Forschen im großen Stil
Virtuelle Fahrzeuge, Biomarker, Tribologie oder Holzverbundwerkstoffe: Rund 1.400 Forscherinnen und Forscher beschäftigen sich in "K2-Zentren", "K1-Zentren" und "K-Projekten" mit einer breiten Palette von Forschungsthemen. Den Rahmen dafür bereitet das Kompetenzzentren-Programm COMET, das Spitzenforschung an der Schnittstelle von Wirtschaft und Wissenschaft fördert. Wie diese Gratwanderung verschiedener Ideen und Interessen funktioniert, hat sich APA-Science näher angesehen.
Geht man nach dem EU-Wettbewerbsbericht 2014, dann hat Österreich innerhalb seines Forschungsförderungssystems zwei besonders erfolgreiche Instrumente, um die Forschungs-Kooperation und Ko-Finanzierung von Industrie und öffentlichen Forschungseinrichtungen zu unterstützen: Die Christian-Doppler-Labore und die Competence Centers for Excellent Technologies (COMET). "Beide bringen die Kooperation von grundlagen- und anwendungsorientierter Forschung und Entwicklung unter der Verwendung öffentlicher Forschungsinfrastruktur mit sich", heißt es in dem Bericht.
Das Programm COMET, das die 1998 ins Leben gerufenen Programme K-plus, K-ind und K-net zusammenführte, besteht seit 2006. Aktuell gibt es fünf sogenannte "K2-Zentren", 16 "K1-Zentren" und 24 "K-Projekte". Die drei Aktionslinien unterscheiden sich vor allem durch ihre Größe, Förderhöhe und Laufzeiten. Die K2-Zentren sind auf zehn Jahre, K1-Zentren auf acht Jahre und K-Projekte auf drei bis vier Jahre ausgelegt. Zu den mindestens fünf (K-Projekte: drei) Unternehmenspartnern muss mindestens ein wissenschaftlicher Partner kommen. Die öffentliche Förderung bei den Zentren beträgt 40 bis 55 Prozent, bei einem Verteilungsschlüssel von Bund und Land im Ausmaß von zwei zu eins. Der finanzielle Anteil der Unternehmenspartner beläuft sich auf mindestens 40, jener der wissenschaftlichen Partner auf mindestens fünf Prozent.
COMET als "Flaggschiffprogramm"
Abgewickelt wird das im Eigentum von Wissenschafts- (BMWFW) und Infrastrukturministerium (BMVIT) stehende Programm von der Forschungsförderungsgesellschaft (FFG). Allein 2014 ging mit 104 Mio. Euro ein beträchtliches Stück des Förderkuchens der FFG, nämlich 17 Prozent, an die Kompetenzzentren. Nicht zuletzt deshalb sieht FFG-Geschäftsführer Klaus Pseiner in COMET im Gespräch mit APA-Science ein "Flaggschiffprogramm der österreichischen Forschungscommunity": "Ein großes K1-Zentrum kann auf fast 100 Mitarbeiter kommen, ein K2 auf 200. Da kann man Meilensteine setzen, Sichtbarkeit erzeugen, da ist substanzielle Forschungsleistung drin. Wir haben kein zweites Programm, das solche Dimensionen hat."
Für Pseiner lassen sich punktuelle Kooperationen zwischen Wirtschaft und Wissenschaft nicht mit der Forschung in einem Kompetenzzentrum vergleichen, die viel stärker in Richtung experimentelle Entwicklung gehen könne, als das unter normalen Umständen möglich sei: "Zum Beispiel beim K2-Mobility in Graz geht man in wirkliches F&E-Neuland hinein. Da ist der wissenschaftliche Anspruch einer, der Dimensionen darüber liegt, was das Risiko betrifft. Wir sprechen von Neuland in einer Unternehmenskonstellation, weil da der Wettbewerb noch nicht zuschlägt." Sobald gemeinsam erarbeitete Konzepte verwirklicht sind, könne das einzelne Unternehmen noch immer sein Leistungsspektrum in einer firmenspezifischen Forschung weiterentwickeln. "Der gemeinsame Kitt liegt in der hochrisikoreichen Vorfeldforschung. Das ist auch der Unterschied zu klassischen Förderprogrammen", so Pseiner.
Anreize und Mehrwert
Die Motive, Teil eines Kompetenzzentrums zu werden, sind vielfältig. So ergab eine 2013 von der Evaluierungsgesellschaft Technopolis Group durchgeführte Wirkungsanalyse unter anderem, dass einige Unternehmen Teile ihrer industriellen Grundlagenforschung und Vorentwicklung in die COMET-Zentren auslagern, um ihre personellen und finanziellen Ressourcen möglichst effizient einzusetzen. "Andere wollen durch die COMET-Forschung Fragen geklärt wissen, die für Entscheidungen in der Produktentwicklung wichtig sind. Dritte legen den Schwerpunkt auf Technologiescreening und Marktbeobachtung", führt Studienautor Anton Geyer in seinem Gastkommentar einige Gründe an.
"Der Anreiz für die wissenschaftlichen Partner mitzumachen, ist natürlich einerseits der Rückfluss in wissenschaftlicher Währung (z.B. Publikationsoutput, Doktoranden, Netzwerkeffekte, Folgeprojekte; Anm.), aber auch die Nutzung der Infrastruktur an den Zentren", bezieht sich auch COMET-Programmleiter Otto Starzer auf die Wirkungsanalyse.
