Vom fachgerechten Anschneiden des Förderkuchens
"Horizon 2020" ist mit der ersten Ausschreibungsrunde bereits auf Schiene. Insgesamt warten in Brüssel rund 80 Mrd. Euro auf ambitionierte Forschungsprojekte. Wer ein Stück von diesem Förderkuchen haben will, sollte gut vernetzt sein, auf Spezialthemen setzen und bei der Antragstellung "Anfängerfehler" vermeiden - so lauten zumindest einige Ratschläge von Experten, die APA-Science befragt hat.
Ein zentrales Problem bei europäischen Forschungsprogrammen ist die niedrige Bewilligungsquote der eingereichten Projekte. Von mehr als 134.000 evaluierten Projektvorschlägen wurden im FP7 durchschnittlich nur 16,7 Prozent bewilligt. Die Tendenz geht "dramatisch" weiter nach unten, befürchtet Walter Schneider vom Rat für Forschung und Technologieentwicklung (RFT) im Gespräch mit APA-Science.
"Man muss sich vor Augen halten, dass bei den meisten kooperativen Programmen von zehn Anträgen nur einer bewilligt wird. Im Vorfeld wird aber ein gewaltiger Aufwand getrieben, exzellente und hochwertige Anträge zu schreiben, die meines Erachtens allesamt sehr gut sind", so Schneider. Durch die sinkenden Erfolgschancen würde es langsam unattraktiv, Anträge einzureichen.
Dazu komme, dass die jungen Mitgliedsstaaten der EU trotz einiger Defizite im Wissenschaftssystem im Bereich der Antragstellung deutlich aufholen würden und auch dadurch der Mitbewerb für Österreich in Zukunft "deutlich heftiger" ausfallen werde. Allgemein sei die für einen Antrag erforderliche Qualität schon sehr hoch, somit hätten nur Profis eine reelle Chance, Newcomer oder KMU hätten es dagegen zusehends sehr schwer, noch dazu ohne "Track Record".
"Vernetzen, Präsenz zeigen"
Heimische Förderwerber sollten vor allem auf zwei maßgebliche Dinge achten: "Aktives Vernetzen, Präsenz zeigen. Die EU-Programme funktionieren in erster Linie ganz gut auf Netzwerk-Ebene - man muss Pakte suchen." Außerdem sollte man sich spezialisieren und nach Möglichkeit Schwerpunktbereiche auswählen, "die noch nicht von allen in Europa besetzt sind", rät Schneider.
Horizon 2020 legt im Gegensatz zum Vorgängerprogramm ein starkes Augenmerk auf die Anwendungsorientierung und potenzielle Markttauglichkeit von Forschungsprojekten. "Grundlagenforschung ist in den normalen kooperativen Programmen nicht mehr gefragt, dafür hat man mit dem ERC eine Ebene geschaffen, die das kompensieren soll", so der Experte. Allerdings sei die Frage, wie der Übergang aus der Grundlagenforschung in die Anwendung und in Produkte erfolgen soll, noch offen: "Das ist ein Thema, das auf europäischer Ebene, aber in erster Linie einmal institutionell gelöst werden muss."
Anfängerfehler vermeiden
Wer schon einmal einen Förderantrag für ein Forschungsprojekt geschrieben hat, kann oft ein Lied davon singen, wie langwierig und kompliziert dieses Prozedere sein kann. Als Evaluator, strategischer Berater und oftmaliger Antragsteller weiß Georg Melzer, Partner beim Wiener Technologieberatungs-Unternehmen Eutema, nur zu gut, welche Fehler es zu vermeiden gilt.
"Die Liste der Anfängerfehler ist lang", so Melzer gegenüber APA-Science. An erster Stelle der Tipps für alle, die einen erfolgreichen Förderantrag für ein Forschungsprojekt einreichen wollen, stehe aber: "Lies die Vorgaben und halte dich daran." Die schwachen Bewilligungsquoten im FP7 sieht Melzer zum Teil in oft haarsträubenden Themenverfehlungen bei den Anträgen begründet. "Man kann sagen, dass ein Drittel der Antragsteller das Thema verfehlt - und zwar gravierend. Stellen Sie sich eine Ausschreibung für einen Büroturm vor und jemand reicht ein Schwimmbad ein", so Melzer zur Veranschaulichung. Viele Klienten hat er wegen ähnlich gelagerter Anträge mit den Worten "Damit habt ihr keine Chance" nach eigener Aussage auch wieder weggeschickt.
