Campus Vienna Biocenter: Ohne Masterplan zur Spitze
Der Campus Vienna Biocenter zählt zu den internationalen "Hot Spots" im Bereich der Lebenswissenschaften. Die Historikerin Maria Wirth hat die knapp 30-jährige Geschichte des Forschungsstandorts in Wien-Landstraße aufgearbeitet, beleuchtet seine Entstehung und Entwicklung sowie seine Bedeutung für den Life Sciences-Standort Wien. Das Buch wurde im September in Wien präsentiert.
Am Campus Vienna Biocenter befinden sich vier universitäre und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen, eine Fachhochschule und 14 Unternehmen - darunter international renommierte Einrichtungen wie das Institut für molekulare Pathologie (IMP), das Institut für Molekulare Biotechnologie (IMBA), die Max F. Perutz Laboratories oder Biotech-Unternehmen wie Affiris. Rund 1.400 Wissenschafter und 700 Studenten aus Dutzenden Nationen arbeiten bzw. studieren auf dem Gelände, das sich vom Standort eines Siechenhauses, einer Brauerei, einer Radiofabrik und eines Schlachthofs zum modernen Bio-Zentrum gemausert hat.
Raum für Entwicklung
Alles begann zu Beginn der 1980er Jahre, als sich das deutsche Pharmaunternehmen Boehringer Ingelheim und der US-Gentechnologie-Pionier Genentech dazu entschlossen hatten, ein Grundlagenforschungsinstitut in Wien aufzubauen - das spätere IMP, das 1988 eröffnet wurde und den Nukleus des heutigen Vienna Biocenter bildete. Auch wenn damals von den beteiligten Unternehmen eine enge Anbindung des neuen Instituts an universitäre Einrichtungen sowie neue Lehrstühle explizit eingefordert wurden, sei der Campus Vienna Biocenter ohne großen Masterplan entstanden, "ein Plan, wie der Campus im Jahr 1990, 2000 oder 2020 aussehen sollte, existierte nicht", schreibt Wirth.
Gerade der nicht vorhandene Masterplan habe aber "Raum für eine evolutionäre, dynamische Entwicklung gelassen, die durch das Zusammentreffen von unterschiedlichen Personen und Institutionen entstanden ist", betont die Historikerin in dem Buch, für das sie zahlreiche Interviews mit den für die Entwicklung des Campus zentralen Personen geführt hat. Dazu zählen u.a. der Biochemiker Hans Tuppy, zur Zeit der IMP-Gründung Rektor der Uni Wien, Peter Swetly, einer der wichtigsten Gründungsväter des IMP, oder der erste IMP-Direktor Max Birnstiel.
Ergänzt durch Archivrecherchen zeichnet Wirth so ein detailliertes Bild von der Gründung des IMP und den Anfängen einer aktiven Biotechnologie-Politik in Österreich, aber auch den Auseinandersetzungen um die Gentechnologie in Österreich. Sie stellt die beteiligten Universitätsinstitute vor, die mit einiger Verzögerung 2005 in den Max F. Perutz Laboratories (MFPL) eine gemeinsame Struktur fanden, schildert das Wachsen des Campus mit Firmengründungen wie Intercell und Affiris und beleuchtet das verstärkte Engagement der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) in den Lebenswissenschaften, das in der Gründung des IMBA und des Gregor Mendel Instituts für Molekulare Pflanzenbiologie (GMI) gipfelte.
Service: "Der Campus Vienna Biocenter - Entstehung, Entwicklung und Bedeutung für den Life Sciences-Standort Wien" von Maria Wirth; Studien Verlag; 180 Seiten, 26,90 Euro; ISBN 978-3-7065-5305-6
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