"Wasserstoff - Hype oder echte Zukunftschance?"
Es ist zurzeit DAS Thema in der Energiebranche - Wasserstoff. Es gibt kaum eine Anwendung, für die Wasserstoff nicht als die Lösung zur Eindämmung der Treibhausgase propagiert wird - von der Brennstoffzelle im Auto bis hin zum Heizen mit Wasserstoff. Doch wie plausibel sind solche Vorschläge und wo kann Wasserstoff überhaupt sinnvoll eingesetzt werden?
Keine Frage, Wasserstoff aus erneuerbaren Energien ist ein wertvoller Energieträger. Er kann dort zum Einsatz kommen, wo die direkte Elektrifizierung nicht möglich oder zu teuer ist. Wasserstoff wird zum Beispiel in großen Mengen benötigt werden, um Sektoren wie die Chemieindustrie und die Schifffahrt zu dekarbonisieren. Darüber hinaus kann Wasserstoff in Zeiten, in denen die Produktion aus erneuerbaren Energien nicht ausreicht, eine Rolle bei der Stromerzeugung spielen. Kosten und Effizienzverluste werden jedoch höchstwahrscheinlich Faktoren sein, die den Ansatz power-to-gas-to-power limitieren.
Wie sieht es mit der Anwendung im Verkehrssektor aus? Für lange Zeit gab es einen Wettlauf zwischen Elektroautos und Brennstoffzellenautos. Bis vor kurzem war nicht klar, ob eine der beiden Technologien Marktreife erreichen würde und wann. Dieser Wettlauf scheint nun, entschieden zu sein. Die Elektroautos erobern die Märkte. Jedes Jahr werden die Verkaufserwartungen übertroffen. Es scheint sehr unwahrscheinlich, dass das Brennstoffzellenauto jemals eine wirkliche Alternative zum Elektroauto darstellen wird. Es gibt keine signifikante Wasserstofftankstelleninfrastruktur und Elektroautos haben mittlerweile Reichweiten von bisweilen mehr als 500 Kilometer. Es gibt im Verkehrsbereich jedoch andere Anwendungen, wo Wasserstoff durchaus eine Rolle spielen könnte. Im Schiffs- und Luftverkehr könnte Wasserstoff eine wirkliche Alternative zu den fossilen Energien darstellen.
Im Gebäudesektor ist die Sinnhaftigkeit von Wasserstoff jedoch äußerst zweifelhaft. Auf den ersten Blick scheint die Idee, Erdgas durch Wasserstoff zu ersetzen sehr attraktiv. Das umständliche Sanieren von Gebäuden und die Nachrüstung mit erneuerbaren Heizungssystemen könnte umgangen werden, wird uns von der Gasindustrie suggeriert. Wasserstoff scheint der Gasindustrie, eine Rettungsleine geworfen zu haben. Es gibt jedoch selten eine einfache Lösung für ein kompliziertes Problem.
Die Verwendung von Wasserstoff zum Autofahren oder Heizen in großem Maßstab ist aus verschiedenen Gründen problematisch. Erstens ist die Herstellung von "grünem Wasserstoff" durch Elektrolyse im Vergleich zur direkten Nutzung erneuerbarer Energie zum Betrieb von Wärmepumpen oder Elektrofahrzeugen äußerst verschwenderisch. Man braucht etwa fünfmal mehr Wind- oder Solarstrom, um ein Haus mit Wasserstoff zu erwärmen, als dasselbe Haus mit einer effizienten Wärmepumpe zu beheizen.
Brennstoffzellenautos brauchen fast dreimal soviel Strom im Vergleich mit Elektrofahrzeugen. Infolge dieser Ineffizienz wären die erforderlichen Ausbauquoten für erneuerbare Energien extrem hoch, eine Tatsache, auf die das britische Committee on Climate Change in seinem umfassenden Bericht über die Zukunft des Wasserstoffs hinweist. Der Ausbau erneuerbarer Energien geschieht schon zu langsam, um die Klimaziele überhaupt zu erreichen. Es scheint höchst unwahrscheinlich, dass Europa das Geld und das Land hat, um fünfmal so viele Turbinen und Sonnenkollektoren zu bauen, nur um die alten fossilen Gasleitungen in Betrieb zu halten.
