Hidden Champions von morgen brauchen "Kundenbrille"
In der Riege der heimischen "Hidden Champions" finden sich zwar viele traditionsreiche Unternehmen, aber auch neue potenzielle Marktnischen-Primgeiger bringen sich laufend in Stellung. Zur Unterstützung unternehmerischer Ideen gibt es mittlerweile einige Angebote, trotzdem tun sich auch Gründer aus dem universitären Umfeld oft schon auf dem Weg zum Markteinstieg schwer.
Vor allem technologisches Wissen aus dem akademischen Bereich könnte durchaus öfter in Produkt-Innovationen umgemünzt werden, heißt es nicht selten. APA-Science machte sich im Gespräch mit Experten auf die Suche danach, was Start-ups brauchen, um irgendwann zu Marktführern werden zu können. Damit aus Hochschulabsolventen und Forschern auch gute Unternehmer werden, brauche es vor allem das, was viele Hidden Champions auszeichnet - nämlich genau darüber Bescheid zu wissen, wer potenzielle Kunden sind und was sie jeweils brauchen.
"Es gibt sicher auch wirkliche Hidden Champions unter den Start-ups", gibt sich die Geschäftsführerin des Gründerzentrums INiTS, Irene Fialka, überzeugt. Ein allgemeingültiges Patentrezept dafür, wie man Wissenschafter und Forscher auf dem Weg in die Selbstständigkeit so unterstützt, dass sie später zu Martführer-Kandidaten werden, hat man an dem Gründerzentrum - einer Kooperation zwischen der Stadt Wien, der Technischen Universität (TU) und der Universität Wien - selbstverständlich nicht. Zu verschieden sind die Ideen der potenziellen Gründer, deren Persönlichkeiten, ihr Wissen über das Marktumfeld, usw. Fialka: "In Summe haben wir aber genau dadurch auch enorm viel Erfahrung angesammelt".
Der Blick durch die Kundenbrille
Junge Technologie-Start-ups aus dem universitären Bereich brauchen vor allem jemanden, "der ihnen permanent klarmacht, dass sie die 'Kundenbrille' aufsetzen müssen". Oft suche eine technische Lösung aus dem Bereich nach einer Anwendung, seltener würden potenzielle Gründer ein konkretes Problem sichten und dafür gezielt eine Lösung entwickeln, so Fialka.
Dass oft angeboten wird, wonach der Markt gar nicht verlangt, sieht auch der Unternehmensforscher Nikolaus Franke vom Institut für Entrepreneurship und Innovation der Wirtschaftsuniversität (WU) Wien. "Das ist ein ganz großes Problem, das aber weltweit existiert und nichts exklusiv Österreichisches ist."
Technik alleine reicht nicht
Ein Techniker oder Ingenieur habe natürlich einen "nach innen gerichteten Blick. Den Blick nach draußen, auf Märkte, Nachfrage, Wettbewerb, Komplementäranbieter haben sie einfach nicht gleichermaßen. Typisch ist bei technologisch geprägten Start-ups, dass auch die technologische Sichtweise dominiert, deshalb ist die Interdisziplinarität etwas unglaublich wichtiges", so Franke.
Etwa 125 unternehmerische Initiativen aus dem Umfeld oder von Absolventen der Wiener Universitäten und Fachhochschulen hat INiTS seit 2003 intensiv unterstützt, die in Summe 114 Mio. Euro an Privatkapital und 62 Mio. an öffentlichen Förderungen für die Unternehmen lukrieren konnten. Fialka spricht aus Erfahrung: "Die Vorstellung darüber, was der Kunde will, ist oft falsch. Die Angst davor, sich ein 'Nein' abzuholen ist groß, daher ist dieser Gang zum Kunden auch so schwer."
