Business Angel sieht IT als kritischen Standortfaktor
Der Austrian Start-up Report 2012 bescheinigt Österreich ein gutes Abschneiden der Gründerszene und identifiziert die Informationstechnologie als einen der dafür verantwortlichen Erfolgsfaktoren. Die Verbreitung des Internets und damit einhergehende neue Geschäftsmodelle haben einen vergleichsweise leichten wirtschaftlichen Einstieg in dieses Segment erlaubt. Markus Wagner, Gründer des österreichischen Inkubators i5invest, erläutert im Gespräch mit APA-Science die Besonderheiten von IT-Start-ups und seine Sicht auf die heimische Finanzierungssituation.
"Das große Thema im IT-Bereich ist, dass es alle Branchen tangiert", schildert Wagner. Der IT-Sektor stelle zwar eine eigene Branche dar, durchdringe aber gleichzeitig viele andere. Somit werde eine Zuordnung bei manchen Unternehmen schwierig: "Ist ein Online-Schuhhändler jetzt ein IT-Start-up oder ist das ein Einzelhandelsunternehmen? Ist ein Koch-Abo ein E-Commerce-Unternehmen oder ist das ein Supermarkt mit Zustellung?" Diese Verflechtung mache auch die Bedeutung dieses Sektors als Standortfaktor klar. Ein Nachhinken in diesem Bereich betrachtet Wagner daher als markanten Wettbewerbsnachteil auch für viele andere Industriezweige in einem Land: "Man kann es sich als Standort nicht leisten, keine vernünftige IT-Szene zu haben. Es gibt ein mehr als plausibles Bedrohungsszenario wenn man da nachhängt."
Schnell international
Der vergleichsweise geringe Kapitaleinsatz im IT-Sektor hat zwei Seiten. Auf der einen Seite ist die Einstiegsschwelle niedriger als bei anderen Branchen. Auf der anderen Seite ist es schwieriger, potenziellen Investoren zusätzliche Sicherheiten zu bieten. "Man kann unter Garantie sagen, dass man keinen Bankkredit bekommen wird. Man hat ja auch keine Sicherheiten, man hat kein Anlagevermögen. Diese Finanzierungslücke in High-Tech- und F&E-starken Segmenten ist über die alteingesessenen Finanzierungsinstrumente einfach unmöglich zu überbrücken." Gründer, die ein reines Online-Konzept verfolgen, müssten sich auf jeden Fall dessen bewusst sein, dass "sie sich auf einem globalen Markt behaupten müssen. Entsprechend muss das Team auch internationaler funktionieren. Der Mitbewerb ist international von der ersten Minute an."
Förderungen und Finanzierungslücken
In punkto Förderungen rät Wagner dazu, die vorhandenen Mittel nicht auf viele Projekte zu verteilen, sondern die Anzahl zugunsten der Förderhöhe zu reduzieren. "Auf 20.000 Gründungen aufgeteilt helfen zehn Millionen auch nichts", fasst er zusammen. "Es ergibt keinen Sinn, einem Unternehmen, das es nie schaffen wird, Geld nachzuwerfen, um die Ablebenszeit zu verzögern, sondern man muss Unternehmen zusammenbekommen, die es von alleine dann weiterschaffen. Man kann nur anschubsen mit diesem Instrument."
Die Frage, ob es in Österreich genügend Finanzierungsmöglichkeiten gibt, beantwortet Wagner eindeutig: "Nein, es gibt nicht genug Finanzierung. Es gibt viel zu wenig Kapital." Deshalb spricht er sich für eine Erhöhung der Fördertöpfe in Österreich aus: "Vom Volumen her muss es natürlich mehr sein. Von der Vergabemethodik ist es gut, meine ich." "Pluspunkte" könnte ein Start-up bei den Vergabekriterien bekommen, indem es beispielsweise Talente aus Nachbarländern nach Österreich holt oder bereits Business Angels für sich gewinnen konnte. "Wenn ich da mitmache haben wir gemeinsam bessere Chancen auf eine Förderung. Zweitens hat es dann schon ein Fachexperte angeschaut, der sich sogar dafür entschieden hat, seine Zeit und sein eigenes Geld da hineinzugeben."
Business Angel
Weiters würde Wagner ein breiteres Verständnis des Begriffs "Business Angel" für förderlich halten. "Ich meine, es gibt sehr viele Leute, die sich gar nicht mit dem Begriff identifizieren würden. Auch der ehemalige Nahverkehrssystemleiter von Siemens kann einem kleinen Ampel-Telematik-Logistik-Anbieter sicher irgendwo helfen. Der würde sich aber nicht als Business Angel sehen." Den Kontakt zu Business Angels oder einem Inkubator aufzubauen, hält Wagner für sinnvoll, sofern die betreffenden Personen und Institutionen den Fokus auf dem gleichen Wirtschaftsbereich haben. Hilfreich können hier Plattformen im Internet sein, wie beispielsweise "i2 - Die Börse für Business Angels" der aws oder "EBAN – The European Trade Association for Business Angels".
"Es ist eine gute Option für jemanden, der selbstständig sein will, mitzugründen", meint Wagner abschließend. Auf diesem Weg könne man sich in der Praxis viele Fertigkeiten und Kenntnisse aneignen und das eigene finanzielle Risiko gering halten. Wichtig sei, "dieses Selbstständig sein zu lernen, aber nicht auf der Universität, weil da funktioniert es nicht, sondern im Rahmen einer Unternehmerumgebung."
Von Thomas Altmutter/APA-Science