"Musikstreaming - Das Radio des 21. Jahrhunderts"
In Skandinavien ist Musikstreaming zur Haupteinnahmequelle für die phonografische Industrie geworden. Das ist in Österreich noch nicht der Fall. Hierzulande werden immer noch gerne CDs gekauft. Beliebt sind dabei vor allem Schlager und volkstümliche Musik, die in erster Linie von der "Generation 50+" gehört werden. Eine Veränderung des Musikkonsums ist aber auch in Österreich zu erwarten und es stellt sich die Frage, was das für die Künstler bedeutet?
Nach dem Bericht der International Federation of the Phonographic Industry (IFPI) Österreich, wurde hierzulande 112 Millionen Euro für Tonträger und digitale Musikangebote im Jahr 2015 ausgegeben, was einem Rückgang gegenüber dem Vorjahr von 2,2 Prozent entspricht. Damit hat sich die nun seit mehr als 15 Jahre anhaltende Rezession am phonografischen Markt in Österreich verlangsamt, der seit 2001 durch rückläufige CD-Verkäufe um mehr als 60 Prozent eingebrochen ist. Gebremst wurde die Rezession am phonografischen Markt durch den steigenden digitalen Musikkonsum. Ursprünglich getragen vom Verkauf von Klingeltönen und später dann von Musikdownloads, hat sich der digitale Musikumsatz zuletzt dank des Erfolgs von Musikstreaming seit 2007 mehr als verdreifacht. Dennoch liegt der Marktanteil von Musikstreaming mit rund 10 Prozent vergleichsweise niedrig. Laut Global Music Report der IFPI werden in Schweden 66,5 Prozent, Norwegen 59,5 Prozent und Dänemark 47,9 Prozent des Gesamtumsatzes mit Einnahmen von Spotify & Co. erwirtschaftet.
Da diese Länder in etwa das gleiche wirtschaftliche und technologische Niveau wie Österreich aufweisen, muss der Grund für den eklatanten Unterschied in einem anderen Musikkonsumverhalten liegen. Ein Vergleich der Jahrescharts von Österreich und Schweden liefert dazu einen Hinweis. Während die von Musikdownloads bestimmten Singlecharts in beiden Ländern in etwa die gleichen internationalen Hits aufweisen, dominieren österreichische und deutsche Künstlerinnen die heimischen Albumcharts. Auffallend ist dabei der große Erfolg von Schlager (Helene Fischer) und volkstümlicher Musik (Andreas Gabalier). Internationale Produktionen, die die Albumcharts in skandinavischen Ländern dominieren, spielen in Österreich eine untergeordnete Rolle.
Schlager und volkstümliche Musik sind vor allem bei älteren Musikkonsumenten sehr beliebt, die immer noch gern CDs kaufen, wie der Bericht des Bundesverbands Musikindustrie in Deutschland für 2015 belegt. Demnach hat die "Generation 50+" mit 38,3 Prozent den höchsten Anteil an den phonografischen Umsätzen. Der Bericht zeigt auch, dass die älteste Altersgruppe für 64 Prozent des Gesamtumsatzes im Schlagersegment und sogar für 66 Prozent im Klassiksegment verantwortlich zeichnet. Das sind Genres, die immer noch sehr relevant für den CD-Markt sind.
Die gute Botschaft ist, dass in Österreich noch Wachstumspotenzial für Musikstreaming besteht, wohingegen in Skandinavien die Zuwächse in Zukunft bescheidener ausfallen werden. Skandinavien erlaubt aber auch einen Blick in die Zukunft. Demnach wird die CD genauso zum nostalgischen Sammelobjekt wird wie die Schallplatte.
Der Musikkonsum wird sich also auch hierzulande zum Musikstreaming verschieben, was vor allem von der jüngeren Generation getragen sein wird, die intensiv das Gratisangebot von YouTube nutzt. YouTube ist aber durch namhafte Künstler wegen der geringen Ausschüttungen unter Beschuss geraten. Mit einer Petition an die EU-Kommission haben mehr als tausend Stars darunter Ed Sheeran, Lady Gaga und Paul McCartney einen "Value-gap" beklagt, weil YouTube-Eigentümer Google die Künstler aus ihrer Sicht nicht fair an den Einnahmen beteiligt.
Dabei werfen auch Bezahldienste (z.B. Spotify) weniger für die Künstler ab als das bei CD- und Downloadverkäufen der Fall ist. Da die Auszahlungen der Streamingdienste nur in Ausnahmefällen direkt an die Künstler gehen, die in der Regel vertraglich an Labels und Musikverlage gebunden sind, fällt für die Künstler vergleichsweise wenig ab. Während die Major-Labels über Vorschüsse der Streamingdienste und Lizenzerträge ihre riesigen Musikkataloge erfolgreich monetarisieren, haben die Künstler kaum einen Hebel, um aus Musikstreaming eine sprudelnde Einkommensquelle zu machen. Sie müssen daher über Konzerte und andere Aktivitäten (Musikunterricht, Branding, Werbung etc.) ihren Lebensunterhalt verdienen.
So ergibt sich die paradoxe Situation, dass dank Streaming so viel Musik wie noch nie zuvor verfügbar ist, aber es gleichzeitig für Künstler noch nie so schwierig war, mit dem Verkauf von Musik ein ausreichendes Einkommen zu erzielen. Zwar bieten YouTube und Social Media-Plattformen eine gute Möglichkeit für das Selbstmarketing, aber eine direkte Monetarisierung der Klicks und Likes ist schwierig. Und auch wenn YouTube gezwungen werden sollte, mehr vom Umsatzkuchen abzugeben, wird sich an der grundlegenden Situation, dass Musikstreaming eher den Verwertern und nicht den Künstlern wirtschaftlich zugutekommt, nichts ändern. Jedenfalls müssen sich alle Beteiligten auf diese neue Situation einstellen, denn es ist absehbar, dass Musikstreaming sich auch in Österreich flächendeckend durchsetzen und zum Radio des 21. Jahrhundert wird.