Von langen Strecken und letzten Meilen
Harter Wettbewerb, kleinstrukturierte Unternehmen und geringe Kooperationsbereitschaft: In der heimischen Transportlogistik herrschen nicht unbedingt die besten Bedingungen für Innovationen. Welche aktuellen Herausforderungen – vor allem in Hinblick auf den Umweltschutz – wie gelöst werden können und welche Rolle neue Technologien dabei spielen, hat APA-Science unter die Lupe genommen.
Tatsache ist, der Güterverkehr, insbesondere der Straßengüterverkehr, wächst. Kein Wunder, bietet der Lkw doch auf kurzer und mittlerer Distanz viele Vorteile gegenüber anderen Verkehrsmodi, etwa flexiblere Transportmengen, ein dichtes Straßennetz und eine geringere Umschlagshäufigkeit. Gleichzeitig wird der durch technischen Fortschritt erreichte Rückgang des spezifischen Energieverbrauchs vom Verkehrswachstum überkompensiert. Neue Lösungen sind also gefragt. Einer der von Experten meistgenannten Ansatzpunkte – weit vor allen technologischen Neuerungen wie Lkw-Platoons und dem "Physical Internet" – war die mangelnde Bereitschaft zur Zusammenarbeit. Konkret: zur horizontalen Kooperation zwischen eigentlich konkurrierenden Betrieben, also Frächtern, Eisenbahnunternehmen oder Reedereien.
Kooperation als Voraussetzung für Innovation
Gerade das sei aber Voraussetzung für viele Innovationen, so Matthias Prandtstetter vom AIT Austrian Institute of Technology (siehe Smarter Transport braucht Kooperation: Der lange Weg zum "Physical Internet"). Neben einigen risikobereiten Unternehmen, die aktiv an entsprechenden Projekten teilnehmen, gebe es viele, die ihren Kopf in den Sand stecken und die Zusammenarbeit mit Mitbewerbern generell ablehnen würden. Es gebe schlicht keine horizontalen Kooperationen, erklärte auch Franz Schwammenhöfer, Leiter der Stabstelle Logistikkoordination im Generalsekretariat des Verkehrsministeriums (BMVIT). Die Leistung des Logistikers, also vereinfacht gesagt, eine Palette von einem Ort zu einem anderen zu bringen, sei extrem austauschbar. "Wenn ich den Transport meinen Mitbewerber machen lasse, um damit den Lkw voll zu füllen, macht er dem Auftraggeber beim nächsten Mal das Angebot, gleich mit ihm statt mit mir zu fahren. Da gibt es kein Vertrauen. Es funktioniert nur, wenn man sie in Kooperationen zwingt", ist der Fachmann überzeugt (siehe "Never change a running system" ).
"Es gibt zwar ein gewisses Umdenken, aber dass es ohne bestimmte Regelungen funktioniert und sich die Akteure selber finden – mit dem Ergebnis kostengünstig, effizient, konkurrenzfähig und im Einklang mit der Umwelt – da bin ich skeptisch", meint auch Martin Russ, Geschäftsführer der Beratungsagentur AustriaTech (siehe "Innovation alleine reicht nicht aus"). Weitere Konsequenz: Der Mangel an Datenverfügbarkeit und Datenaustausch behindert die durch Bündelung mögliche Verbesserung der operativen Effizienz des Güterverkehrs, ergänzte Forscher Bin Hu vom AIT (siehe "Automatisierte Fahrzeuge im Güterverkehr?"). Der vorherrschende Gedanke in optimierten Logistikbetrieben sei: "Never change a running system", resümierte Schwammenhöfer.
Hubs, Mobilitätslabore und Paketwände
Ein Versuch, solche horizontalen Kooperationen voranzutreiben, wurde beispielsweise mit dem Projekt GrazLog unternommen. Konkret geht es dabei um einen City Hub, an den alle Transporteure zuliefern. Von dort aus wird durch einen gemeinsamen, neutralen Zusteller (White Label) die letzte Meile realisiert. Das könnte die Stadt Graz sein oder ein Dienstleister, der den Zuschlag für einen ausgeschriebenen Transportauftrag bekommt, erläuterte Prandtstetter. Eine White-Label-Lösung steht auch beim Projekt aIBOX im Mittelpunkt. Dabei geht es um Paketwände, die bei einem Wohnhaus oder auch beim Hauptplatz, Bahnhof oder einem Nahversorger aufgestellt werden können. Hier darf jeder, der einen entsprechenden Zugangscode hat, einlagern. Alle verwenden die gleiche Box, die von einem neutralen Anbieter zur Verfügung gestellt wird. Im Projekt "SoWAS" wird wiederum an einem offenen, kollaborativ genutzten Warenaustauschsystem gearbeitet (siehe "Nachhaltige Urbane Güterlogistik - Paketbox- und Warenaustauschsysteme").