Experiment am Kunden
Das beginne schon dabei, einen potenziellen Kunden anzurufen, um herauszufinden, was er eigentlich braucht. Diese Frage müsse aber ganz am Anfang stehen. Nur so könne sichergestellt werden, dass nicht "am Markt vorbeientwickelt" wird. Wie in der Laborforschung, gelte es auch gegenüber potenziellen Kunden, Hypothesen darüber zu testen, was er eigentlich braucht. Fialka: "Dieses Experiment sind aber viele nicht gewohnt."
Gerade die Außenorientierung "zeichnet ja diese Hidden Champions im Grunde genommen aus", führt auch Franke ins Treffen. Das bestätigen auch Studien zum dem Thema: Erfolgreiche Nischenplayer sind besonders gut im Erkennen von Problemfeldern bei den Kunden und bieten daher genau dort maßgeschneiderte Lösungen an.
Mit dem "Ohr auf der Schiene"
Weiß ein akademisches Spin-off aber genau, was der Kunde will, gehe vieles andere oft relativ einfach, wie Fialka erklärt. Dann sei nämlich auch die Gefahr geringer, dass das Unternehmen entweder in der Phase der Technologieentwicklung hängen bleibt, oder dann mit einem Produkt dasteht, das nicht gekauft wird. Es brauche auch nicht immer "die Killerapplikation", manchmal seien auch einfachere Lösungen am Markt gefragter - "man braucht das 'Ohr auf der Schiene'", so Fialka.
Unternehmergeist noch unterentwickelt
Insgesamt ortet sie im gesamten deutschsprachigen Raum noch immer gewisse Defizite im gesellschaftlichen Umgang mit Kreativität und Unternehmergeist. Bereits in der Schule sei der "kreative Schüler eher der Störenfried in der Klasse". Auch im familiären Umfeld hafte Gründern nach einem Misserfolg nach wie vor das Stigma "Gescheitert" an. Mit dem Präsentieren der eigenen Stärken täten sich viele auch nach dem Durchlaufen des gesamten Bildungssystems noch schwer. "Da hinken wir einfach nach", so die Expertin.
Franke und Kollegen haben im vergangenen Jahr eine Initiative gesetzt, die im Bereich Universität ansetzt. Im Entrepreneurship-Netzwerk "eSPARK" sollen potenzielle Gründer aus verschiedenen Universitäten schon in sehr frühen Phasen, miteinander in Kontakt gebracht werden. "Wir wollen erreichen, dass sich die technologisch orientierten Studenten mit den wirtschaftlich orientieren und den kreativ, geisteswissenschaftlich orientierten Studierenden einmal treffen und kennenlernen können, damit diese 'komplementären Teams' entstehen können", so Franke. Dazu gebe es während des Studiums noch viel zu wenige Möglichkeiten.
Franke: "Wir haben hier einen extrem hohen Zulauf. Es scheint, als hätten wir da einen Nerv getroffen." Das sei auch nicht verwunderlich, denn im Studium kämen aktuell nur etwa ein Prozent der Studierenden mit dem Thema Unternehmertum in Kontakt, in der Schule seinen es vermutlich noch weniger.
Viel Potenzial an Unis
Aus welcher Richtung die zukünftigen "Frontrunner" und Hidden Champions kommen könnten, sei offen. Das akademische Umfeld biete aber in vieler Hinsicht gute Voraussetzungen. "Natürlich können Universitäten Brutstätten für innovative Start-ups sein", so Franke. Am Beispiel des Massachusetts Institute of Technology (MIT), dessen Start-ups zusammengenommen die wirtschaftliche Kraft der weltweit 24. stärksten Volkswirtschaft hätten, werde deutlich, was sich bewirken lasse, wenn das Potenzial ausgeschöpft werden kann. "Auch an den Österreichischen Universitäten gibt es unglaublich viel an Kreativität, an Entdeckungen, Entwicklungen, Erfindungen und Menschen, die sich engagieren möchten, aber noch gelingt es uns nicht so gut, diese Energie zu kanalisieren."
Von Nikolaus Täuber/APA-Science
Info: Das Gründerzentrum INiTS im Internet: http://www.inits.at; das Entrepreneurship-Netzwerk "eSPARK": http://espark.researchstudio.at.