"Frugale Innovation" als Gegenentwurf zu High-Tech um jeden Preis
"Warum soll ich einen Rolls Royce kaufen, wenn ich auch mit einem Skoda ans Ziel komme?" Solche Aussagen hören High-Tech-Hersteller immer wieder, erklärte der deutsche Innovationsforscher Stephan Buse bei einer Veranstaltung in Wien. Einige Firmen reagieren darauf mit abgespeckten, sogenannten "frugalen" Innovationen - und haben Erfolg. Solche Beispiele seien aber noch rar, hieß es.
Als eine von bisher wenigen heimischen Firmen hat der Grazer Prüftechnik-Spezialist AVL List den Gedanken bis zum Ende verfolgt, ein Produkt technologisch auf die wesentlichen Bedürfnisse der Kunden in aufstrebenden Märkten zu reduzieren. Ausgangspunkt dafür war ein Knick im Umsatz im Zuge der Finanzkrise, sowie die Erkenntnis, dass die angebotenen Highend-Produkte in Indien oder China nicht so stark nachtgefragt wurden, erklärte Peter Lick, der bei AVL für die weltweite Produkt- und Entwicklungskoordination zuständig ist, bei einer Diskussionsveranstaltung mit dem Titel "Reduce to the Max" der Plattform corporAID.
Lokale Hersteller verkauften Billig-Kopien
Zudem wurden Prüfstände aus Graz von lokalen Herstellern kopiert und in der Region erfolgreich verkauft - zwar in minderer Qualität, aber eben weit günstiger. Man reagierte darauf mit einem Produkt, das zwischen diesen Kopien und den eigenen Highend-Angeboten liegt. Bei der Entwicklung von "AVL Compact" setzte man bewusst auf Kooperationen mit indischen Forschungs-Partnern, gefertigt wird in Indien und Graz, so Lick. Mittlerweile verkaufe man die Geräte erfolgreich in vielen Märkten, ohne dass der Absatz der High-Tech-Schiene darunter leide. Ähnliche Erfahrungen berichtete auch Michael Friedmann vom oberösterreichischen Feuerwehrausrüster Rosenbauer.
Derartige Beispiele für "Frugale Innovationen" gebe es zwar im deutschen Sprachraum schon vereinzelt, auf Unternehmensseite komme das Thema aber nur sehr langsam an - ganz zu Schweigen von Hochschulen, so Buse, der an der Technischen Universität Hamburg dazu forscht und Firmen berät. Es müssten nicht gleich alle auf den Trend zu "Good-Enough-Products" aufspringen, also Produkten, die gut genug für die jeweilige Anforderung sind. Es könne allerdings "böse enden, wenn man sich mit dem Thema nicht einmal auseinandersetzt".
Orientierung an "deutscher Ingenieurskunst" nicht immer optimal
Dass das Konzept noch wenig bekannt sei, konstatierte auch der Geschäftsführer des Rats für Forschung und Technologieentwicklung (RFT), Ludovit Garzik. Was auch daran liege, dass vor allem im deutschsprachigen Raum der Fokus in der Technologieentwicklung traditionell sehr stark auf Hochtechnologie ausgerichtet sei - Stichwort "deutsche Ingenieurskunst". Diese Orientierung sei gut, aber nicht immer steige die Attraktivität einer Entwicklung mit der Anzahl der Anwendungen, die man zeitaufwendig noch zusätzlich hineinpackt. Dieser Ansatz habe sich im Ingenieursdenken eben noch nicht verfestigt. Dass in Österreich die Anwendungsorientierung mangelhaft ausgeprägt ist, hänge zum Teil auch damit zusammen. Wissen werde oft "im System hin und her geschoben", lande aber nicht oder erst spät auf dem Markt.
So stolz man auf die Ingenieurskunst auch sein könne, sollte man zukünftig verstärkt darüber nachdenken, wo Reduktion Sinn macht, erklärte auch Karl-Heinz Leitner vom Austrian Institute of Technology (AIT). Frugale Innovation sei nicht immer positiv assoziiert, man vergesse dabei aber, welche "unglaubliche Innovationsleistung" es ist, ein einfacheres, billigeres und langlebigeres Produkt am besten in Zusammenarbeit mit Leuten aus Entwicklungsländern erfolgreich zu entwickeln.