TALIS-Studie: Österreichs Lehrer fühlen sich im Job zufrieden, aber allein gelassen
Österreichs Lehrer sind mit ihrem Job und Arbeitsplatz überdurchschnittlich zufrieden, fühlen sich allerdings im internationalen Vergleich am wenigsten unterstützt. Das zeigt die OECD-Lehrerstudie TALIS (Teaching and Learning International Survey) zu Arbeitsbedingungen von Lehrern und Direktoren der Sekundarstufe 1 (AHS-Unterstufe und Neue Mittelschule).
Für die Studie wurden rund 150.000 Lehrer der Sekundarstufe 1 in 48 Ländern bzw. Regionen befragt. In Österreich nahmen etwa 280 Direktoren und 4.300 Lehrer der AHS-Unterstufe und Neuen Mittelschule teil. Sie repräsentieren die insgesamt 53.000 Lehrer an den 1.500 Schulen dieser Schultypen. Die Studie erhob im Frühjahr 2018 mittels Online-Fragebögen, wie etwa Direktoren die Ressourcen und die Autonomie ihrer Schule einschätzen und wie Lehrer über Stressfaktoren und Arbeitsbelastung, Schulklima, Anerkennung im Beruf sowie Aus- und Fortbildung denken. TALIS wurde mittlerweile zum dritten Mal durchgeführt - 2008 war Österreich mit dabei, 2013 verzichtete man auf eine Teilnahme. Vergleichsländer sind heuer etwa England, Finnland, Frankreich, Südkorea, Japan, Australien, die USA. Von Österreichs Nachbarstaaten nahmen Tschechien, die Slowakei, Ungarn, Slowenien und Italien teil, nicht dabei waren dagegen Deutschland und die Schweiz.
96 Prozent "alles in allem" zufrieden
"Ein wirklich schöner Befund ist, dass die überwiegende Zahl der Pädagogen mit ihrer Berufswahl und ihrem Beruf sehr zufrieden sind", betonte Bildungsministerin Iris Rauskala bei der Präsentation der Studie in Wien. Der Aussage "Alles in allem bin ich mit meiner Arbeit zufrieden" stimmten 96 Prozent zu (EU-Schnitt: 90 Prozent). 93 Prozent arbeiten gerne an ihrer konkreten Schule (EU-Schnitt: 90 Prozent), nur zehn Prozent würden "gerne an eine andere Schule wechseln, wenn dies möglich wäre" (EU-Schnitt: 19 Prozent).
Die Lehrer fühlen sich allerdings in ihrer Arbeit wenig unterstützt: So kommt in Österreich ein Dienstposten für administratives Personal (z.B. Sekretariatskräfte) auf 15 Lehrer - im EU-Schnitt sind es nur sieben. Einen Dienstposten für pädagogisches Unterstützungspersonal (z.B. Psychologen, Beratungslehrer) müssen sich in Österreich im Schnitt 19 Lehrer teilen, im EU-Schnitt sind es nur acht. Das ist zwar eine deutliche Verbesserung zu 2008. Dennoch ist Österreich bei der administrativen Unterstützung "leider immer noch am schlechtesten ausgestattet im internationalen Vergleich", betonte Andrea Weilguny, Direktorin des für die Studie zuständigen Bundesinstituts für Bildungsforschung (Bifie).
Ein Lehrer kommt auf 7,4 Schüler
Umgekehrt gibt es in Österreich aber wiederum überdurchschnittlich viele Lehrer pro Schüler: Rein rechnerisch kommt ein Lehrer auf 7,4 Schüler (NMS: 7,1, AHS: 8,8), im EU-Schnitt ist ein Lehrer für 10,5 Schüler zuständig. In Österreich werden also offenbar Aufgaben, die in anderen Staaten an Unterstützungspersonal ausgelagert werden, von Lehrern übernommen werden.