Zweitens ist grüner Wasserstoff nicht billig und wird nach jüngsten Untersuchungen der Internationalen Energieagentur im Jahr 2030 am Ort der Erzeugung voraussichtlich immer noch rund 10 Eurocent pro Kilowattstunde (kWh) kosten. Auf nationaler Ebene hat das britische Committee on Climate Change sehr ähnliche Zahlen vorgelegt. Das ist deutlich höher als die derzeitigen Gaspreise für Privathaushalte in vielen europäischen Ländern. Dazu kämen dann noch Kosten für den Transport und die Verteilung des Wasserstoffs.
Die Verwendung begrenzten grünen Wasserstoffs zum Heizen würde auch die Kosten von Wasserstoff für die Industriesektoren in die Höhe treiben, in denen er eindeutig benötigt wird. Der weit verbreitete Einsatz von grünem Wasserstoff im Gebäude- und Transportsektor könnte aufgrund der höheren Nachfrage zu einer Verdoppelung der Wasserstoffkosten führen, zeigt eine Analyse des Energieberatungsunternehmens Aurora.
Innovation und weitere Kostensenkungen bei der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien werden natürlich künftig zu niedrigeren Wasserstoffkosten führen, aber der Großteil der Kosten für die Herstellung von Wasserstoff durch Elektrolyse sind die finanziellen Aufwendungen für die eingesetzte Elektrizität (80 bis 86 Prozent) und nicht die Kapital- oder Betriebskosten. Das bedeutet, dass der Kostenunterschied zur direkten Elektrifizierung ähnlich bleiben wird.
Es gibt auch die Idee des blauen Wasserstoffs, der fossiles Gas in Wasserstoff umwandelt, aber Kohlenstoffabscheidung und -speicherung (CCS) erfordert, um die entstehenden Treibhausgasemissionen dauerhaft zu speichern. Die CO2-Emissionen würden dann noch bei 15 bis 40 Prozent liegen, von denen ein Teil stromaufwärts gelegene Emissionen in Regionen sind, in denen Gas gefördert wird, wie jüngste Satellitendaten gezeigt haben. Mit blauem Wasserstoff zu beginnen, in der Hoffnung, dass irgendwann genügend grüner Wasserstoff verfügbar ist, ist eine risikoreiche Strategie und steht langfristig vor den gleichen Kosten- und Effizienzherausforderungen wie ein rein grüner Wasserstoffpfad.
Ähnliche Lösungen wurden vor 15 Jahren für die Kohleindustrie vorgeschlagen, als sich herausstellte, dass Kohlekraftwerke angesichts ihrer hohen Kohlenstoffemissionen nicht mehr akzeptabel waren. Die Kohleindustrie reagierte darauf mit der Prägung des Begriffs "saubere Kohle" und schlug vor, dass jedes Kohlekraftwerk mit CCS ausgerüstet werden könnte. Die meisten Projekte, die auf der Idee der sauberen Kohle basierten, scheiterten, und Kohle wird nun zunehmend durch Wind und Sonne verdrängt.
Doch selbst wenn Wasserstoff in großen Mengen und zu geringeren Kosten als erwartet verfügbar sein wird, wird er in absehbarer Zeit keine große Rolle bei der Entkarbonisierung von Heizsystemen spielen. Centrica, der größte britische und älteste Gasversorger der Welt, sagte kürzlich, dass "der Wasserstoffverbrauch im Haushalt wahrscheinlich noch mehr als zehn Jahre entfernt sein wird, wobei die Kosten für die Kunden noch nicht bekannt sind".
Anstatt sich auf unbegründete Versprechungen zu verlassen, sollten wir uns auf Lösungen konzentrieren, die bereits heute verfügbar sind. Und wir sollten Wasserstoff dort einsetzen, wo er am meisten gebraucht wird. Nämlich dort, wo es kaum andere Alternativen gibt.