institut damals der Professor an mir vorbei gezischt und hat gesagt: 'Aha, unser Fernsehstar'."
Die mögliche Bedeutung sei vielen verborgen geblieben und manche hätten gedacht, der Archäologe "will einfach nur vor der Kamera stehen." Neubauer: "Es ging aber darum, Dinge, die wir entwickeln wollten, auch medial zu verankern", was auch die Verhandlungspositionen gegenüber politischen Entscheidungsträgern verbessert habe.
Unerwartete "Benefits" durch TV-Präsenz
Manchmal bringt TV-Präsenz aber auch unerwartete angenehme Nebeneffekten mit sich: Als nämlich einmal auf dem Weg zu einer Prospektion der Überreste einer römischen Villa in Oberösterreich ein wichtiges Gerät beim Transport zu Bruch ging, suchten die Forscher nach einem Tischler. Fündig wurde man in der Gegend, doch der Handwerker war wenig begeistert, als die Wissenschafter am Wochenende vor seiner Tür standen und um Hilfe bei der Reparatur baten. Nachdem er aber das Gerät und den dazugehörigen Forscher genauer betrachtet hatte, sagte der Handwerker: "Das habe ich doch gestern im Fernsehen gesehen, da hat das Ding aber noch besser ausgesehen" und begann gleich mit der Reparatur.
Von Nikolaus Täuber / APA-Science