Hindernisse auf dem Weg in die Privathaushalte
Für eine Dekarbonisierung der EU bis 2050 müssen Erdöl, Erdgas und Kohle abgelöst werden. Das betrifft auch die Privathaushalte. Welche Rolle Wasserstoff hier spielen kann, ist aber umstritten. Eine Überlegung geht dahin, Photovoltaik-Überschüsse in Form von Wasserstoff zu speichern und später als elektrische Energie oder zur Wärmeversorgung zu nutzen.
Laut Statistik Austria ist Fernwärme der geläufigste Energieträger in heimischen Haushalten und bereits ein Schritt in Richtung CO2-Einsparung, doch laut Alexander Trattner vom Hydrogen Center Austria (HyCentA) der Technischen Universität Graz würde mit erneuerbaren Energien und Wasserstoff noch mehr gehen: "Wasserstoff lässt sich einsetzen, um die Überschüsse von Photovoltaikanlagen im Sommer mit Elektrolyse in Wasserstoff zu verwandeln. Der kann über Monate, wenn nicht Jahre hinweg gespeichert und im Winter mit einer Brennstoffzelle wieder in Strom und Wärme umgesetzt werden." Die Technologie funktioniere äußerst gut. Allerdings seien die Investitionskosten derzeit noch hoch.
Grundsätzlich bedarf es für die Herstellung von grünem Wasserstoff zunächst einmal ausreichend erneuerbarer Energie aus Solar- oder Windkraft. Laut einer Studie des Frauenhofer-Instituts für Energiewirtschaft und Energietechnik (IEE) lässt sich der überwiegende Teil des grünen Wasserstoffbedarfs aber nur mit Importen decken. "Grüner Wasserstoff ist sehr rar und sehr teuer. Auch Reserven wie Blauer Wasserstoff (grauer Wasserstoff dessen CO2 durch Carbon Capture and Storage, CCS, abgeschieden wird) sind nicht ganz billig. Daher muss ich überlegen, wo brauche ich Wasserstoff wirklich", gibt Theresia Vogel, Geschäftsführerin des Klima- und Energiefonds, zu bedenken. Häufig genannt wird hier der Einsatz in Industrie und Verkehr.
Hocheffiziente Wärmepumpe als Alternative
Laut Fraunhofer-Institut IEE rückt daher die Wärmeversorgung von Wohngebäuden auf Basis von Wasserstoff in den Hintergrund und jene mit Wärmepumpen in den Vordergrund. Der Strombedarf könne fast ausschließlich mit nationalen regenerativen Energiequellen gedeckt werden. Ersetze man in der Gebäudewärme das Erdgas (rund 50 Prozent) durch Wasserstoff, würde es in Deutschland 250 Terawattstunden (TWh) an zusätzlichem Wasserstoff brauchen. Derzeit lassen sich in Deutschland aber nur 50 bis 150 TWh grüner Wasserstoff erzeugen.
Vogel geht im Gespräch mit APA-Science von ähnlichen Kapazitäten in Österreich aus: "Wir haben in der Industrie 150.000 Tonnen Wasserstoff unterschiedlicher Farbe im Einsatz. Das ist eine relativ große Menge. Die müssen wir erst mal mit grünem Wasserstoff ersetzen und dann in andere Bereiche gehen." Auch Jan Rosenow vom Thinktank "The Regulatory Assistance Project" sagt dazu: "Man braucht etwa fünfmal mehr Wind- oder Solarstrom, um ein Haus mit Wasserstoff zu erwärmen, als dasselbe Haus mit einer effizienten Wärmepumpe zu beheizen."
Nachdem derzeit selbst für die Bereiche Industrie und Mobilität eine Versorgung mit grünem Wasserstoff nicht möglich ist, wird laut Fraunhofer vermehrt auf blauen Wasserstoff zurückgegriffen. Käme der Gebäudesektor hinzu, führe das zu einer weiteren Bedarfssteigerung. Daher sieht Deutschland den Import von grünem Wasserstoff aus Ländern Nordafrikas oder auch Südamerikas als zwingend notwendig, um den Bedarf klimaneutral zu decken.
Gasnetze für Wasserstoff nutzen
Immer wieder ins Spiel gebracht wird von Fachleuten auch, das bestehende Gasnetz für Wasserstoff zu nutzen. Bereits heute werden dem Erdgasnetz bis zu zehn Prozent Wasserstoff beigemischt. Der Anteil leiste energetisch jedoch nur einen geringen Beitrag zum Klimaschutz, heißt es in der Fraunhofer-Studie.
Eine sprunghafte Umwidmung der Gasverteilnetze auf hundert Prozent Wasserstoff sei sowohl in Deutschland als auch in Österreich möglich, jedoch hätte dies laut Vogel zur Folge, dass alle bestehenden Gaskessel, -brenner und -thermen vorzeitig ausgetauscht werden müssten. Dadurch entstünden massive Kosten. Deshalb sollte man sich überlegen, ob es nicht andere Anwendungsbereiche gibt als die Wärmeversorgung.
Auch Rosenow bezweifelt in seinem Gastkommentar die Sinnhaftigkeit: "Wasserstoff scheint der Gasindustrie eine Rettungsleine zugeworfen zu haben. Es gibt jedoch selten eine einfache Lösung für ein kompliziertes Problem." Natürlich habe die Gasindustrie Interesse an Heizungen, die auch Wasserstoff verheizen können, sagt Florian Maringer vom Bundesministerium für Klima, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK): "Unsere Expertinnen und Experten halten das aber nicht für sinnvoll."
Von Sandra Fleck / APA-Science