Rauskala rechnete vor, dass man in Österreich bei einer fiktiven Annäherung der Lehrer-Schüler-Relation an den europäischen Schnitt ein Viertel der 44.000 Lehrer weniger brauchen würde. Es gebe also ein Potenzial von 13.000 Pädagogen, die wegen der anderen Arbeitsverteilung in Österreich die administrative und pädagogische Unterstützung nebenher machen. "Das muss zu denken geben", so Rauskala. "Ein wesentlicher Baustein" am Weg zu mehr Unterstützungspersonal wäre aus ihrer Sicht das Bildungsinvestitionsgesetz, über das der Bund sich an den Kosten von Schulsozialarbeitern und -psychologen an Pflichtschulen beteiligen soll.
Lehrer kommen mit Schülern "gut aus"
Mit ihren Schülern kommen 97 Prozent der Lehrer in Österreich nach eigenen Angaben "üblicherweise gut aus" und damit mehr als noch 2008, 40 Prozent griffen sogar zur positivsten Antwortalternative ("stimme ganz zu"; EU-Schnitt 26 Prozent). Es gibt aber auch Problem-Standorte: Fünf Prozent der Direktoren gaben an, dass an ihrer Schule körperliche Verletzungen, Vandalismus/Diebstahl, Einschüchterung/Beleidigung bzw. Mobbing "wöchentlich bzw. täglich" vorkommen (EU-Schnitt: sechs Prozent).
"Ungewöhnlich starke Fortschritte" gab es laut Weilguny beim Frauenanteil in den Direktionen, der zwischen 2008 und 2018 von 29 auf 50 Prozent gestiegen ist. Das habe auch mit dem Lehreraustausch durch die Pensionierungswelle zu tun. "Aber das Gleichbehandlungsgesetz hat hier auf jeden Fall Wirksamkeit erzielt."
Aktiv bei den Fortbildungen
Bei der Fortbildung sind die heimischen Pädagogen laut Eigenangaben relativ aktiv: 99 Prozent der Lehrer und 100 Prozent der Direktoren absolvierten demnach in den zwölf Monaten vor der Befragung zumindest eine Art von Fortbildung, vor allem über Kurse oder Seminare (92 Prozent; EU: 77 Prozent) bzw. Lesen von Fachliteratur (88 Prozent; EU: 71 Prozent). Allerdings wählen Österreichs Lehrer öfter als im internationalen Schnitt Themen, die sie persönlich interessieren statt jener, die im Sinne der Schulentwicklung am wichtigsten wären.
"Irritierend" ist für Weilguny der Befund, dass selbst junge Lehrer, in deren Ausbildung Informations- und Kommunikationstechnologien Thema waren, sich nicht für das Unterrichten in diesem Feld gerüstet fühlen. Die Pädagogenausbildung ist für Rauskala deshalb auch eine der wichtigsten Säulen im von Amtsvorgänger Heinz Faßmann (ÖVP) erarbeiteten Masterplan Digitalisierung. Dieser liege für die nächste Regierung bereits fix und fertig in der Schublade.
TALIS-Studie auf einen Blick
Im Folgenden ausgewählte Ergebnisse der Studie in Kurzform:
Alter: Im Schnitt der teilnehmenden Länder sind 34 Prozent der Lehrer über 50 Jahre alt, in Österreich sind 44 Prozent jenseits der 50. Trotzdem gibt es kaum einen Unterschied beim Durchschnittsalter (OECD: 44 Jahre, Österreich: 45 Jahre). Das liegt unter anderem daran, dass in Österreich Lehrer früher in Pension gehen.
Arbeitszeit: Die österreichischen Lehrer arbeiten etwas weniger als ihre Kollegen in den anderen EU-Staaten. Sie kommen auf eine Gesamtarbeitszeit von 46 Stunden pro Woche (EU: 47 Stunden). Demnach wenden sie 22 Stunden für das Unterrichten auf, 13 Stunden für Planungen, drei für Administration und neun für Sonstiges.
