75 Jahre Marshallplan: Hilfreiche Vergangenheit, Modell für Zukunft
Am 5. Juni 1947 wurden vom früheren US-Generalstabschef George C. Marshall in Harvard die Eckpunkte eines großen Aufbauplanes für Europa verkündet - des nach ihm benannten Marshallplans. Zum 75. Jahrestag lud die Austrian Marshall Plan Foundation in der Diplomatischen Akademie Wien zur hochrangig besetzten Feierstunde. Man war sich einig, dass die Hilfe die Demokratie in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg entscheidend gestärkt habe - und ein Modell für die Ukraine sein könnte.
75 Jahre später ist der Marshallplan - eigentlich European Recovery Program (ERP) - laut einer Mitteilung der Foundation aktueller denn je und noch immer ein weltweites Synonym für Hilfe, Unterstützung und soziale Innovation. Bei den Feierlichkeiten zum 75. Jahrestag am Mittwochabend würdigten Bundespräsident Alexander Van der Bellen, der via Videoschaltung dabei war, Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP), die US-Botschafterin in Österreich, Victoria Reggie Kennedy, und der Präsident der Austrian Marshall Plan Foundation, Wolfgang Petritsch, den nachhaltigen Einfluss des Marshallplans auf die Entwicklung Österreichs und Europas. Per Grußbotschaft via Video war US-Verkehrsminister Pete Buttigieg dabei - der Marshallplan hatte ja wesentlich zum Wiederaufbau der zerstörten Verkehrsinfrastruktur Europas beigetragen.
Bundespräsident Alexander Van der Bellen erklärte anlässlich des 75-jährigen Jubiläums: "Kriege, soziale Unruhen und politisches Chaos entstehen durch Armut und Elend, das war die Überzeugung von George C. Marshall. Nur durch eine großzügige Hilfe und den ökonomischen Wiederaufbau sowie den Aufbau demokratischer Institutionen – vor allem auch Deutschlands und Österreichs – konnte die Demokratie in Europa gestärkt werden, konnte den Gespenstern der Vergangenheit und den totalitären Ideologien der Boden entzogen werden. Der Marshallplan hat einen durch zwei Weltkriege zerstörten und verwüsteten Kontinent stabilisiert."
Außenminister Schallenberg: "Unsere Beziehungen gründen auf gemeinsamen Werten und gemeinsamen Zielen: Demokratie, Freiheit, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit stehen für uns im Vordergrund. Diese Werte sind heute genauso wichtig wie sie es vor 75 Jahren waren. Erst recht in einer Zeit, in der der Krieg nach Europa zurückgekehrt ist."
Marshallplan wichtig für Aufbau der Demokratien in Europa
Alle Anwesenden waren sich einig, dass auf der historischen Leistung des Marshallplans aufzubauen ist, denn Freiheit und Demokratie sind gerade angesichts des Ukraine-Krieges keine Selbstverständlichkeit. US-Botschafterin Victoria Reggie Kennedy sagte u. a.: "Wie wir heute auf tragische Weise in der Ukraine erleben, wird Demokratie ständig in Frage gestellt und erfordert unser kontinuierliches Engagement, unsere Investitionen und unsere aktive Aufmerksamkeit."
Wolfgang Petritsch, Gastgeber und Präsident der Austrian Marshall Plan Foundation ist von der historischen und aktuellen Bedeutung des Marshallplans überzeugt: "Ohne Marshallplan wäre nach dem Kulturbruch des Zweiten Weltkrieges die Entwicklung Österreichs - und Europas insgesamt - nicht so erfolgreich verlaufen. In Österreich hat der Marshallplan sicherlich ein Näherrücken an westliche Werte und Lebensweisen beeinflusst, ohne dass wir unsere vermittelnde Rolle Richtung Ost- und Südosteuropa gekappt hätten."
Das ERP wäre eigentlich für alle europäischen Länder vorgesehen gewesen. Die tschechoslowakische Regierung etwa wollte 1948 eigentlich Mittel beantragen, wurde nach der kommunistischen Machtübernahme von den Sowjetunion daran gehindert. Marshall selbst war nach seiner entscheidenden Rolle für den alliierten Sieg über Nazideutschland und Japan zwar 1945 in den Ruhestand getreten, wurde aber 1947 als Außenminister sozusagen politisch reaktiviert. 1953 erhielt er für seine Aktivitäten zum ERP den Friedensnobelpreis.
Eine weitere Jubiläumsveranstaltung findet am 13. Juni in Washington D.C. statt. Gemeinsam mit dem Wilson Center organisiert die Austrian Marshall Plan Foundation eine Podiumsdiskussion, bei der es um Lehren aus dem Marshallplan und eine eventuelle "Neuauflage" für die Ukraine geht.
Für Österreich sind übrigens noch immer Mittel des 1947 eingerichteten Marshallplans vorhanden. Markus Schweiger, Stiftungsvorstand der Austrian Marshall Plan Foundation: "Diese werden vor allem für zwei Bereiche verwendet: Wirtschaft und Wissenschaft. Mit der Austrian Marshall Plan Foundation wird insbesondere der Wissenstransfer zwischen den USA und Österreich aktiv gefördert und das gegenseitige Verständnis zwischen den Vereinigten Staaten und Europa mit Schwerpunkt Österreich gestärkt." Jährlich fließen rund eine Million Euro der Austrian Marshall Plan Foundation in Kooperationen und Forschungsvorhaben sowie in die Förderung österreichischer und amerikanischer Universitäten und Wissenschaftler. Derzeit arbeitet die Austrian Marshall Plan Foundation an einem Sonderfellowshipprogramm für ukrainische und geflüchtete russische Wissenschaftler gemeinsam mit dem Österreichischen Institut für Internationale Politik (OIIP) und dem Wilson Center.