Warum Unternehmen bewegte Bilder einsetzen
Nicht nur für Bildungs- und Forschungseinrichtungen sind Videos, Animationen und Visualisierungen zur Vermittlung von abstrakten Inhalten ein Thema. Auch Unternehmen kommunizieren ihre Forschungsergebnisse stärker auf diese Weise und nutzen den visuellen Weg, mit komplexen Themen ihre Zielgruppe zu erreichen.
Bereits vor fünf Jahren hat der Prüf- und Zertifizierungsdienstleister TÜV Austria beschlossen, in diesem Bereich tätig zu werden. "Wir produzieren ungefähr 30 bis 40 Videos im Jahr, die einerseits für interne Schulungszwecke gedreht werden, beispielsweise wie eine Software funktioniert, andererseits Filme für die Kommunikation nach außen, um zu dokumentieren, was der TÜV Austria alles macht", erklärte Rainer Hackstock, Leiter TÜV AUSTRIA Media sowie ORF-Drehbuchautor und Regisseur.
Der Aufwand für Unternehmen hier aktiv zu werden, sei heutzutage deutlich niedriger als früher. "Man kann auch mit Consumer-Geräten hochprofessionelle Ergebnisse erzielen. Vor zehn Jahren hätte man Mega-Schnittplätze, riesengroße Kameras und ein Studio benötigt. Allerdings sollte man schon wissen, wie man Filme macht. Da braucht es jahrelange Erfahrung", so Hackstock im Gespräch mit APA-Science.
Auf Unternehmensseite sei die Schwellenangst aber oft sehr groß, ein Video in Auftrag zu geben. "Erstens gibt es immer noch den Nimbus: Film ist teuer. Zweitens ist es stets ein Sprung ins kalte Wasser. Deshalb ist unser Business ein Empfehlungsbusiness", sagte der Experte.
Technisch komplexe Inhalte vermitteln
Rund 90 Prozent der Filme, die der TÜV Austria produziere, würden sich an die Endkunden wenden - etwa zum Thema Aufzugs- oder Produktprüfung. Das zu vermitteln, sei nicht sehr komplex. "Wenn es aber ins Detail geht, etwa beim Korrosionsschutz, brauchen wir inhaltliche Experten. Wir sind angewiesen darauf, dass uns gesagt wird, was wirklich wichtig ist, beziehungsweise worauf es ankommt", so Hackstock, der auch bei "SOKO Kitzbühel" und "Tom Turbo" Regie führte.
Im Lauf seiner 20-jährigen Tätigkeit in der Filmbranche, unter anderem hat Hackstock Beiträge über Forschung und Entwicklung in Österreich gestaltet, sei er oft damit konfrontiert worden, dass Techniker und Wissenschafter versuchen, ihre Arbeit detailreich zu erklären, aber der tatsächliche Nutzen im Unklaren bleibt. "Das muss man dann rauskitzeln und einen interessanten Aufhänger finden. Aber das ist auch unsere Aufgabe als Kreative", erklärte Hackstock die Herausforderung.
Visualisierung als Entscheidungshilfe
Eine weitere Funktion von Bewegtbildern - ihren großen Nutzen bei der Entscheidungsfindung - strich Gerd Hesina vom Zentrum für Virtual Reality und Visualisierung (VRVis) hervor. Durch interaktive Visualisierungen würden sich verschiedene Projektvarianten gut darstellen und überprüfen lassen. "Wir können zeigen, was sein könnte", so Hesina.
Im Rahmen des Projekts "Stadtstraße Aspern", die bis zum Jahr 2018 im 22. Bezirk in Wien gebaut werden soll, habe man etwa ein Video aus Live-Modellen erstellt. So könnten die Bürger durch die (zukünftige) Landschaft navigieren, verschiedene Blickwinkel einnehmen und sich ein umfassendes (Bewegt-)Bild des Vorhabens machen.
Letztendlich würden entsprechende Visualisierungen ermöglichen, dass ein Anrainer beim virtuellen Blick aus dem Fenster erkennt, ob er von seiner Wohnung aus die künftige Straße überhaupt sehen kann. Für die Erstellung sei allerdings eine Vielzahl von Daten notwendig. "In diesem Fall haben wir ein Grundmodell der Landschaft, spezielle Luftbilder, Daten zur Vegetation und zu den Häusern beziehungsweise der geplanten Trasse gebraucht", erklärte der Experte gegenüber APA-Science.
Ein weiterer Anwendungsbereich liege in der Zusammenarbeit zwischen Forschungseinrichtungen. So werden beispielsweise im Projekt PRoViDE große Datenmengen visualisiert, was eine detailreiche Rekonstruktion von Teilen der Mars-Oberfläche als 3D-Objekte ermöglicht. Das sei unter anderem für Geologen sehr nützlich. Man könne aber auch simulieren, wie sich der Mars-Rover über die Planetenoberfläche bewegt.
"Cinematic Rendering" sorgt für Durchblick
Realistische dreidimensionale Visualisierungen ermöglicht auch ein neues Verfahren von Siemens, das medizinische Daten in fotorealistische Bilder umsetzt. Davon sollen Ärzte, Studenten und auch die Patienten profitieren, wie Klaus Engel von Siemens Health Care hervorstrich.
Schon bisher hat man aus medizinischen Daten, die mittels Computertomographie (CT) oder Magnetresonanztomographie (MR) gewonnen wurden, Schichtbilder erzeugt und daraus dreidimensionale Visualisierungen berechnet. Von Darstellungen, wie man sie durch Ausstellungen wie den "Körperwelten" kennt, war man bisher aber weit entfernt.
Im Gegensatz zu den herkömmlichen Verfahren, bei denen das Bild durch eine virtuelle Lichtquelle beleuchtet wird, handelt es sich beim nun entwickelten "Cinematic Rendering" um einen Algorithmus auf physikalischen Grundlagen, der simuliert, wie sich das Licht in der Realität verhält und ausbreitet - eine Technik, die auch in der Filmindustrie angewendet wird. "Diese komplexen Pfade des Lichts sind das, was wir modellieren", so Engel.
Ziel war, medizinischen Daten auch untrainierten Betrachtern zugänglich und verständlich zu machen. Ein wichtiger Bereich sei hier die Patientenaufklärung. "Die Menschen wollen wissen, was mit ihnen passiert", ist der Experte überzeugt. Ein besseres Verständnis sei für alle Seiten von Vorteil, da durch die aktuellen Entwicklungen im Gesundheitswesen - beispielsweise die digitalen Patientenakten - künftig immer mehr Patienten Zugriff auf solche Bildinformationen haben würden.
Vorteile für die Medizinerausbildung
Auch die Ausbildung von Jungmedizinern könnte durch "Cinematic Rendering" deutlich erleichtert werden. Bisher werde Anatomie an Leichen unterrichtet. Allerdings sei es schwierig, in überfüllten Anatomie-Räumen Wissen zu vermitteln. "Mit der neuen Technik können wir die Daten von lebenden Menschen aufnehmen und dann sehr wirklichkeitsgetreu darstellen", so Engel.
Viel Potenzial hätten auch neue Lernverfahren. Sie könnten künftig ermöglichen, "dass Bilddaten automatisiert analysiert, eventuell schon Auffälligkeiten in den Strukturen erkannt und die Daten dann für den Chirurgen so aufbereiten werden, dass dieser mit einem Blick sieht, wo noch einmal genauer hingeschaut werden muss."
Von Stefan Thaler / APA-Science