Beziehung zu Schülern: In der Regel kommen Lehrer und Schüler in Österreich gut miteinander aus. Dieser Ansicht stimmen 97 Prozent der Lehrer zu - 40 Prozent griffen sogar zur positivsten Antwortalternative ("stimme ganz zu"; EU-Schnitt: 26 Prozent). Gegenüber der letzten TALIS-Erhebung 2008 wird die Lehrer-Schüler-Beziehung sowohl in Österreich als auch international deutlich besser bewertet.
"Bullying": 15 Prozent der Direktoren gaben an, dass es an ihren Schulen zumindest wöchentlich zu "Bullying"-Vorfällen bzw. anderen verbalen Angriffen unter ihren Schülern kommt. Das liegt ziemlich genau im OECD- wie EU-Schnitt (jeweils 14 Prozent).
Fortbildung: 99 Prozent der österreichischen Lehrer und 100 Prozent der Direktoren haben in den zwölf Monaten vor der Befragung zumindest eine Art von Fortbildung absolviert. Häufigste Fortbildungsart waren Kurse oder Seminare (92 Prozent; EU: 77 Prozent), gefolgt vom Lesen von Fachliteratur (88 Prozent; EU: 71 Prozent).
Frauenanteil: Dass der Lehrberuf weiblich ist, bestätigt sich nicht nur in Österreich (70 Prozent der Lehrer sind Frauen), sondern auch international (TALIS-Schnitt: 68 Prozent). Bei den Direktoren herrscht in Österreich genau Halbe-Halbe, in der OECD beträgt der Frauenanteil der Schulleiter 47 Prozent.
IKT-Kompetenz: Nur 20 Prozent der österreichischen Lehrer fühlen sich für den Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologie in ihrem Unterricht gut oder sehr gut vorbereitet. Im OECD-Schnitt sind es immerhin 43 Prozent.
Job-Zufriedenheit: Die Zufriedenheit der österreichischen Lehrer mit ihrer Arbeit ist hoch und liegt mit 96 Prozent über dem Schnitt der teilnehmenden EU-Länder (93 Prozent). Nur zehn Prozent würden gerne an eine andere Schule wechseln (EU: 19 Prozent).
Mentoring: Die Unterstützung jüngerer Kollegen durch ältere Pädagogen ist in Österreich nicht so verbreitet wie in anderen Staaten. OECD-weit gaben 22 Prozent der Lehrer mit höchstens fünf Jahren Berufserfahrung an, einen Mentor zu haben - in Österreich ist es nur die Hälfte.
"Multikulti": 42 Prozent der Lehrer in Österreich unterrichten in Klassen, in denen mehr als zehn Prozent der Schüler nicht Deutsch als Muttersprache haben. Das ist wesentlich höher als der vergleichbare Wert im OECD-Schnitt (18 Prozent).
"Notnagel": Das trifft auf die Berufswahl österreichischer Lehrer eher nicht zu. Immerhin zwei Drittel gaben an, dass der Lehrberuf ihre erste Berufspräferenz war (OECD: 67 Prozent).
Problem-Standorte: Fünf Prozent der Direktoren gaben an, dass an ihrer Schule körperliche Verletzungen, Vandalismus/Diebstahl, Einschüchterung/Beleidigung bzw. Mobbing "wöchentlich bzw. täglich" vorkommen (EU-Schnitt: sechs Prozent).
Störende Schüler: 27 Prozent der Lehrer in Österreich gaben an, dass sie einen beträchtlichen Teil an Unterrichtszeit aufgrund störender Schüler verlieren. Das liegt etwas unter dem OECD-Schnitt (29 Prozent).
Unterstützungspersonal: In Österreich erhalten die Lehrer verhältnismäßig wenig Unterstützung: So kommt hierzulande auf 15 Lehrer ein Posten für administratives Personal (z.B. Sekretariat; EU: sieben Lehrer) und auf 19 Lehrer ein Posten für pädagogisch unterstützendes Personal (z.B. Psychologen; EU: acht Lehrer).