"Kommunikation in der Quantenwelt: Bausteine für ein Quanteninternet"
Das Quanteninternet: erst 1999 hat der Journalist Peter Weiss den Begriff für ein breites Publikum erklärt. Er zitierte den Physiker Jeff Kimble vom California Institute of Technology, der neue, "heldenhafte" Anwendungen für ein auf Quantenmechanik basiertes Netzwerk voraussah, unter anderem die sichere Verschlüsselung von Nachrichten und das verteilte Rechnen auf Quantenbasis. Ein prominentes Beispiel für die ersten Experimente in diese Richtung war die damals brandneue Teleportation, durchgeführt durch die Forschungsgruppe um den österreichischen Physiker Anton Zeilinger.
Ein Jahrzehnt später gab es schon kommerziell verfügbare Systeme für den Quantenschlüsselaustausch sowie neue Quantenhardware, zum Beispiel Diamantfehlstellen und mittels elektromagnetischer Wechselfeldern gefangene Ionen. Zwei Jahrzehnte später spricht man von einem Satelliten, der Quantennachrichten zwischen Wien und Peking übermittelt, und von einer 2.000 km langen Datenübertragungsleitung in China für Quantenkommunikation. Auch auf der theoretischen Seite gibt es spannende Fortschritte, zum Beispiel neue Protokolle für Quanten-Cloudcomputing und GPS-Synchronisierung.
Das Quanteninternet liegt aber noch immer in der Zukunft. Welche Bausteine und Schnittstellen fehlen noch, und was sind die wichtigsten Herausforderungen?
Grundlegend für alle Quantentechnologien einschließlich der Quantenkommunikation sind Quantenbits, die nicht wie klassische Bits nur einen Wert von null oder eins haben, sondern gleichzeitig auch als Überlagerung von beiden Werten existieren können. Darüber hinaus können diese Quantenbits miteinander verschränkt sein, auch wenn sie weit voneinander entfernt sind. Solche verschränkten Zustände sind besonders wesentliche Bestandteile von Quantennetzwerken. Sind zwei verschränkte Quantenbits auf zwei weit entfernte Netzwerkknoten verteilt, funktionieren sie als eine Ressource für die Teleportation von Information zwischen den Knoten.
Das Problem liegt darin, dass Quantenbits entweder "fliegend" oder "stationär" sind. Das heißt, man spricht entweder von lichtbasierten Quantenbits, zum Beispiel einzelnen Lichtquanten (Photonen), die mit Lichtgeschwindigkeit herumfliegen, oder von materiebasierten Quantenbits, zum Beispiel Ionen oder supraleitende Schaltkreisen, die als Quantenspeicher geeignet sind. Wie aber können fliegende Quantenbits an einem Netzwerkknoten festgehalten werden? Und wie können stationäre Quantenbits über langen Distanzen verteilt werden?
In meiner Forschungsgruppe, wie auch in mehreren anderen Gruppen weltweit, wird erforscht, wie sogenannte Quantenschnittstellen zwischen fliegenden und stationären Quantenbits erzeugt werden können, um die Übertragung von Quanteninformation zwischen Licht und Materie zu ermöglichen. Weil Quantenbits sehr störungsempfindlich sind, wollen wir verstehen wie robust diese Informationsübertragung ist. Bleibt die Verschränkung während und nach der Übertragung erhalten? Und noch eine wichtige Frage: Wie schnell können Quantenzustände in einem Netzwerk verteilt werden? Wie wir alle als Internetsurfer wissen, könnten Datenübertragungsraten für künftige Anwendungen entscheidend sein.
Als Begriff umfasst "Internet" mehrere Eigenschaften; für die eine ist es ein Mittel, Katzenvideos anzuschauen, für die andere ist es die Möglichkeit, hochkomplexe Datenauswertungen über ein Rechnerverbund durchzuführen. Das Quanteninternet wird ebenso vielfältig sein. Vor kurzem haben Forscher an der TU Delft ein Fahrplan für das Quanteninternet verfasst, in dem sie mehrere Stufen auf dem Weg zum Quanteninternet definieren. Quantenschlüsselaustausch über kurze Distanzen oder mit zuverlässigen Zwischenknoten ist schon eine bewährte Technik, da nur eine Quelle von fliegenden Quantenbits gebraucht wird. Für wirklich sichere Kommunikation, die auch funktioniert wenn die Netzwerkknoten nicht zuverlässig sind, werden jedoch die vorher erwähnten Schnittstellen benötigt. Für noch komplexer Anwendungen wie Cloudcomputing braucht man nicht nur Schnittstellen sondern auf manchen Netzwerkknoten zusätzlich voll entwickelte Quantencomputer. Mit diesen lassen sich Probleme angehen, die mit heutigen klassischen Methoden unlösbar sind.
Die österreichische Forschung hat in den letzten Jahrzehnten einen wesentlichen Beitrag zum Thema Quanteninternet geleistet. Zum Beispiel bauen wir mit der derzeitigen Entwicklung einer Schnittstelle zwischen Ionen und Photonen auf den bahnbrechenden Vorschlägen zur Implementierung von Quantennetzwerken von Peter Zoller, Hans Briegel, und Wolfgang Dür, sowie auf Rainer Blatts Pionierarbeit mit gefangenen Ionen auf. Ende Oktober fand in Wien der Auftakt des Quantenflaggschiff-Programms statt. Es handelt sich dabei um ein neues, von der EU gefördertes, Forschungsprogramm, das die Entwicklung von Quantentechnologien über das nächste Jahrzehnt mit einer Milliarde Euro unterstützt. Wir blicken zuversichtlich auf eine neue Ära der Quantenforschung, in der wir weiter daran arbeiten werden, die faszinierenden Versprechen des Quanteninternets zu verwirklichen.