Die Farben der Biotechnologie
Obwohl der Begriff „Biotechnologie“ bereits eine Verbreitung in Medien und Diskussionen gefunden hat, ist es bisweilen schwierig, dieses breite Feld zu überschauen und zu unterteilen beziehungsweise konkrete Beispiele dafür zu nennen. Hier soll der folgende Überblick eine Hilfestellung anbieten.
Biotechnologie bezeichnet laut Brockhaus ein „multidisziplinäres Wissenschaftsgebiet von der technischen Nutzbarmachung der Eigenschaften und Fähigkeiten von Lebewesen, Zellen oder deren Bestandteilen“. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) definiert Biotech als „die Anwendung von Wissenschaft und Technik auf lebendige Organismen sowie deren Teile, Produkte und Modelle, um belebte oder unbelebte Materialien für die Herstellung von Wissen, Gütern und Dienstleistungen zu verändern“. Obwohl diese Definitionen nach einem modernen Wissens- und Technologiebereich klingen, sind die zugrundeliegenden Konzepte bereits lange in Verwendung und darauf basierende Produkte allgemein gut bekannt.
Lange Geschichte
So kann beispielsweise die Herstellung von Bier, Wein, Essig oder Käse als Form von Biotechnologie betrachtet werden, da man sich der Arbeit von Mikroorganismen bedient. Die Geschichte dieser Querschnittstechnologie reicht allerdings rund 7.000 Jahre zurück, da bereits die Bewohner Mesopotamiens Getreide beiziehungsweise Getreideprodukte zur Herstellung von Bier nutzten. Die moderne Biotechnologie verwendet allerdings andere Methoden und bedient sich der Erkenntnisse verschiedener Bereiche wie Biochemie, Mikrobiologie, Zellbiologie und Verfahrenstechnik. Die verwendeten Organismen, meist Bakterien oder Pilze, können heute gentechnisch verändert sein und werden in Bioreaktoren oder Fermentern gezüchtet, die optimierte Wachstumsbedingungen sicherstellen sollen. Auch transgene (gentechnisch veränderte; Anm.) Pflanzen oder Säugetiere können als Bioreaktoren zum Einsatz kommen. Diesem Ansatz, der als „Gene-Farming“ bezeichnet wird, wird das langfristige Potenzial zu Kosteneinsparungen im Vergleich zum gängigen Zellkulturverfahren zugeschrieben.
Das Zusammenspiel verschiedener Wissenschafts- und Technikgebiete eröffnet dem Querschnittsbereich Biotechnologie ein breites Anwendungsspektrum, das sich von der Herstellung von Produkten der Lebensmittel-, Pharma- und chemischen Industrie bis zur Abwasserreinigung oder Bodensanierung erstreckt. Vor diesem Hintergrund haben sich zur besseren Unterscheidung der Teilbereiche Farbbezeichnungen eingebürgert, die eine Art „Regenbogen der Biotechnologie“ darstellen. Vergleichsweise gängige Teilgebiete sind dabei mit „Rot“, „Grün“ und „Weiß“ gekennzeichnet, während andere Farben noch um breitere Anerkennung rittern.
Rot wie Blut
In Österreich stehen die medizinischen Anwendungen unter der Bezeichnung „Rote Biotech“ im Vordergrund. Darunter fällt beispielsweise die Erzeugung und Verbesserung therapeutisch wirksamer Substanzen. Vorteile dieser „Biopharmazeutika“ sind beispielsweise geringere Herstellungskosten oder das Vorliegen derselben in reinerer Form. Blutgerinnungsfaktoren, Insulin, Antibiotika und in der Krebs- und Arthritistherapie verwendete Stoffe sind Beispiele, die sich dieser Technologie bedienen. Doch auch das Züchten von Gewebe und Zellen, die sich als Transplantate eignen (Tissue-Engineering), fällt in den Bereich der Roten Biotechnologie.
Grün wie die Wiese
Biotechnologische Anwendungen im Agrarsektor kennzeichnen die Grüne Biotechnologie, die somit Pflanzen- und Tierzucht sowie die Nahrungsmittelindustrie einschließen. Unter Einsatz von Gentechnologie werden Pflanzen widerstandsfähig gegen Schädlinge, Viren und andere Unbilden, mit dem Ziel, den Einsatz von Geld, Arbeit und Umweltressourcen zu reduzieren. Ebenfalls im Fokus von Forschern ist das Ziel, die Toleranz von Pflanzen gegenüber hohen Temperaturen, Trockenheit oder salzigen Böden zu erhöhen oder die pflanzlichen Inhaltstoffe zu verändern, um beispielsweise deren Wert als Futter- oder Nahrungsmittel zu erhöhen.
Für die Lebensmittelindustrie sind die Stoffwechselprodukte von Mikroorganismen von Bedeutung. So kann beispielweise die Produktion des Vitamins B2 durch den Schimmelpilz Ashbya gossypii (auch Eremothecium gossypii) unter Verwendung eines optimierten Umweltmilieus und veränderten Erbguts um den Faktor 20.000 gesteigert werden. Andere gentechnisch veränderte Organismen liefern unter anderem Aromen, Farbstoffe, Stabilisierungsmittel und dergleichen.
Die weiße Industrie
Die industrielle Biotechnologie, die in der Produktion Anwendung findet, hat den Namen „Weiße Biotech“ bekommen. Im Zentrum stehen Fragestellungen, die oft in andere Bereiche ragen, stellt der Einsatz von Mikroorganismen doch bisweilen eine effizientere oder nachhaltige Alternative zu bisherigen Fertigungsmethoden dar. Ein Beispiel hierfür ist die von heimischen Forschern entwickelte Methode zum Aufhellen von Jeans, die ohne den Einsatz von Bleichmitteln oder Sandstrahlen auskommt (siehe "Umweltfreundliche Methode zum Jeans-Aufhellen": http://go.apa.at/wbNBG9oR).
Blau wie das Meer
Die Idee der Nutzung von Organismen aus dem Meer gibt der Blauen Biotech ihre Farbe. Im Gegensatz zu anderen Bereichen erfolgt die Definition hier nicht über den Anwendungsbereich sondern über die Herkunft der herangezogenen Ressourcen. Im Meer lebende, sogenannte „marine“, Kleinstlebewesen sind in vielerlei Hinsicht Hoffnungsträger, lässt die Anpassung an extreme Bedingungen der Tiefsee doch entsprechende Vorteile bei deren industrieller Nutzung erwarten.
Grau für die Umwelt
Obwohl die Farbe Grau üblicherweise nicht zu Gedanken an den Erhalt der Umwelt einlädt, verleiht sie doch der Sparte der Biotechnologie ihre Farbe, die sich mit der Aufbereitung und Reinigung von Abwasser und Abgasen oder der Sanierung kontaminierter Böden beschäftigt. Besonders in Kläranlagen werden Mikroorganismen oft eingesetzt. Den verwendeten Verfahren wird häufig ein hohes technisches Niveau attestiert. Die Graue Biotechnologie weist viele Überschneidungsbereiche mit der Weißen auf, da sie beispielsweise in Fabriken Einsatz findet, um Abwasser zu vermeiden beziehungsweise zu reduzieren oder aus Abfällen Energie gewonnen wird.
Von Thomas Altmutter / APA-Science
Internet: http://www.oecd.org/sti/biotech/statisticaldefinitionofbiotechnology.htm