"Quantentechnologien: Was hinter dem Buzzword steckt"
Das Buzzword "Quantentechnologien" schwirrt seit dem Kick-Off des Quantum Flagship der Europäischen Union in der Wiener Hofburg im vergangenen Oktober wieder gehäuft durch die Medien. Was genau Quantentechnologien eigentlich sind und wie sie funktionieren, das bleibt bei vagen Kommentaren über das "disruptive Potenzial" nicht selten auf der Strecke.
Ausgangspunkt: Grundlagenforschung
Das alles begann, als Wissenschafter wie Werner Heisenberg, Erwin Schrödinger und Wolfgang Pauli in den 1920ern versuchten, mathematisch mögliche aber kontraintuitive Gedankenexperimente zu verstehen. Zum Beispiel die Rolle des Beobachters: "Ist der Mond auch dann da, wenn man nicht hinsieht?". Einer ihrer prominentesten Gegner war Albert Einstein, auf den die Aussage zurückgeht, dass Gott nicht würfelt.
Fast marktreif: Quantenkryptografie
Was also ursprünglich auf reinen Erkenntnisgewinn ausgerichtet war, hat sich inzwischen als Grundlage für radikal neue Technologien herausgestellt. Die Heisenbergsche Unschärferelation beispielsweise, welche auf der oben erwähnten Rolle des Beobachters aufbaut, stellt fest, dass ein Quantenzustand durch eine Messung nicht beliebig genau bestimmt bzw. folgerichtig auch geändert wird. Dieses Phänomen kann gemeinsam mit dem der Verschränkung dazu verwendet werden, eine Kryptografiemaschine zu bauen. Die Verschränkung garantiert, dass zwei Endkunden damit zwei gleiche und vollkommen zufällige Schlüssel generieren können. Jeder Hackangriff (der ja auch eine Messung darstellt) führt – eben wegen der Heisenbergschen Unschärferelation – unweigerlich zu Fehlern, die von legitimierten Endkunden leicht festgestellt werden können. Eine klassische Nachricht kann das nicht, bei ihr kann nicht festgestellt werden, wie oft sie kopiert wurde. Die Quantenkryptografie ist gewissermaßen das Aushängeschild der Quantentechnologien und, auch aufgrund der zurückliegenden technischen Entwicklungen der modernen optischen Telekommunikationstechnologien, vergleichsweise sehr weit ausentwickelt. Erste Geräte kann man bereits kaufen, wir rechnen mit größeren Stückzahlen in den nächsten Jahren. Datensicherheit ist eines der wichtigsten Anliegen in den Kommunikationstechnologien, und die durch Naturgesetze begründete Sicherheit der Quantenkryptografie bietet gegenüber der klassischen Kryptographie unschlagbare Vorteile.
Vision Quanteninternet: Quantenkommunikation
Ein Durchbruch, der durch die Medien ging, gelang im Jahr 2017, als chinesische Forscher über den neuen Quantensatelliten MICIUS unter Beteiligung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften erstmals interkontinental einen quantenkryptographischen Schlüssel, von einem Satellitenorbit aus, zu Bodenstationen in China und Graz verteilten. Im September 2017 telefonierten die beiden Akademiepräsidenten, Chunli Bai und Anton Zeilinger, erstmals über eine so gesicherte internationale Quantenleitung miteinander. Seither arbeiten mehrere Gruppen weltweit, auch meine in Zusammenarbeit mit der von Zeilinger, weiter am Ausbau eines solchen Quantenkommunikationsnetzwerks. Die Chinesische Akademie der Wissenschaften hat inzwischen weitere Tests mit MICIUS durchgeführt und sogar einen zweiten Quantensatelliten ins All geschickt. Weitere Satelliten wurden von verschiedenen Ländern weltweit angekündigt. Bodenstationen (eine davon am Lustbühel in Graz) sind einsatzbereit, um die Übermittlung von Information über sehr große Distanzen via Satelliten zu ermöglichen. Für eine breite Netzabdeckung müssen aber auch Klein- und Mitteldistanzen überbrückt werden. In Europa sind wir dabei, ein Quantenkryptographie-Glasfasernetz aufzubauen, das die europäischen Hauptstädte, mit Wien im Zentrum, miteinander verbinden wird. Vorerst sind Glasfaserstrecken zwischen Wien, Prag, Bratislava und Budapest geplant, mittelfristig werden noch Zagreb und Ljubljana dazukommen. Mit all diesen Initiativen ist die Vision eines " Global Quantum Internet" in den vergangenen zwei Jahren in Reichweite gerückt.
Riesiges Potenzial, komplexe Entwicklung: Quantencomputer
Die Entwicklung von Quantencomputern, an der schon seit Ende des letzten Jahrhunderts gearbeitet wird, stellt die Wissenschaft vor große Herausforderungen. Quantenmechanische "Qubits" können mit Überlagerungen der Werte von 0 oder 1 arbeiten, woraus sich bei bestimmten Operationen eine außerordentliche Beschleunigung der Rechenleistung ergibt. Interessanterweise sind es gerade herkömmliche klassische Kryptographiesysteme, die von einem Quantencomputer relativ problemlos geknackt werden könnten. Wenn also die ersten Quantencomputer auf den Markt kommen, ist im Vorteil, wer sich mit quantenkryptographischen Methoden geschützt hat.
