Die Hochschule der Zukunft
Themen wie Studienplatzfinanzierung, Zugangsbeschränkungen und Leistungsvereinbarungen prägen den (tages-)aktuellen Diskurs um die Hochschulen. Wohin und woran sich die Hochschulen in Zukunft strategisch orientieren sollen und welche Herausforderungen dabei besonders im Mittelpunkt stehen, hat sich APA-Science mit Hilfe zahlreicher Expertinnen und Experten näher angesehen.
Vorschläge dafür, wie die Universitäten mit Problemen der Gegenwart wie auch Zukunftsfragen umgehen sollten, bieten aktuell etwa die Beiträge der vom Rat für Forschung und Technologieentwicklung (RFT) herausgegebenen Publikation "Die Zukunft und Aufgaben der Hochschulen". Für den Vorsitzenden des Forschungsrates, Hannes Androsch, sind Hochschulen die "zentrale Institution jedes Forschungs- und Innovationsraumes". Zur Lösung der gesellschaftlichen Herausforderungen wie Klimawandel, Energieversorgung oder Gesundheit würden junge, motivierte und vor allem gut ausgebildete Menschen benötigt, die fähig seien, "unsere Welt zu verändern". "Hochschulen bilden dafür einen wichtigen Baustein", so Androsch gegenüber APA-Science (siehe auch Interview).
Hochschulsystem attraktiver gestalten
Herausforderungen für die nächsten fünf bis zehn Jahre seien etwa, das Hochschulsystem für internationale Forscher attraktiver zu gestalten, der rasche Ausbau einer modernen digitalen Infrastruktur und die stärkere Ausrichtung der Hochschulen an den Bedürfnissen der Gesellschaft.
Einmal mehr bemängeln Androsch sowie weitere namhafte Experten dabei die unzureichende Finanzierung der Unis: "Das Ziel für 2020, die Hochschulquote auf zwei Prozent zu steigern, wird nicht erreicht werden. Es fehlt an einem durchgängigen kapazitätsorientierten Hochschulzugang und kompetitiven Budgets für die österreichischen Hochschulen. Auch über eine studierendenbezogene Universitätsfinanzierung wird schon seit mehr als zehn Jahren diskutiert." Eine Erhöhung der Dotierung sollte aber an eine "gleichzeitige Kapazitätsplanung" an den Unis gekoppelt sein.
Wie gut die heimischen Unis für die Zukunft aufgestellt sind, beantwortet Androsch vorsichtig optimistisch: "Wir haben eine gute Basis für eine positive zukünftige Entwicklung. Wenn sich aber die Geschwindigkeit der Veränderung nicht verbessern lässt, verpassen wir die Zukunft."
"Was kommt nach der Amerikanisierung?"
Die insgesamt 29 Beiträge von 46 Experten decken in der Publikation die Themenbereiche "Entwicklung, Bedeutung und Aufgaben", "Organisation, Management und Governance", "Globaler Wissensraum und Digitalisierung" sowie "Differenzierung und Diversifizierung" ab. So hat sich etwa der ehemalige Rektor der Universität Wien, Georg Winckler, mit der Frage "Was kommt nach der Amerikanisierung der Universitäten?" beschäftigt. Er ist der Ansicht, dass der globale Erfolgszug des US-Universitätssystems bald beendet sein könnte. Während in den vergangenen Jahrzehnten weltweit Hochschulen nach amerikanischem Modell verändert wurden, erwartet Winckler eine Ablöse dieses Leitbilds "durch neue Vorbilder". Diese seien aber nicht nur in Asien verortet, auch in der Schweiz, Dänemark oder den Niederlanden ortet Winckler neue Vorreiter.
Michael Stampfer, Geschäftsführer des Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds (WWTF) setzt sich kritisch mit den Leistungsvereinbarungen (siehe "Universitätssteuerung in Österreich: Viel Aufwand für wenig Wirkung?") auseinander, während Hans Pechar, pensionierter Professor für Hochschulforschung an der Alpen-Adria-Universität, die Karriereoptionen und Arbeitsbedingungen für das akademische Personal unter die Lupe nimmt. Ein wachsender Teil der Lehre an den Universitäten wird laut Pechar nicht mehr durch dauerhaft beschäftigtes akademisches Personal angeboten, sondern durch Lehrkräfte in prekären Beschäftigungsverhältnissen. Als möglichen Ausweg sieht er eigene Lehrprofessuren.
Auch das bereits angebrochene digitale Zeitalter stellt eine zentrale Herausforderung für Hochschulen dar, so Androsch: "Sie zu bewältigen bedeutet, dass sich die tertiären Bildungseinrichtungen auf diese Aufgabe in allen Wissensbereichen verbunden mit der daraus entstehenden interdisziplinären Zusammenarbeit einstellen müssen." Schon jetzt hat die Digitalisierung viele Spuren an den Hochschulen hinterlassen. Sie reichen vom Aufbau entsprechender Infrastrukturen über die Online-Verwaltung bis zu Versuchen, die Lehre selbst zu virtualisieren (siehe "Kleine Schritte zur digitalen Hochschule").
Studie beleuchtet Studentensicht
Was Expertinnen und Experten über die Zukunft der Hochschulen denken, ist eine Sache, was Studierende denken, eine andere. Diese erwarten von ihren Hochschulen vieles gleichzeitig, wie aus der vom RFT und der Ludwig Boltzmann Gesellschaft (LBG) beauftragten Studie "Create your UNIverse" hervorgeht: Unter anderem sollen reales und virtuelles Lernen miteinander verschmelzen. Außerdem sollen sowohl kritisches Denken und Hinterfragen von Inhalten gefördert als auch stärkere Berufsorientierung betrieben werden.
Aus den Erwartungshaltungen der Studenten ergeben sich demnach fünf Handlungsempfehlungen für die künftige Gestaltung der Hochschulen: So soll das Potenzial der Digitalisierung für die strategische Ausrichtung der Hochschulen genutzt; die Rolle der Lehrenden an Hochschulen vom reinen Wissensvermittler zum Lerncoach und Mentor weiterentwickelt, Strukturen an Hochschulen, die Lifelong Learning und Vernetzung unterstützen, aufgebaut; offene Experimentierräume in der Lehre für den Austausch zwischen den Peers untereinander sowie zwischen Peers und Lehrenden errichtet sowie die nationale und internationale Zusammenarbeit zwischen den Hochschulen ausgebaut und weiterentwickelt werden.
"Die Ergebnisse fließen jedenfalls in die Empfehlungen des Rates ein. Im September wird dazu eine Diskussionsrunde mit den Stakeholdern organisiert. Daran nehmen Vertreter der Universitäten, Fachhochschulen, des Wissenschaftsministeriums, des Wissenschaftsrates und Hochschulexperten teil", so Forschungsrat-Mitglied Sabine Herlitschka im Interview mit APA-Science. Mit den vorliegenden Ergebnissen will man den Prozess zur Weiterentwicklung des Hochschulsektors unterstützen und weitere Diskussionen anregen.