Darum, wie man die Zustellung in der Stadt verbessern kann, geht es auch beim Thinkport Vienna, das einzige von fünf Urbanen Mobilitätslaboren, das sich ausschließlich mit Güterverkehr auseinandersetzt. Ziel des FFG-geförderten Projekts der Universität für Bodenkultur (Boku) Wien ist im Grunde, güterlogistische Innovationen zu entwickeln, zu testen, und umzusetzen. "Der Hafen Wien ist dabei Partner, weil er findet, dass man beim Thema urbaner Güterverkehr nur gemeinsam etwas bewegen kann", sagte Manfred Gronalt, Leiter des Instituts für Produktionswirtschaft und Logistik an der Boku: "Wir vernetzen und entwickeln Themen und führen unterschiedliche Stakeholder zu Konsortien zusammen."
Leuchtturmprojekte sind Mangelware
Initiativen wie diese gebe es viele. "Das ist aber alles viel zu wenig, da muss ein System hineinkommen. Ich glaube, dass die Politik in Österreich hier zu mutlos ist. Man könnte tatsächlich, wenn man das will, Leuchtturmprojekte für eine soziale und umweltverträgliche Mobilität machen. Das könnten wir uns als reiches Land leisten", so Gronalt (siehe "Logistik an der Boku: Algorithmen, Simulationen und Innovationslabore"). Die Aktivitäten auf Forschungsseite – wie der Thinkport – seien gut, aber noch zu klein, meint auch Russ. "Jetzt geht es darum, das institutionell zu verankern, damit wir Transformationstreiber, Akteure und Katalysatoren haben."
Als "das Leuchtturmprojekt der europäischen Logistikforschung" sieht Prandtstetter die European Technology Platform ALICE. Sie will die Vision des "Physical Internet" bis zum Jahr 2030 umsetzen. Dabei gehe es darum, den Datenverkehr, den man im klassischen Internet hat, in der Transportlogistik nachzuahmen. Das heißt, Pakete suchen sich selbst den Weg durch das Netzwerk. "Es gibt keine Vorgabe vom Sender, außer vielleicht möglichst kostengünstig oder bis zu einem gewissen Zeitpunkt am Ziel zu sein. Ob die Ware mit dem Lkw, Zug, Schiff, Flugzeug oder einem anderen Verkehrsmittel transportiert wird, ist dem Verlader und dem Empfänger egal", so der Experte im Gespräch mit APA-Science.
Auf dem Weg zum "Physical Internet"
Das Logistikum der Fachhochschule (FH) Oberösterreich forscht seit 2015 in mehreren Projekten an der Realisierung des "Physical Internet", beispielsweise im Leitprojekt ATROPINE – Fast Track to the Physical Internet, wo es um die Einführung einer oberösterreichischen Modellregion ging, erklärte Oliver Schauer, Forschungsprofessor für Verkehrslogistik an der FH OÖ am Campus Steyr (siehe "Nachwuchs und Nachhaltigkeit der Logistik"). Dabei werden "intelligente Transportträger, gemeinsam genutzte Infrastruktur, Echtzeitinformation und synchromodale Transportketten in einem offenen Physical Internet Datenhub vernetzt".
Im kommenden Jahr läuft übrigens das 2012 gestartete FTI-Programm "Mobilität der Zukunft" aus. Das Verkehrsministerium ist deshalb dabei, die Weichen für die Zukunft zu stellen. Zu diesem Zweck findet Ende November eine Konferenz des BMVIT mit Stakeholdern aus Wirtschaft und Wissenschaft statt, bei der diskutiert wird, welche Wege die österreichische Logistik in Zukunft beschreiten kann. In Workshops soll so eine mögliche Strategie für ein weiterführendes FTI-Forschungsprogramm erarbeitet werden. Insgesamt wurden im Rahmen von "Mobilität der Zukunft" bisher 26 Mio. Euro in FTI-Vorhaben zur Gütermobilität investiert, bis Jahresende werden weitere fünf dazukommen.
