Marken und Erlebniswelten: Warum sich Metallica nicht als Fahrstuhl-Musik eignet
Im Supermarkt, Restaurant oder Lift: Musik wird seit einiger Zeit zum "Mood Management" eingesetzt. Dass der "Stimmungsmacher" tatsächlich für mehr Umsatz und ein besseres Image sorgt, ist aber kein Selbstläufer. Entscheidend, ob sich bei "Last Christmas" die Geldbörse öffnet oder sich eher die Nackenhaare aufstellen, ist das Zusammenspiel zwischen Musik und Erlebniswelt, erklärten Experten gegenüber APA-Science.
"Wenn in Einkaufsumgebungen Musik läuft, wirkt sich das insgesamt positiv auf Wohlbefinden, Zufriedenheit und Kauf- bzw. Konsumabsicht aus. Allerdings ist die Stärke des Effekts eher klein bis mittelstark ausgeprägt", so Holger Roschk, Leiter der Abteilung für Dienstleistungsmanagement an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt. Er hat kürzlich eine Meta-Studie im "Journal of Retailing" veröffentlicht, im Rahmen derer Musik als atmosphärischer Stimulus untersucht wurde.
Entscheidend sei, dass die Stimuli auf die jeweils individuelle Konsumumgebung abgestimmt sind. "Wenn man ein Yoga-Buch kauft und Rock-Musik läuft, entstehen kognitive Dissonanzen - und das kann negative Effekte nach sich ziehen. Auch andere atmosphärische Reize führen hier zu Gegensätzen, etwa aktivierende Gerüche und Entspannungsmusik", so Roschk.
Keine Volksmusik im China-Restaurant
"Kongruenz, also das Zusammenspiel zwischen Musik und der Erlebniswelt, die man schaffen will, ist sehr wichtig", pflichtete Robert Zniva vom Institut für Handel und Marketing der Wirtschaftsuniversität (WU) Wien bei: "Volksmusik im China-Restaurant ist ebenso wenig ratsam wie Metallica im Lift. Fahrstuhl-Musik soll schließlich zur Entspannung in einer beengten Situation beitragen."
Diese Sensitivität bezüglich des Kontextes und der Situation mache den gezielten Einsatz von Musik sehr schwierig. "Ein Hintergrundlied, das läuft, während man unter der Woche entspannt irgendwo einkauft, kann positiv auf den Erlebnisprozess wirken. Am letzten Einkaufssamstag vor Weihnachten wird in einer stressigen Situation möglicherweise genau das Gegenteil ausgelöst", erklärte der Experte. Gerade im stationären Handel seien die Kunden vielfältigen Reizen ausgesetzt. Manche Unternehmen würden deshalb bewusst auf Musik verzichten.
Musik transportiert ein bestimmtes Image
Musik transportiere auch ein gewisses Image und verändere dementsprechend die Stimmung. So sei im Rahmen einer Studie in einem Weingeschäft zuerst klassische französische und ein anderes Mal klassische deutsche Musik abgespielt worden. "Je nachdem griffen die Konsumenten dann eher zum jeweiligen Wein. Deutsche Klassik pushte also beispielsweise den deutschen Wein", so Zniva. Wenn es im Weingeschäft allerdings stressig zugehe, könne es sein, dass die Musik gar nicht wirke.
Die Erlebnisvermittlung sei je nach Intention sehr unterschiedlich ausgeprägt. Casinos würden versuchen, die Aufenthaltsdauer in der Spielstätte zu erhöhen und daher Musik forcieren, die zum entspannten Verweilen einlädt. "Bei einer Marke, die extreme Spannung vermitteln soll, sieht das naturgemäß anders aus. Das muss zum Image passen. Bei Autos sind es eher technische Klänge", sagte Zniva.
Branding durch Konditionierung
Musik werde aber nicht nur zur Umsatzsteigerung eingesetzt, sondern auch zum Branding - im Sinne einer Konditionierung: "Da braucht man nur an Werbe-Spots denken, bei denen immer eine gewisse Tonfolge gespielt wird. Natürlich wird dieser am Anfang neutrale Stimulus dann mit dieser Marke verbunden." Beim Branding lasse sich der Erfolg mehr oder weniger gut messen, bei der Umsatzsteigerung sei das schwierig.
"Es gibt derartig viele Reizkonstellationen, dass das kaum auslesbar ist - die Warenanordnung ändert sich laufend, ebenso wie die Anzahl der Kunden im Geschäft", so der Handelsexperte. Es gebe beispielsweise Forschung zu optimalen Tempi, "aber Musik ist per se Kunst und daher wirklich schwer operationalisierbar und systematisierbar. Beim gleichen Tempo kann Musik emotional sehr traurig oder aufbauend sein". Der Einsatz von Musik sei daher "eher eine strategisch-philosophische Frage und keine klare rationale Entscheidung". Die Heterogenität im Lebensmittelhandel mache eine speziell angepasste Musik quasi unmöglich.
Man müsse ja nicht die Lieblingsmusik von jedem kennen, meint Holger Roschk von der Alpen-Adria-Universität. Es reiche schon, keine unpassende Musik zu spielen. Bei einem heterogenen Publikum sie ein breitenfähiges Musikangebot wohl die richtige Wahl. Und natürlich gebe es viele externe Einflüsse. "Wenn man aber in einem Bekleidungsgeschäft oder Restaurant beispielsweise eine Woche Musik, die zum Kunden-Klientel passt, spielt und eine Woche nicht, kann man relativ gut feststellen, ob es da einen Einfluss auf das Kundenverhalten gab", so Roschk.
Eine andere Möglichkeit wäre ein Laborexperiment, in dem man eine Situation konstruiert - beispielsweise ein Modegeschäft nachstellt - und einmal mit Musik bespielt und einmal nicht. Danach werden die Testgruppen befragt. "Da kann man viele Umweltfaktoren ausschalten, andererseits wird es dadurch wieder ein bisschen weniger lebensnah." Bei seiner Meta-Studie hätten sich jedenfalls keine gravierenden Unterschiede zwischen Feld- und Laborexperimenten gezeigt, was die Effekte betrifft.
Von Stefan Thaler / APA-Science