Crowdfunding auf dem Vormarsch
Die Situation ist so manchem angehenden Jungunternehmer mehr als vertraut: Die Idee ist da, der Wille auch, nur am Geld fehlt es, das Projekt in die Realität umzusetzen. Für die Frühphase gibt es kaum Förderungen und Risikokapital, während Bankkredite wegen immer strengerer Kriterien (Basel III) zunehmend außer Reichweite geraten. Die Antwort auf das Problem könnte in der Schwarmfinanzierung liegen, also in der Kapitalbeschaffung durch eine Masse an interessierten Menschen, die sich auf internetbasierten Plattformen mit kleinen Beträgen direkt an Projekten beteiligen. Die Community ist sich sicher: Dem Crowdfunding gehört die Zukunft.
Internationale Portale wie Kickstarter (USA) oder Sciencestarter (Deutschland) zeigen bereits vor, wie es geht: Projektideen werden online vorgestellt und von den Usern mitfinanziert. Solche und ähnliche Plattformen erleben zurzeit einen ungeheuren Boom. Je nach Art der Plattform gibt es finanzielle oder eher ideelle Anreize mitzumachen.
Entwickelt hat sich die Bewegung aus dem Konzept des Crowdsourcing, ein Begriff, der erstmals 2006 in einem Artikel des Magazins „Wired“ erwähnt wurde. Darin beschrieb Autor Jeff Howe den Effekt, dass eine Masse oder ein "Schwarm" von Menschen Ressourcen oder Wissen gebündelt zur Verfügung stellen.
Mittlerweile werden beim Crowdsourcing verschiedene Unterkategorien unterschieden. Beim Crowdfunding, wie es Sciencestarter und Kickstarter betreiben, steht die Bündelung von kleinen Geldbeträgen im Vordergrund. Die beteiligten Spender begnügen sich meist mit Anerkennung oder kleinen Vergünstigungen. Bei Crowdinvesting bzw. "Equity Crowdfunding" hingegen geht es um reale Beteiligungen mit Risikokapital an Start-ups oder Innovationsprojekten.
"1000x1000" als Pionier
Der bisher einzige Versuch einer Crowdinvesting-Plattform in Österreich ist das im April 2012 gegründete Portal "1000x1000". Deren Gründer, der Innovationsforscher Reinhard Willfort, weiß von einem schwierigen bis ungewissen rechtlichen Umfeld zu berichten. Im Vorfeld galt es etwa, sich vom "Lending-based Crowdfunding" abzugrenzen, das Privatkrediten entspricht und dem Waldviertler Bankenrebell Heini Staudinger massive Probleme mit der Finanzmarktaufsicht (FMA) wegen unerlaubter Bankgeschäfte beschert haben. "Hier ist man bereits voll im Finanzwesengesetz unterwegs", erklärte Willfort gegenüber der APA.
Um solchen Schwierigkeiten vorzubeugen, hat Willfort im Vorfeld mit zwei Rechtsanwälten zusammengearbeitet, um sich "doppelt und dreifach abzusichern". Von der FMA gebe es zwar bis heute keinen "grünen Stempel", aber auch keine Angriffsfläche, "da wir rechtlich korrekt unterwegs sind." Die Voraussetzung: Der Betreiber selbst darf nichts an der Transaktion verdienen. Das dürfen nur die Beteiligten, die alle Konten bei Banken haben. Die Plattform erhält von den Innovatoren eine Vermittlungsgebühr.
Momentan befinde sich ein Projekt über Crowdsourcing auf der Webseite, das bei 8.500 Euro von geplanten 75.000 Euro steht. "Da sind wir jetzt mit Volldruck dahinter, das in die Breite zu bringen und Investoren zu finden", so Willfort. Fünf weitere Projekte seien bereits für das Portal ausgewählt worden.
Das finanzielle Umfeld für Gründungen in Österreich sieht der Experte kritisch. "Österreich hat keine Innovationsförderung, sondern eine Technologieförderung", sagt Willfort über klassische Fördergeber wie die aws (Austria Wirtschaftsservice). Die Regeln für die Vergabe von Startkapital seien zu sehr auf Technologien und zu wenig auf Dienstleistungen ausgerichtet. "In diesen sehr frühen Phasen kommt noch eines dazu: Sie haben auf der anderen Seite eine Person, die in einem Apparat arbeitet. Diese Personen kommen ja nicht zufällig dorthin, das sind nicht die innovativsten - so wird es natürlich schwierig, dass da jemand Risikokapital vergibt", meint Willfort.