City Logistik führt zu zusätzlichem Umschlag
Ein starker Forschungsschwerpunkt war hierzulande in den vergangenen Jahren der Bereich City Logistik, also der Gütermobilität in Ballungszentren. Dabei gibt es viele Konzepte wie man in der Stadt zustellen kann. "Was sie alle gemeinsam haben: Es bedarf eines zusätzlichen Umschlags", so Prandtstetter. Schließlich sei es weder sinnvoll, noch machbar, mit dem 40-Tonner mit Anhänger in die Innenstadt zu fahren. Für die letzte Meile müsse berücksichtigt werden, welches Gut mit welchen Anforderungen und Frequenzen zu transportieren sei. Daraus leite sich das passende Fahrzeug ab.
Natürlich koste jeder Umschlag Zeit und Geld. Die Forschungsergebnisse würden aber eher dahin gehen, dass sich durch die Kooperation und die damit verbundene Kostenersparnis der zusätzliche Umschlag amortisiert, weil dann nur mehr ein spezielles Fahrzeug beispielsweise in den ersten Bezirk in Wien fährt und die Waren von verschiedenen Lieferanten zustellt. Ob es dafür regulative Eingriffe – etwa Fahrverbote – bedarf, darüber gehen die Meinungen auseinander. "Die Hoffnung besteht, dass auch so ein effizientes System gefunden wird und sich die Logistik selbst anpasst", sagte Prandtstetter.
Regulierung von oben notwendig
Damit die Logistiker ihre Lastkraftwägen an der Stadtgrenze stehen lassen und in City Hubs gegen umweltfreundlichere Alternativen tauschen, braucht es Regulierungen von oben, ist hingegen Wolfgang Schildorfer, Leiter des Projekts Connecting Austria, überzeugt. "Wir reden von kommerziell optimierten Betrieben. Wenn es sich für sie nicht rechnet, werden sie es auch nicht tun." Im urbanen Raum sieht er einen Mischverkehr, bei dem alternative Transportmöglichkeiten wie Lastenfahrräder oder Elektroautos eine größere Rolle spielen werden. Die Herausforderungen seien hier weniger technologischer Natur als in Hinblick auf die Koordination, so Russ: "Wie bringe ich die verschiedenen Akteure zusammen, wie steuere ich das? Wenn Amazon, DHL und Post für sich alles optimieren, ist das ja schön. Aber wie stelle ich sicher, dass die gemeinsam optimieren – zumindest dort, wo die Stadt beginnt ins Umland auszufransen?"
Hier sei es notwendig, zu "dirigieren". Die öffentliche Hand könnte sowohl regulativ, aber auch als Anbieter einer Plattform oder von physischen Hubs zumindest zu einer Bündelung anregen. Wer bestimmte Volumina koordiniert abwickle, dürfe in eine gewisse Zone reinfahren – sonst nicht oder nur kostenpflichtig. Dazu brauche es Informationen und Daten von den Anbietern. "Nicht um selbst eingreifen zu können, aber um die Auswirkungen nicht nur auf die Infrastruktur, sondern auch auf Gesellschaft, Umwelt und so weiter ein wenig lenken zu können", meint Russ. Beim Übergang von der Straße auf umweltfreundlichere Verkehrsmittel werde es Anreize bedürfen, sonst seien die großen Player von ihrem Pfad sehr schwer abzubringen, ist auch Gronalt überzeugt.
Lkw bleibt "King der Langstrecke"
Ein großer Diskussionspunkt ist naturgemäß auch die Antriebstechnologie der Transportfahrzeuge. Während in der City am Elektroantrieb kein Weg vorbeiführen dürfte, wird beim Lkw-Güterverkehr auf der Langstrecke auch in Zukunft der Dieselmotor dominieren, da lange Strecken die Potenziale der Elektromobilität überschreiten, ist Schildorfer überzeugt. Bis es so weit sei, gehe es darum, Synergien zu nutzen und beispielsweise Leerfahrten mit Hilfe von Frachtenbörsen zu reduzieren. "Wenn zwei Logistiker miteinander reden und kooperieren, können sie ihre Leerfahrten reduzieren – so spart man vielleicht mehr als über die Antriebstechnologie."
