Sicher kommunizieren mit Quanten
Quantentechnologien sind auf dem besten Weg, die Schwelle vom Labor in den Alltag zu überschreiten. Während aber der kommerzielle Einsatz des Quantencomputers noch in weiter Ferne liegt, scheinen markttaugliche Anwendungen der Quantenkommunikation schon viel greifbarer. Im Rahmen des Quanten-Flaggschiffprogramms der EU wurden für die erste Phase vier Projekte aus diesem Bereich genehmigt, eines davon wird von Österreich aus koordiniert.
In jüngerer Vergangenheit hat es so manches spektakuläre Quantenexperiment gegeben, aber kaum eines hat so viel Aufsehen erregt wie ein Videotelefonat des Präsidenten der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), Anton Zeilinger, mit seinem chinesischen Amtskollegen Chunli Bai im September 2017. Das Gespräch wurde mit Quantenmethoden verschlüsselt und war dadurch laut Zeilinger "eine Million Mal sicherer gegen Abhören als alles was sonst derzeit möglich ist".
Die Wissenschafter machten sich dabei quantenphysikalische Phänomene zunutze, um mit einzelnen Photonen, die am Satelliten erzeugt und zur Erde geschickt werden, kryptografische Schlüssel zu erzeugen. Dabei wird die Schwingungsrichtung (Polarisation) des Lichts ständig zufällig geändert und ebenso zufällig die Messung auf der Erde - im konkreten Fall in Bodenstationen in China und Österreich. "Die Quantenkryptografie hat damit endgültig globale Distanzen erreicht", sagte Rupert Ursin vom Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der ÖAW (siehe Gastkommentar).
Vier Kommunikations-Projekte
Beispiele wie diese zeigen die im Vergleich zum Quantencomputer (siehe "Die großartigste von Menschen gebaute Maschine" bzw. Gastkommentar von Johannes Fink) schon hohe technologische Reife, die in den vier Projekten des EU-Flaggschiffprogramms aus der Technologiesäule Quantenkommunikation nun noch konkretere Formen annehmen soll.
Im Projekt CiViQ (Continuous Variable Quantum Communications) sollen unter Leitung des spanischen ICFO (Institute of Photonic Sciences) flexible Quantenschlüsselverteilungs (QKD)-Technologien (Quantenkryptografie) entwickelt werden, die eine kostengünstige Integration in bestehende Infrastrukturen ermöglichen. Unter den 21 Projektpartnern befindet sich auch das Austrian Institute of Technology (AIT), das spezielle Hardware, Software und Protokolle für QKD-Systeme entwickelt, die auf Messungen mit Fotodioden basieren (sogenannte kohärente Detektion).
Die Quantum Internet Alliance arbeitet unter der Führung der Technischen Universität Delft an den essenziellen Subsystemen für ein künftiges Quanteninternet, aus Österreich sind daran das IQOQI und die Universität Innsbruck beteiligt (siehe "Die großartigste von Menschen gebaute Maschine" und Gastkommentar von Tracy Northup). Im Projekt QRANGE (Leitung: Universität Genf) ist man wiederum mit der raschen Entwicklung von Quanten-Zufallszahlengeneratoren beschäftigt.
UNIQORN unter österreichischer Leitung
In dem insgesamt 17 Partner umfassenden Konsortium "UNIQORN - Affordable Quantum Communication for Everyone" schließlich will man Schlüsselkomponenten für die Quantenkommunikationssysteme der Zukunft entwickeln. Ziel des vom AIT koordinierten Projekts ist es vor allem, komplexe, quantenoptische Systeme, die derzeit Aufbauten im Metermaßstab benötigen, auf millimetergroßen Chips unterzubringen.
Die Herausforderungen, denen man sich dabei gegenübersieht, erinnern an die Frühzeit des klassischen Computerzeitalters. "Wir versuchen einen ähnlichen Weg zu beschreiten wie es die Elektronik in den 1940er- oder 1950er-Jahren gemacht hat. Damals hatte man einen Computer, der einen ganzen Raum gebraucht hat, jetzt hat man das alles auf einem Handy", sagte Projektleiter Hannes Hübel vom AIT im Gespräch mit APA-Science.
Echte Zufallszahlen und Quantenschlüsselverteilung
Im Fokus des auf drei Jahre angelegten Projekts stehen Systeme zur Generierung von echten Zufallszahlen und die hochsichere Quantenschlüsselverteilung. Viele derzeit gängige Verfahren zur Verschlüsselung sensibler Daten beruhen auf der sogenannten Primfaktorzerlegung, also darauf, dass es äußerst schwierig ist, große Zahlen in ihre Primfaktoren zu zerlegen. Primfaktoren sind diejenigen Primzahlen, die multipliziert die gesuchte Zahl ergeben. So hat etwa die Zahl 21 die Primfaktoren drei und sieben.
