Geht man in Europa pleite, dann "war's das"
Immer wieder ertönt der Ruf danach, mehr Innovationen aus dem universitären Umfeld auf den Markt zu bringen. Eines der Vorreiterländer in der Entwicklung akademischer Spin-offs sind die USA. Der österreichische Computerwissenschafter Franz Franchetti ist Forschungsprofessor an der Carnegie Mellon University (CMU) in Pittsburgh und Mitbegründer der Firma SpiralGen, mit der die Wissenschafter ihre Erkenntnisse Unternehmen zur Verfügung stellen. Ein Scheitern sei bei der Gründung von Start-ups durchaus wahrscheinlich. In den USA wisse man das, in Europa bestehe hingegen die Gefahr, dadurch alles zu verlieren. Genau an diesem Punkt habe man als Gründer aber meist sehr viel gelernt und es sollte möglich sein, von Neuem zu beginnen.
Den Kern von Franchettis Forschung bildet ein "System das automatisch Software für sehr verschiedene Computerplattformen optimiert", wie er im Gespräch mit der APA erklärte. Chip-Hersteller erzeugen alle paar Monate neue Plattformen, "es gibt mathematische Kernfunktionalitäten, die überall verwendet werden und die muss man auf jeder Prozessorplattform optimieren - das ist sehr viel Arbeit." Bisher sei es nicht gelungen, vollautomatisch das aus den Chips zu holen, was möglich wäre. SpiralGen biete ein System an, dass das weitgehend schafft, so der Forscher.
In der Informatik-Legoburg
Man verfolge "einen ziemlich komplizierten Ansatz, der aus Mathematik, Computerwissenschaften, Computerarchitektur, symbolischer Manipulierung, usw. verschiedenste Ideen vereint". Große voneinander unabhängige Datenbanken, in denen das gesammelte spezifische Wissen über Computerarchitektur, Algorithmen und Mapping gespeichert ist, sind die Schlüssel dazu. Franchetti: "Wenn ein neuer Prozessor rauskommt muss man nur die Prozessordatenbank updaten, aber nicht die anderen. Das ist dann quasi, wie wenn du dem Computer eine Kiste Lego gibst und sagst 'bau mir etwas'. Der Computer findet dann konzeptionell die richtigen Teile und baut dann die Legoburg für dich."
Weitverzweigtes Projekt wird zur Firma
Das Forschungsprojekt, auf dem das System fußt, begann bereits im Jahr 1998. Bereits als Doktorand an der TU Wien 2001 knüpfte der Forscher erste Kontakte in die USA. 2004 ging er dann mit einem Schrödinger-Stipendium für zwei Jahre nach Pittsburgh an die CMU. Seine Arbeit als Post-Doc lief erfolgreich. "Es hat sich herausgestellt, dass es genau passt und wie das Projekt zu Ende war, hat man mir ein Angebot als Assisting-Scientist gemacht. Wir haben damals schon gedacht, dass man mit der Technologie möglicherweise einmal eine Firma gründen könnte." Der Österreicher ist am Beginn der zweiten Projektphase eingestiegen, "mittlerweile haben wir aufgehört, zu zählen, in welcher Phase wir sind - es hat sich alles schön verästelt".
Konkret in Richtung Unternehmensgründung ging es ab dem Zeitpunkt, als man mehr und mehr finanzielle Unterstützung aus der Industrie bekam und als diese Geldgeber "mehr und mehr Dinge wollten, die man eigentlich nicht mit Doktoranden machen kann, weil Doktoranden Forschung machen müssen und nicht Industriecodes". 2009 erfolgte dann die Gründung, es gibt SpiralGen also nun seit drei Jahren, "was für ein Spin-off schon recht gut ist", so Franchetti. Das Geld dafür kam komplett aus Förderungen und von Kunden.
Fokus auf Transfer auf den Markt
Die CMU erlaubt den Beteiligten einen Tag in der Woche in die Arbeit für die Firma zu investieren. Man könne also flexibel zwischen der unternehmerischen Tätigkeit und der Forschung hin und her zu springen. Die Universität wolle ganz dezidiert, dass dort entwickelte Technologie in Firmen transferiert wird und dafür bekomme man "alle möglichen Hilfen von der Stadt, der Universität und dem Staat".
"Ich weiß, dass man so etwas in Österreich auch versucht, aber ich glaube das Mindset ist da einfach auf allen Ebenen anders. Insofern ist es, glaube ich, schwierig das in Österreich wirklich zu tun", erklärte Franchetti. Das Grundproblem sei, dass klar sein müsse, "dass es okay ist, wenn es daneben geht. Ein Start-up überlebt höchstens mit einer Chance von eins zu zehn. Normalerweise sterben die ersten drei, die du startest und beim vierten weißt du dann, wie es geht."
Kultur des Scheiterns noch in den Kinderschuhen
Das ist logischerweise nur dann möglich, wenn einen das Scheitern nicht persönlich ruiniert und auch nicht nachgetragen wird. Gehe man in Europa und in Österreich pleite, dann "war's das". Genau am dem Punkt habe man als Unternehmer aber viel gelernt - eine gute Voraussetzung etwas Neues zu beginnen. Franchetti: "Kann ich in Österreich eine Million Dollar in den Sand setzen und dann wohin gehen und sagen 'ich will wieder eine Million'? - eher nein."
Transparente Karrierewege machen USA attraktiv
Der Wissenschafter könne sich zwar vorstellen zurückzukehren, jedoch "nur am höchsten Level. Ich habe in Österreich gesehen, wie das System funktioniert und keine Lust mich da hochzudienen". Im Gegensatz zu Österreich seien die universitären Karrierewege in den USA "komplett transparent". Die Rekrutierung der Leute sei "das Top-Ding, sei es bei PhD-Studenten oder Professoren". Man betreibe einen enormen Aufwand in dem Bereich. "Wenn du angestellt wirst, geht das Department davon aus, dass du Full-Professor wirst. Von Tag eins an bist du dein eigener Chef, mit deinen eigenen Studenten und deinem eigenen Geld." Auch als Post-Doc werde man als Experte gehört und ernst genommen. Die Lehre und Studenten habe ein höheren Stellenwert.
Finanzieren muss der Computerwissenschafter sich und seine momentan fünf PhD-Studenten durch Drittmittel, dafür hat er keine Lehrverpflichtung. Die Situation sei "nicht einfach", doch die etwa eine Million Dollar an Mitteln jährlich konnte der Forscher bisher immer auftreiben. Man müsse sich breit aufstellen, um das Risiko zu streuen, also gleichzeitig an Projekten zu arbeiten, die tief in der Grundlagenforschung verhaftet sind, und an Dingen, die sehr nahe an der Kommerzialisierung seien.
Von Nikolaus Täuber/APA-Science