Die Dekarbonisierung werde jedenfalls nicht allein durch einen E-Lkw realisierbar sein: "Da braucht es schon mehr: Kooperation, Effizienzsteigerung und die Verlagerung auf die Schiene", betonte auch Prandtstetter. Dennoch komme der E-Lkw verstärkt ins Gespräch – von der Zustellung mit Sprintern, also leichten Nutzfahrzeugen, bis zu Schwerlast-Lkw, für die die Elektrifizierung derzeit erforscht und entwickelt wird. "Es tut sich da momentan sehr viel. Die Technologie wird effizienter, kostengünstiger und anwendbarer. Ob es dann wirklich der batteriebetriebene E-Lkw oder doch ein Wasserstofffahrzeug wird, ist offen. Es setzt sich ja nicht immer die bessere Technologie durch, manchmal geht es um das bessere Marketing oder den richtigen Zeitpunkt", sagte der Forscher.
Sonnenblumen elektrisch nach Wien geliefert
"Wir haben vor kurzem eine voll elektrische Lieferung von Sonnenblumen von Amsterdam nach Wien gemacht (dabei wurden für die erste und letzte "Meile" eines Bahntransports E-Lkw benutzt; Anm.). Es geht ja, wir müssen es nur einfach machen", so Gronalt. Bei den KEP-Diensten (Kurier/Express/Paket) und bis zum 7,5-Tonner sei ein elektrischer Antrieb inzwischen durchaus wettbewerbsfähig, ergänzte Russ. Auch weil eine Reichweite von 150 Kilometern im Normalfall durchaus genüge, um durch den Tag zu kommen, wenn man entsprechend effizient unterwegs ist.
Um Effizienz geht es auch bei den viel diskutierten Lkw-Platoons. Hier fahren mehrere Lastwagen mithilfe technischer Steuerungssysteme in sehr geringem Abstand hintereinander und reduzieren so ihren Kraftstoffverbrauch. Die Rede ist von einer Spriteinsparung von rund zehn Prozent. Ein noch bedeutender Faktor sind aber der akute Lkw-Fahrermangel – aufgrund der bescheidenen Bezahlung und den anstrengenden Langstreckenfahrten – sowie die Lenkerkosten. Größere Fahrzeuge wie Lastkraftwagen oder Busse müssen eigentlich einen Sicherheitsabstand von mindestens 50 Metern auf der Autobahn zueinander halten. Bei Lkw-Platooning wird dieser Abstand auf bis zu 15 Meter reduziert.
Noch keine Lkw-Platoons auf der Straße
Hier gibt es laut Russ viel Forschung sowie technologische und organisatorische Konzepte, aber – zumindest in Österreich – noch keine Platoons auf der Straße: "Das dauert sicher fünf bis zehn Jahre bis das kommt und einen entsprechenden Mehrwert liefert. Vielleicht wird es schneller technologiereif, aber organisatorisch und auch von der Einbettung in die Gesellschaft sind wir noch nicht so weit." Von einem Regelsystem sei man auch deshalb noch weit entfernt, weil erst viele Fragen geklärt werden müssten – von der Interaktion mit dem Umfeld über die Ausstattung mit hackbarer, redundanter Technologie bis zu strukturellen Angelegenheiten. Derzeit würden die verschiedensten Facetten der Thematik im Leitprojekt Connecting Austria intensiv durchgespielt.
"Wir sehen uns an, wie der Infrastrukturbetreiber Lkw-Platooning sicherer machen kann", so Schildorfer (siehe "Aller Laster Anfang? Platooning und die Zukunft des Lkw-Transports". Dieser (im Falle von Connecting Austria die Asfinag) sendet Informationen an die Fahrzeuge, die dem Fahrer sagen, ob Platooning in einem bestimmten Straßenabschnitt erlaubt ist oder nicht – beispielsweise aufgrund von Regen, Baustellen oder Stau. Letztendlich wird der gesamte Weg eines energieeffizienten Lkw-Platoon vom Versandort über die Autobahn bis zu einem Güterverteilzentrum am Stadtrand untersucht. Worum es bei Connecting Austria nicht gehe, seien selbstfahrende Fahrzeuge – denn diese Technologie tatsächlich auf die Straße zu bringen, sei ferne Zukunftsmusik.