Drei US-Forscher entwickelten 1977 ein Verfahren zur Datenverschlüsselung und nutzten es später auch kommerziell. Ihre nach ihren Initialen "RSA" genannte Technik steckt inzwischen in jedem Internet-Browser. Ein kleines Programm verschlüsselt dort etwa Kreditkartennummern so, dass böswillige Lauscher mit ihnen nichts anfangen können. Herkömmliche Computer würden für die Entschlüsselung solcher Codes Jahrzehnte oder länger brauchen. Ein Quantencomputer dagegen könnte sie in Minutenschnelle knacken. Dazu kommt, dass die Erstellung von kryptografischen Schlüsseln mit computerbasierten Algorithmen niemals wirklich zufällig ist, denn diese können auch zurückgerechnet, also durchschaut werden.
"Spukhafte Fernwirkung"
Gänzlich anders funktioniert das bei der Quantenkryptografie, das unter anderem auf der sogenannten Verschränkung aufbaut. Dabei bleiben beispielsweise zwei Lichtteilchen über theoretisch beliebige Distanzen wie durch Zauberhand miteinander verbunden, was Albert Einstein einmal als "spukhafte Fernwirkung" bezeichnet hatte. Misst man den Zustand eines der beiden Photonen, kennt man augenblicklich auch den Zustand des anderen. Das kann bei der Quantenkryptografie zur Übertragung von Schlüsseln verwendet werden, um damit Daten absolut abhörsicher zu übermitteln.
Die Erstellung von tatsächlich vollkommen auf Zufall basierenden Schlüsseln ist daher sprichwörtlich der Knackpunkt für sichere Kommunikation. "Darum setzen wir auf den Quantenzufallsgenerator, das ist der beste Zufall den wir kennen", erklärte Hübel über ein wichtiges Projektvorhaben von UNIQORN. Solche Geräte könne man heute schon kaufen, nun gehe es darum, die Funktionalitäten zu erweitern sowie Größe und Kosten zu reduzieren.
Das AIT hat sich zur Aufgabe gemacht, Technologien wie die Quantenkryptografie näher an den Endkunden heranzuführen. "Wir wollen verschränkte Photonenquellen auf einen optischen Chip bringen und zusätzlich eine Netzwerkfunktionalität einbauen", so Hübel, der auch maßgeblich an einer neuen, vom Technologieministerium (BMVIT) in Auftrag gegebenen Studie zur Quantentechnologie-Landschaft in Österreich beteiligt war. Ein solches Netzwerk verfüge dann über viele Empfangseinheiten bei den Benutzern und einer zentralen verschränkten Quelle.
Grundlegend dafür sind sogenannte Quantenbits (Qubit). Sie entsprechen dem "null" und "eins" herkömmlicher Computer, mit dem Unterschied, dass in Quantensystemen auch Überlagerungen erlaubt sind, und das Qubit sozusagen beide Werte gleichzeitig annehmen kann. Diese Quantenbits können miteinander verschränkt sein, auch wenn sie weit voneinander entfernt sind. Solche verschränkten Zustände wiederum sind wesentliche Bestandteile von Quantennetzwerken (siehe dazu auch den Gastkommentar der Experimentalphysikerin Tracy Northup).
System-on-Chip-Lösungen
Ein wichtiger nächster Schritt innerhalb des UNIQORN-Konsortiums sei es nun, integrierte System-on-Chip-Lösungen zu entwickeln. Diese Chips vereinen elektronische und optische Systeme in sich und sollen dann sowohl photonische Qubits generieren als auch detektieren können. Derzeitige Detektoren in Schuhkartongröße müssen dafür noch auf die Größe eines Mikrochips gebracht werden, so eine der Herausforderungen. "Dazu muss man noch den optischen Chip, der auf Polymer basiert, mit dem Detektor-Chip, also einem Silikon-Chip, verheiraten", sagte Hübel: "Das wäre schon ein Riesenschritt."
In der letzten Phase des dreijährigen Projekts sollen die Technologien in einer realen Smart-City-Umgebung an der Universität Bristol getestet werden. Am Prüfstand stehen dann Robustheit und der Langzeiteinsatz - und "dass das System mit den verschiedensten Umwelteinflüssen umgehen kann".