Denn auf der anderen Seite der Antragstellung hat man es mit unabhängigen Experten in Brüssel zu tun: "Man wird dort nicht beeinflusst, das kann ich nicht oft genug hervorheben", betont Melzer, der ebenso wie Eutema-Geschäftsführer Erich Prem schon oft als Evaluator nach Brüssel eingeladen worden sei. Bei der endgültigen Beurteilung der Anträge müssten sich die Experten ausgehend von ihren individuell vergebenen Punkten auf eine gemeinsame Punktezahl einigen. "Das ist nicht einfach, aber ein Riesenvorteil im Rahmenprogramm", so Melzer.
Problemlösung und Flaggschiffe
Insgesamt gesehen sei Horizon 2020 aber "definitiv ein Schritt in die richtige Richtung", so der Experte, der hier vor allem den problemlösungsorientierten Ausschreibungsansatz hervorhebt, was es für Industriepartner leichter machen sollte in Forschungsprojekte zu investieren. Auch die Entscheidung der EU, auf die großen Flaggschiff-Projekte in der Forschung zu setzen, hält Melzer für gut und richtig.
Im Rahmen des groß angelegten Förderprogramms "Future and Emerging Technologies Flagship" (FET-Flaggschiff) sollen im Lauf der nächsten zehn Jahre jeweils etwa eine Milliarde Euro in das "Human Brain Project" und das "Graphene"-Projekt fließen. An der Entwicklung des Programms war Eutema nicht ganz unbeteiligt. Das Unternehmen erarbeitete eine Studie darüber, wie und warum große Forschungsprojekte wie das Human-Genom-Projekt oder die Mondlandung funktioniert haben. Die daraus resultierenden Empfehlungen wurden der EU vorgelegt, die dann in Form des Flaggschiff-Programms umgesetzt wurden.
Klienten ernten die Lorbeeren
Trotz dieses Erfolgs auf europäischer Ebene stehe man als Technologieberater immer im Hintergrund: "Wenn ein Klient zu mir kommt und ich betreue ihn, dann existiere ich nicht. Das ist Teil unserer Confidentiality-Vereinbarung. Der Klient soll die Lorbeeren ernten."
Eine Ausnahme macht Melzer von dieser Regel, nämlich bei dem von ihm geschriebenen Projekt "PROteINSECT", an dem ein ganzes Konsortium von internationalen Partnern beteiligt ist. Im Kern sollen dabei auf Abfällen gezüchtete Insektenmaden künftig als Futtermittel in der Landwirtschaft dienen und langfristig das auf brandgerodeten Anbauflächen gewonnene südamerikanische Soja ersetzen, das die EU nach wie vor in großen Mengen importiere. Mit der maximalen Punktezahl von 15 sei „PROteINSECT" das beste Projekt des Jahres im Biotech-Bereich gewesen. Von dieser nicht nur fachlichen sondern auch bürokratischen Expertise könnten wiederum potenzielle Antragsteller profitieren, die keine oder wenige Erfahrungen mit großen Förderprogrammen hätten: "Damit gehe ich hausieren."
Einheitliche Förderquote
Als hilfreich bei der Abwicklung von Forschungsprojekten im Rahmen von "Horizon 2020" soll sich die neu eingeführte einheitliche Förderquote von 100 Prozent für „Forschungs- und Innovationsmaßnahmen“ der gesamten erstattungsfähigen Projektkosten (direkte und indirekte Kosten) erweisen. Bei marktnahen Forschungsvorhaben ist in der Regel eine Förderquote von bis zu 70 Prozent geplant. Die indirekten Kosten sollen für alle Einrichtungen pauschal mit 25 Prozent der direkten Kosten erstattet werden.
Eine wesentliche Erleichterung erwartet man sich auch vom weitgehenden Wegfall von Zeiterfassungssystemen. Personal, das zu 100 Prozent im Projekt angestellt ist, muss künftig keine "Timesheets" mehr ausstellen. "Das ist ein Riesending für die Forscher", erklärte dazu Peter Fisch, Leiter der Abteilung Evaluierung in der Generaldirektion Forschung und Innovation der EU-Kommission, gegenüber APA-Science.
"Mich persönlich hat immer schon gestört, dass die Diskussion über das nächste Rahmenprogramm getragen wurde über die ganze Frage von Bürokratie, Vereinfachung usw. Es geht ja um etwas viel Fundamentaleres, man müsste über die Inhalte diskutieren und weniger über die bürokratischen Hürden", so Fisch. Der deutsche Spitzenbeamte sieht in "Horizon 2020" eine "Riesenchance für Österreich, weil es mitten in Europa liegt, zweitens eine sehr gute Forschungsinfrastruktur hat und eine gute Vernetzung zwischen der akademische Welt und der Wirtschaft aufweist, gerade auch mit kleineren Unternehmen. Und wenn man sich die Programmlinien von Horizon ansieht, dann passt es eigentlich auf wenige Länder so toll wie auf Österreich".
Von Mario Wasserfaller / APA-Science