Langstreckenfahrt könnte automatisiert werden
Optimistischer diesbezüglich ist Bin Hu vom AIT. Zuerst werde die Langstreckenfahrt auf der Autobahn automatisiert, wobei der Fahrer zunächst noch die erste und letzte Meile manuell übernehme. In einer weiteren Ausbaustufe könne bereits ein Fernbedienungsmodell zum Einsatz kommen. "Dann befindet sich gar kein Fahrer mehr in der Kabine, sondern die große Lkw-Flotte wird mit einem Pool von erfahrenen Lkw-Fahrern in einer Leitstelle verbunden. Diese sind in der Lage, im Notfall ein Fahrzeug fernzusteuern", so Hu in einem Gastkommentar. "Vielleicht kommt es beim Lkw schneller als beim Pkw, dass wir zumindest auf der Autobahn den Fahrer durch Computer ersetzen", pflichtete Sebastian Kummer vom Institut für Transportwissenschaft und Logistik der Wirtschaftsuniversität Wien bei. Der Einsatz von automatisiertem Güterverkehr im urbanen Raum wird wegen der signifikant höheren Komplexität aber vermutlich erst später erfolgen.
Sehr schleppend verläuft auch die Verlagerung auf die Schiene, wenngleich klar sei, "dass der Güterverkehr ab einer gewissen Distanz auf die Schiene muss. Da ist die Bahn auch sehr konkurrenzfähig", erklärte Russ. Die Frage sei, ob es auch die entsprechenden Kapazitäten gebe. Schließlich brauche man ein entsprechendes, garantiertes Volumen. "Und wenn ich etwas in eine Richtung transportiere, was transportiere ich in die andere? Wie geht das in diesem Logistiknetzwerk vernünftig auf, damit man dann nicht leer zurückfahren muss? Es gibt Konzepte, die sich tragen, aber überall ist es nicht möglich, entsprechende Warenströme zu finden", sagte Russ.
Eisenbahn-Güterverkehr hat hohen Anteil
Gegengesteuert werde beispielsweise mit neuen, flexibleren Aufbauten, die man für verschiedene Warengruppen nutzen und umbauen kann, automatischen Kupplungen sowie neuen Waggon-Typen. Österreich habe im Eisenbahn-Güterverkehr international gesehen einen wirklich hohen Anteil am Modal-Split, "den sollte man nicht freiwillig aufgeben", so Gronalt. Die Bahn ist laut Kummer "extrem leistungsfähig und wird auch in Zukunft auf den langen Strecken immer gegenüber anderen Verkehrsträgern gewinnen". Für eine sehr spannende Option hält er beispielsweise, die Seidenstraße mit Containerverkehr wiederzubeleben und vermehrt Waren mit der Bahn von Europa nach China und umgekehrt zu bringen.
Auf der Schiene wurde 2017 knapp ein Fünftel (18,5 Prozent) der Güter von heimischen Unternehmen durch das Land geschickt, das waren 108 Mio. Tonnen. Zwei Drittel (66,6 Prozent) – beziehungsweise 387 Mio. Tonnen – entfielen auf die Straße (siehe "Logistik-Zahlen für Österreich"). Große freie Transportkapazitäten gibt es bei der Binnenschifffahrt, eines der klimafreundlichsten Transportmittel. Die Massenleistungsfähigkeit ist hoch, der spezifische Energieverbrauch niedrig und die Transportkosten sind dementsprechend gering, erläuterte Gudrun Maierbrugger vom Wasserstraßenbetreiber viadonau (siehe "Die Binnenschifffahrt - Zukunft oder Vergangenheit?"). Allerdings bringt es dieser Verkehrsweg nur auf 2,9 Prozent der transportierten Tonnenkilometer in Österreich, weil es neben Vorteilen natürlich auch Nachteile gibt. Da nicht jedes Unternehmen an einer internationalen Wasserstraße liegt, braucht es effiziente, intermodale Umschlagknoten. Vor allem in Osteuropa besteht hier laut Maierbrugger großer Aufholbedarf.