Das Marktpotenzial nützen: Wissenstransfer oder Spin-Offs?
Wir sind also in der Zeit der "Zweiten Quantenrevolution" angekommen. Das erwähnte Quantum Flagship stellt der Vorentwicklung entscheidende Mittel zur Verfügung, die Europa eine Chance geben, auch in Zukunft mitzuspielen. Unternehmen wie Alibaba, Microsoft, Google, IBM, Intel und andere investieren weltweit Unsummen. Gleichzeitig werden überall Spin-Offs für Quantentechnologien gegründet. Was ist also die beste Strategie, um die Entwicklung voranzutreiben und die Visionen Realität werden zu lassen?
Gemeinsam mit drei Kollegen in Wien habe ich mich für eine Firmengründung entschieden, als immer mehr Firmen mit der Bitte um Unterstützung bei strategischen Entscheidungen in Hinblick auf Quantentechnologien an uns herantraten. Unser Ziel ist es, für konkrete technologische Fragestellungen von Partnern aus der Wirtschaft oder dem akademischen Umfeld geeignete technologische Strategien zu entwickeln, ob es sich dabei um Spin-Off Gründungen, Vermittlung von Kollaborationen oder Wissenstransfer-Interventionen handelt. Die Firma wird nicht nur in beratender Funktion tätig sein, sondern treibt unter Leitung von Thomas Scheidl auch aktiv z.B. eine große Weltraummission voran, mit dem Ziel, die Servicedienstleistungen eines Quantensatelliten aktiv auf dem kommerziellen Markt anzubieten. Das reicht bis hin zu Anwendungen wie einer sicheren Blockchain, die auf der Quantenkryptografie beruht. Ein ähnliches Start-Up Unternehmen gibt es auch in Innsbruck, wo Prototypen für Quantencomputer gebaut und verkauft werden. Jetzt ist wichtig, dass maßgebliche österreichische Erfindungen nicht einfach ins Ausland abwandern. Hier in Österreich wollen wir die Wertschöpfung erzielen und hier wollen wir Arbeitsplätze schaffen.
Die Situation in Österreich: Gegenwind zu Aufwind?
In Österreich – eigentlich in ganz Europa – ist es nicht einfach, Investoren für Vorhaben zu finden, die wissenschaftliche Erkenntnisse zur Marktreife führen wollen. Es entspricht bei uns einfach nicht der Investorenkultur, Geld in angewandte Forschung zu investieren. Das gilt für Einzelpersonen, aber leider auch für große Industriekonzerne. Zudem haben kleine Start-ups, wie die genannte Neugründung, große Konkurrenz, beispielsweise vom Austrian Institute of Technology (AIT). Dort wird in einem sehr ähnlichen Bereich geforscht, und das mit signifikanten Mitteln. Daher sind wir sehr stolz, in so einem, für Start-ups durchaus herausfordernden Umfeld, mit ersten Aufträgen aus der Industrie und von der Europäischen Weltraumagentur ESA reüssieren zu können.
Häufig hört man, dass die Steuerlast hierzulande Investitionen erschwert. Tatsächlich verhält es sich genau anders herum. Österreichische Steuern haben unsere Grundlagenforschung überhaupt erst ermöglicht und uns in die Situation gebracht, international konkurrenzfähig zu sein – beispielsweise durch Förderprojekte des Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF), der Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) und der Europäischen Union. Diese Steuern haben uns einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil verschafft, den wir aber jetzt auch nützen müssen, wollen wir diese technologische Revolution nicht verschlafen. Wenn wir heute Know-how abwandern lassen, dann entstehen morgen Wertschöpfung, Steuereinnahmen und Arbeitsplätze im Ausland. Die Investitionen, die wir Steuerzahler getätigt haben, sollen hier und heute Früchte tragen. An unseren Universitäten sollten Studiengänge für eine ganz neue Generation von Quanten-Technikern eingeführt werden. Es sollte weiters ein Klima geschaffen werden, in dem kleine Start-ups überleben und ihre Ideen am Markt testen können. All das sind die Herausforderungen der Stunde. Ansonsten sind die Voraussetzungen in Österreich gut: Wir haben soziale Sicherheit und ein wunderschönes Land. Mit dem starken österreichischen Quantenschwerpunkt in der Forschung, den wir heute haben, besteht eine echte Chance, ein "Austrian Quantum Valley" zu schaffen, und nicht noch ein weiteres Silicon Valley irgendwo sonst auf der Welt.
Und jetzt?
Hinter dem Buzzword der Quantentechnologien steckt also technologische und wirtschaftliche Realität. Da sind einerseits die sogenannten sozialen Medien zu nennen. Andererseits erhält die sichere Datenübertragung ganz neue Relevanz, wenn unsere Vision der Zukunft sein soll, dass Autos ohne menschliche Fahrer ihre Passagiere von A nach B transportieren, und dass Haushaltsgeräte, Züge, Flugzeuge, Öltanker und Kraftwerke von vernetzten Systemen ferngesteuert werden. Erst eine Technologie, die ihr Potential ausspielt, ohne die Anwender zu gefährden, wird erfolgreich sein. Die neue Generation der Digitalisierung ist ohne Quantentechnologien nicht denkbar.