AIT setzt auf Biomarker zur Früherkennung von Krankheiten
Biomarker, also körpereigene Moleküle die in Körperflüssigkeiten wie Blut oder Speichel vorkommen, könnten künftig in der Früherkennung von Krebserkrankungen eine entscheidende Rolle spielen. Am Austrian Institute of Technology (AIT) ist man vielversprechenden Methoden auf der Spur, Biomarker vor allem im Speichel zu identifizieren und damit Krankheiten wie Krebs aber auch Alzheimer rascher als bisher zu diagnostizieren.
"Ein Biomarker ist ein Molekül, das im Körper in mehr oder weniger großen Konzentrationen vorhanden ist und das dem Arzt hilft, eine Diagnose zu stellen. Einer der bekanntesten Biomarker ist zum Beispiel der PSA-Wert (PSA: Prostataspezifisches Antigen; Anm.) für die Früherkennung von Prostatakarzinomen", so Martin Weber vom AIT im Gespräch mit APA-Science.
Drei Arten des Einsatzes
Weber unterscheidet drei grundsätzliche Arten des Einsatzes für Biomarker. Neben der Vorsorgeuntersuchung für die breite Bevölkerung gebe es das Therapiemonitoring und den prädiktiven und prognostischen Bereich - hier kann der Arzt mit Hilfe von Biomarkern Aussagen darüber treffen, wie schwer eine Erkrankung ist und welche Medikamente er verabreichen soll.
Ob Blut, Speichel oder Gewebeproben auf verdächtige Biomarker wie Stoffwechselprodukte, methylierte (modifizierte; Anm.) DNA oder Proteine untersucht werden, hänge immer von der klinischen Situation ab. "Bei einer Krebsdiagnose wird Gewebe entnommen und geschaut was für eine Art von Krebs das ist, das kann man mit molekularen Markern messen. Es kann aber auch Blut sein im Rahmen einer Vorsorgeuntersuchung, wo dann eventuell andere entsprechend geeignete Biomarker gemessen werden", erläutert Weber.
Fokus auf Speicheldiagnostik
"Um unsere Kernkompetenzen möglichst optimal einsetzen zu können und das Forschungsfeld insgesamt wissenschaftlich weiter voranzubringen haben wir uns vor eineinhalb Jahren auf die Speicheldiagnostik fokussiert", so Weber. Das Ziel der rund 30 Wissenschafter, die sich am AIT mit diesem Gebiet beschäftigen, ist neben dem Entdecken neuer Biomarker-Panels die Entwicklung von Schnelltests, sogenannten Point-of-Care-Systemen.
"Die diagnostische Bedeutung der Messung von Biomarkern in Speichel nimmt ganz klar zu", ist der Leiter des Bereichs "Molekulare Diagnostik" am Department Health & Environment überzeugt. "Von Industrieunternehmen neu vermarktete Produkte sowie eigens zu diesem Thema durchgeführte Marktuntersuchungen zeigen, dass das zwar ein kleines Gebiet ist, im Moment aber schneller wächst als die Blutdiagnostik."
Ganz ersetzen wird die Speicheldiagnostik die herkömmlichen Blutproben auf absehbare Zeit wohl nicht. "Wenn man im Rahmen einer normalen Vorsorgeuntersuchung zum Arzt kommt, wird er auch in zehn Jahren noch Blut abnehmen", schätzt der Experte. Die Vorteile von Speichelproben würden aber allein schon wegen der einfachen und schmerzfreien Gewinnung auf der Hand liegen. Speichelanalysen eignen sich daher etwa besonders für schulärztliche Vorsorgeuntersuchungen oder für das Therapiemonitoring nach einer Chemotherapie, wo die Venen gerade von älteren Patienten durch das wiederholte Stechen oft schon in Mitleidenschaft gezogen sind.
Auch könnten Untersuchungen, die bisher beim Arzt angesiedelt waren, künftig zu Hause durchgeführt werden. Weber denkt hier an das Monitoring chronischer Krankheiten durch das Vermessen einer Speichelprobe, ähnlich einer Situation, wie sie heutzutage bei Diabetikern über das Messen des Insulinspiegels im Blut bereits existiert.
Lungenkrebs-Früherkennung
Am weitesten ist man am AIT in der Biomarkerforschung bei der Früherkennung von Lungenkrebs. Gemeinsam mit medizinischen Partnern von der Universität Liverpool und der Medizinischen Universität Wien wurde ein Test entwickelt, der aus einem Probenkollektiv mit bis zu 95-prozentiger Sicherheit zwischen gesunden Proben und solchen mit Lungenkrebs unterscheiden kann. "Momentan bewegt sich die Qualität solcher Tests nur bei 76 Prozent", betonte Projektleiter Andreas Weinhäusel gegenüber APA-Science.
Gesucht wird dabei gezielt nach vom Tumor stammenden Erbmaterial, das sozusagen frei im Blutserum der Patienten schwimmt. "Diese DNA die vom Tumor kommt hat veränderte Methylierungsmuster. Das ist eine Modifikation der DNA und auf Basis dieser veränderten Methylierungsmuster haben wir unsere Biomarkerkandidaten definieren können", erklärte Weinhäusel.
Damit das Verfahren aber wirklich im Rahmen von Vorsorgeuntersuchungen eingesetzt werden kann, benötige man sogenannte longitudinale retrospektive oder aber prospektive Proben. Das sind Proben von Personen über einen längeren Zeitraum, die bestenfalls bereits Jahre vor einer klinischen Diagnose abgegeben wurden. Solche Probenkollektive werden derzeit noch kaum systematisch und flächendeckend gesammelt. Ausnahmen sind sogenannte Biobanken wie jene an der Medizinischen Universität Graz oder auch Blutspendedienste wie etwa das bayrische Rote Kreuz, die der Forschung Proben zur Verfügung stellen.
Derzeit befindet sich das Projekt in der Validierungsphase. Bis zur Anwendung in der Praxis werde es laut Weinhäusel noch ein paar Jahre dauern, auch weil derzeit noch ein Vermarktungspartner gesucht wird.
Von Mario Wasserfaller / APA-Science