Zwischen Glücksspiel und Investment
"Wir sind irgendwo in der Mitte zwischen Glücksspiel und Investment", erklärt Willfort die Ausgangslage für potenzielle Crowdinvestoren. Das Prinzip ist so einfach wie riskant: "Der Investor gibt Geld her, es ist ihm aber bewusst, es kann auch weg sein." Im besten Fall erweist sich das Projekt in der Vermarktung als erfolgreich, dann vermehrt sich auch das eingesetzte Kapital. Lässt man den unsicheren Ausgang beiseite, bleibt der Pluspunkt der Transparenz: "Ich kann mit dem Investor als Gründer direkt kommunizieren. Im Unterschied zu einem Investmentfonds, wo ich über mehrere Mittelsmänner am Ende nicht mehr weiß, mit wem ich es zu tun habe."
Gesetzlich geregelt ist ein solches Investment über das Kapitalmarktgesetz, und dort gibt es mit der so genannten Prospektpflicht eine große Hürde für größere Beteiligungen. "Wenn ich über 100.000 Euro investiere, müsste ich als Anbieter eines solchen Investments ein Prospekt auflegen, das in der Regel über 100 Seiten aufweist und auch an die 100.000 Euro kostet." Um diese Grenze nach oben anzuheben, stehe man derzeit in Gesprächen mit dem Finanzministerium.
White Paper vorgelegt
Auch auf europäischer Ebene sind Diskussionen zur Reglementierung im Gange. Das European Crowdfunding Network, dem auch "1000x1000" angehört, hat dazu ein White Paper erarbeitet, das der EU-Generaldirektion für Binnenmarkt und Dienstleistungen zur Begutachtung vorgelegt wurde. "Da ist auch die Anstrengung dahinter, alles auf ein anderes rechtliches Niveau zu bringen. Weil im Moment gibt es in allen 27 EU-Ländern ein anderes gesetzliches Unterfangen und es gibt überall die gleichen Probleme."
Als ein Vorbild gelte der europäischen Community der im April 2012 erlassene JOBS-Act (Jumpstart Our Business Startups Act) von US-Präsident Barack Obama, der das Investieren in Start-ups spürbar erleichtert. Unter anderem ermöglicht das Gesetz, dass Unternehmen bis zu eine Million Dollar im Jahr von Kleininvestoren einsammeln dürfen, ohne die Anteile für den öffentlichen Handel anmelden zu müssen. "Das würde ich mir auch für Europa wünschen", sagt Willfort.
Drei Erfolgskriterien
Für den Erfolg einer Crowdfunding-Plattform ortet der Innovationsexperte drei wesentliche Punkte, die funktionieren müssten. Erstens sollte die angestrebte Problemlösung durch das Projekt letztlich auch dem Investor nützen. Zweitens sollten die Person, die dahintersteht, und ihre Motive überzeugen. "Wenn die Person authentisch ist und das aus einer Überzeugung heraus macht, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass es funktioniert relativ hoch", so Willfort. Drittens sollte eine Aussicht auf die Vermehrung des investierten Geldes möglich sein, sofern es sich nicht um eine reine Spendenplattform handelt.,
Enormes Wachstum
Der Trend weg vom klassischen Bankkredit hin zur Schwarmfinanzierung scheint unaufhaltsam. So hat das US-Wirtschaftsmagazin Forbes von Schätzungen berichtet, wonach das weltweite Marktvolumen durch sämtliche Arten des Crowdfunding auf bis zu 500 Mrd. Dollar (380 Mrd. Euro) pro Jahr anwachsen könnte. Zum Vergleich: 2011 waren es ca. 1,5 Mrd. Dollar.
"Heuer ist die Prognose mit knapp 500 Plattformen, dass wir weltweit bei 2,8 Mrd. Dollar liegen werden. Die Anzahl der Plattformen wächst im Moment überproportional, fast täglich kommt eine neue dazu", erklärt der Experte unter dem Hinweis darauf, dass bereits ein gewisser Bereinigungsprozess zu bemerken sei, der dieses enorme Wachstum an Portalen natürlich wieder einbremsen werde. Die Zukunft gehört jedenfalls dem Crowdfunding, ist Willfort überzeugt: "Ich glaube, dass Crowdfunding eine Art Game Changer werden wird, da wird noch einiges passieren."
Von Mario Wasserfaller/APA-Science