"Schmähpreis vom Brettverleih?"
Sie kennen diese Erfahrung sicherlich auch: Interessiert versinken Sie in einen Artikel, den Sie vor allem wegen des vielversprechenden Titels lesen. Doch je weiter sich die Geschichte zu etwas immer Spektakulärerem entwickelt, desto mehr entzaubert sie sich, sodass der anfänglich gefesselte Gesichtsausdruck schließlich einem ungläubigen "das kann jetzt aber nicht so ganz stimmen?!" weichen muss.
Diese emotionale Talfahrt widerfuhr mir vor drei Jahren. Im renommierten Blog von Scientific American[1] stolperte ich über die Schlagzeile: "Krebs auf der linken Körperseite: sind Bett und Fernseher schuld?" Die darin beschriebene Studie vermanschte Äpfel mit Birnen, um Metallfedern in Betten als Verstärker von einer gewissen Fernsehstrahlung auszumachen, die dann für Krebswachstum verantwortlich sein soll. Dieser Versuch einer Erklärung erschien mir zu konstruiert um wahr zu sein - wahrscheinlich steckt die Matratzenindustrie mit der Handyindustrie unter einer Decke.
Da kuriose Artikel oft nur mehr von noch kurioseren Kommentaren übertroffen werden, setzte ich die Lektüre fort - und war überrascht. Bereits einer der ersten Leser entmystifizierte den Aufmacher und enttarnte den Autor: Dieser war von den schwedischen Skeptikern bereits wegen seines zweifelhaften Wirkens zum "Misleader of the Year" gewählt worden.
Irreführer des Jahres - das prägt. Das ist mal eine Ansage. Preise dieser Art gibt es im deutschsprachigen Raum bereits einige: den "Goldenen Windbeutel" für Werbeübertreibungen, den "Big Brother Award" für Überwachungsphantasien und mittlerweile den "Guten Willen" für Tiefpunkte des TV-Geschehens. Als Konsument von Gesundheitssendungen und Populärwissenschafts-Zeitschriften dagegen vermisste man eine derartige Auszeichnung schmerzlich: einen Preis für die dreisteste Behauptung gab es hier nicht!
Doch wo braucht es so eine “Auszeichnung” mehr, als in einem Gebiet, dem wir unsere Gesundheit anvertrauen? Oder nicht weniger wichtig: das hohe Gut unserer Bildung? Kritisches Hinterfragen, wenn wundersame Behauptungen aufgestellt werden, Beweise einfordern, wo mit der Gutgläubigkeit von uns allen gespielt wird. Was innerhalb der Wissenschaften gang und gäbe ist, erreicht eine breitere Öffentlichkeit kaum oder meist nur bis zur Unkenntlichkeit entstellt. Darüber hinaus darf nicht vergessen werden, welch guten Nährboden Österreich für kreative Geschäftsmodelle mit zweifelhaften Wirkbehauptungen darstellt [2].
Die Idee eines Pseudowissenschaftspreises war geboren. Im Kreis der in Wien ansässigen Skeptiker-Gruppe "Gesellschaft für kritisches Denken", bestehend aus Wissenschaftlern und Laien, die sich mit Pseudowissenschaft, Parawissenschaft und Esoterik kritisch auseinandersetzen, wurde am Negativ-Award des "Goldenen Brettes" gefeilt. Preisträger sollten alljährlich jene sein, die besonders stolz das sprichwörtliche Brett vor dem Kopf tragen. Die auf ihren unsinnigen und zum Teil gefährlichen Behauptungen beharren, obwohl sie jeglicher Vernunft und allen naturwissenschaftlichen Erkenntnissen widersprechen - von eher harmlosem Unfug wie der Astrologie bis hin zu gesundheitsgefährdenden Heilverfahren der Alternativmedizin, ob aus naiver Selbstüberschätzung und -täuschung oder bewusster skrupelloser Ausbeutung der Hoffnungen und Ängste von Menschen in einer schwierigen Lebenssituation.
Also vergeben wir einen medienwirksamen Preis für etwas, das wir kritisieren. Warum das trotzdem nicht kontraproduktiv ist:
Die Hauptaufgabe der Pseudowissenschaft liegt im Tarnverhalten. Die Königsdisziplin ist es, den Camouflage-Mantel aus technisch klingenden Begriffen und Wirkhypothesen so eng zu weben, dass das Gerüst, das wissenschaftlichen Kriterien nicht standhält, verdeckt wird. Oftmals besteht der Aufklärungsmissstand bereits in der Bevölkerung und verbreitet sich vor allem über Mundpropaganda [3]. Also über ein Medium, das auf Vertrauen (zu Bekannten) oder Autorität (zum Apotheker) beruht und nicht an sachliche Überzeugungsarbeit gebunden ist. Genau dort wollen wir mit dem Preis ansetzen: Das Wesen einer guten Auszeichnung besteht ebenfalls aus Vertrauen und Verlässlichkeit. Das Vertrauen erarbeitet sich das „Goldene Brett“ über das transparente Vorgehen in der Nominierungsphase. In den letzten vier Wochen vor der Verleihung können Personen oder Organisationen mit einem Begründungstext nominiert werden. Auch der Kriterienkatalog, nach welchem dann die Fachjury aus Experten für Para- und Pseudowissenschaften die Gewinner kürt, ist öffentlich.
Namensgebend spielt die Kritikresistenz des Nominierten eine Rolle, ebenso wie der Grad der Abwegigkeit. Um die Dreistheit zu beurteilen, werden das kommerzielle Interesse und die potenzielle Gefährlichkeit hinzugezogen.
Geschafft und persönlich entgegengenommen hat das 2011 P.A. Straubinger mit seiner Pseudodokumentation "Am Anfang war das Licht" und 2012 Harald Walach für seine unermüdlichen Versuche, Pseudowissenschaften auf Universitäten zu installieren. Für außerordentliches Wirken im Dienste der Gegenaufklärung, wird seit jenem Jahr auch der Preis für das Lebenswerk vergeben, der erstmals 2012 an Erich von Däniken, Bestsellerautor von parawissenschaftlichem Gedankengut, verliehen wurde.
Auch in diesem Jahr werden Bretter vor Köpfen vergoldet! Heiße Kandidaten, wie Braco mit dem Wunderblick, scharren bereits in den Startlöchern [4] und auch seine Konkurrenz hält die Augen offen.
1 http://blogs.scientificamerican.com/guest-blog/2010/07/02/left-sided-cancer-blame-your-bed-and-tv/
2 http://blog.gwup.net/2008/07/06/grander-wasser-ehrenkreuz-fur-esoterischen-unfug/
3 http://hennrich-pr.at/wp-content/uploads/2012/04/120413_gfk_praesentation.pdf
4 http://derstandard.at/1358305574060/Braco-und-sein-gebender-Blick