Binnenschifffahrt leidet unter mangelnder Bekanntheit
Die Binnenschifffahrt leide auch unter dem mangelnden Bekanntheitsgrad der damit verbundenen Möglichkeiten. Bereits in der Ausbildung potenzieller logistischer Entscheider bestehe Handlungsbedarf. Den gebe es auch bei der Harmonisierung rechtlicher und administrativer Rahmenbedingungen, die bei internationalen Transporten große Hürden darstellen können. Große Fortschritte sieht die Expertin im Bereich Informationsbereitstellung, was eine bessere Planbarkeit von Transporten ermögliche. Und auch Online-Plattformen, die freie Kapazitäten auf Schiffen mit zu transportierender Ladung vernetzen, seien inzwischen durchaus erfolgreich.
Weniger erfolgreich ist die gesamte Branche bei der Mitarbeitersuche. Der Fachkräftemangel macht vor der Logistik nicht halt. "Obwohl die Logistik eine der wenigen Branchen ist, die jährlich zweistellige Zuwachsraten verzeichnet, kriegt sie keine Mitarbeiter. Das ist ein Phänomen: eine Branche, die boomt, hat Mitarbeiterprobleme", attestiert Schwammenhöfer. Wer an Logistik denkt, denkt oftmals an Lkw-Fahrer, betonte Schauer von der FH OÖ. Dabei beschäftige die Branche sehr viel mehr verschiedene Berufe, als landläufig damit verbunden werden. "Logistik umfasst sehr viel mehr als den Lkw-Fahrer, den Disponenten in einer Spedition oder den Lagermitarbeiter", so Schauer: "Der Logistik-Begriff geht in der aktuellen Zeit viel weiter, es geht nicht mehr nur um die klassische Transport-, Umschlag- und Lagerlogistik, sondern auch um alles, was damit zu tun hat."
Neue Berufsfelder durch die Digitalisierung
Von Data Science und dem Umgang mit großen Datenmengen über Künstliche Intelligenz bis hin zu Supply-Chain-Management würden sich durch die digitale Transformation neue Berufsfelder auftun. An der FH OÖ seien rund 50 Mitarbeiter im F&E-Bereich mit Logistik-Forschung beschäftigt. "Diese Forschungsinhalte werden dann in die Seminarräume und Hörsäle hineingebracht, um den Studierenden zeitnah derartige Zukunftstrends und Best-Practices näherzubringen", betonte Schauer gegenüber APA-Science. Österreich sei in Hinblick auf die Ausbildung des Logistiker-Nachwuchses sehr gut aufgestellt, pflichtete Kummer bei (siehe "Nachhaltige Logistik 4.0 in Österreich"). An der WU trifft vor allem das Studium zum Master in Supply-Chain-Management auf Interesse. Die Boku biete zwar kein eigenes Logistik-Studium, das Thema sei thematisch aber in vielen Studienrichtungen drin, so Gronalt: "Wir haben an unserem Institut eine eigene Lehrveranstaltung für Green Logistics, das gibt es schon seit einiger Zeit, und wir haben auch eine eigene Lehrveranstaltung zu intermodalem Verkehr."
In der Praxis scheint das aber noch kein großes Thema zu sein. "Alle großen Organisationen haben ein Handbuch zu Green Logistics." Doch in der Realität klaffen Wunsch und Wahrheit weit auseinander, so Schwammenhöfer: "Die Breite zwischen 'Ich will grün sein' und 'Ich bin bereit, dafür zu zahlen', das spießt sich." Es liege in der Verantwortung des Kunden, denn "der Logistiker bietet das an, was nachgefragt wird. Wenn die CO2-Effizienz der gesamten Lieferkette irgendwann mal verlangt wird, wird sie auch angeboten werden. Aber wenn ich das nicht in Preisen, Umsätzen und Ergebnissen umsetzen kann, wird mich der Konkurrent am Ende des Tages immer ausstechen". Tatsächlich scheint die Wirtschaftlichkeit der Ökologisierung ein ungelöstes Problem zu sein. "Am Ende muss es ein Geschäft sein, sonst ist es nicht nachhaltig. Wenn keiner da ist, der das wirtschaftlich betreiben kann, kann ich mir die Ökologie an die Wand pinseln", so Russ.
Von Stefan Thaler / APA-Science