Friktionen vorprogrammiert
Das anspruchsvolle Setting eines Kompetenzzentrums kann aber auch zu Friktionen führen. Auf organisatorisch-institutioneller Ebene würden die wissenschaftlichen Partner - und hier insbesondere die Universitäten - laut der Analyse einige durchaus problematische Rahmen- und Finanzierungsbedingungen sehen. Dabei seien vor allem der Finanzierungsanteil der wissenschaftlichen Partner von fünf Prozent an den gesamten Forschungsleistungen der COMET-Zentren sowie die beschränkte Förderfähigkeit von Overheadkosten im Ausmaß von 20 Prozent genannt worden.
Ein weiterer Problempunkt betrifft etwa das geistige Eigentum. So würden Wissenschafter die Tatsache beklagen, dass die Unternehmen häufig die gesamten Nutzungs- und Verwertungsrechte an den Projektergebnissen für sich einfordern würden. Im wissenschaftlichen Kontext sei aber zumindest das Recht, Ergebnisse der Forschungsprojekte publizieren zu können, unverzichtbar. "Insgesamt sehen jedoch die wissenschaftlichen Partner keinen Bedarf nach stärkeren Vorgaben bei der Regelung von geistigen Eigentumsrechten, die aus Kooperationsprojekten mit der Wirtschaft resultieren", heißt es in dem Bericht.
"Wenn man sich die Entwicklungsmöglichkeit an den Universitäten heutzutage unter den budgetären Restriktionen anschaut, gibt es fast keine elegantere Art, sich einen neuen Wissenschaftsbereich zu erarbeiten und zu legitimieren", ortet FFG-Chef Pseiner unter dem Strich eine sehr positive Ausgangslage für die Wissenschaftspartner. Aus Unternehmenssicht wiederum verfüge man bei COMET - im Gegensatz zu einer an Hochschulen ausgelagerten Auftragsforschung - über eine Plattform mit den Assets, aber ohne die Restriktionen einer Uni und könne zu einem spezifischen Thema forschen lassen.
Zentrumsmanager als "Übersetzer"
Fragen wie diese werden meist schon vorab in Kooperationsverträgen geklärt. Bei Streitigkeiten kommt dem Zentrumsmanager als Übersetzer zwischen den beiden Welten eine entscheidende Rolle zu (siehe auch Hintergrund). "Das schwierige, was diese Manager hinbringen müssen ist, dass sie einerseits wissenschaftlich ein hohes Niveau halten müssen, gleichzeitig das Ganze aber auch so weit in die Anwendung bringen, dass die Unternehmen - die ja knapp 50 Prozent mitfinanzieren - glücklich sind", erklärt Starzer.
Zur Hälfte der Laufzeit eines COMET-Zentrums steht eine verpflichtende Zwischenevaluierung an - mit potenziell durchaus starkem Lenkungseffekt. "Da kann man ordentliche Korrekturen vornehmen. Es ist schon vorgekommen, dass einzelne Bereiche komplett gekürzt werden oder seitens der Evaluatoren gesagt wird, wir sehen eure Stärke nicht in A, sondern B", so Starzer.
Am Ende der Laufzeit können sich bestehende Zentren erneut einer Ausschreibung stellen - im Wettbewerb mit neuen Bewerbern. So konnten sich von den elf Zentren, die sich im dritten K1-Call beworben haben, nur acht durchsetzen, drei wurden abgelehnt. Diese Zentren bekommen dann ein sogenanntes Phasing-out, eine Einjahresperiode, bei der die öffentliche Finanzierung heruntergefahren wird und die der Neuorientierung dienen soll. Die Möglichkeiten reichen dann von der Schrumpfung über die Integration in andere Organisationen bis zur Komplettauflösung der GmbH. "Eines der ersten Zentren, das bei COMET nicht wieder gefördert wurde ist das Leichtmetallkompetenzzentrum Ranshofen, das danach in das Austrian Institute of Technology (AIT) integriert wurde", erklärte der Programmleiter.
Themen für die Zukunft
Thematisch spannen die Kompetenzzentren von den Bereichen Produktion (49 Prozent), Life Sciences (20 Prozent), Informationstechnologien (15 Prozent), Mobilität (10 Prozent) und Energie (6 Prozent) einen weiten Bogen. Entsprechend sind auch die Wissenschaftszweige Maschinenbau/Instrumentenbau (38 Prozent), Chemie (18 Prozent), Elektrotechnik (13 Prozent) und IKT (9 Prozent) am stärksten vertreten. Welche Schwerpunkte die Zukunft bringt, ist offen. War es bei der Gründung des Programms so etwas wie ein Top-Down-Ansatz, der bei der Themenfindung hineinspielte, versuche man nunmehr eine Weiterentwicklung aus den vorgefundenen Notwendigkeiten heraus. "Wir werden nichts mehr artifiziell auf die grüne Wiese stellen, sondern sehen, was da ist und was wir für eine zukünftige Entwicklung brauchen", so Pseiner.
Ab Juni startet die mittlerweile vierte Ausschreibung für K1-Zentren. Hier gelte dasselbe wie auch für die anderen Schienen: "Es gibt keine Barrieren, für niemanden. Wir halten dieses Qualitäts-Förderinstrument offen, nicht nur regional, genauso gut können KMUs teilnehmen oder Start-ups - eingedenk dessen, dass man große Leitbetriebe nicht substituieren kann. Aber der offene Charakter ist uns extrem wichtig und der ist auch nur durch die FFG garantiert. Nach freiem Spiel der Kräfte würden die Zentren nicht so ausschauen."
Von Mario Wasserfaller / APA-Science