Eins und eins macht drei: Forschung nicht auseinanderdividieren
Grundlagenforschung gilt als wichtiger denn je. Es braucht aber auch die praktische Umsetzung. "Wenn man diesen Spagat nicht schafft, dann geht die Innovation wieder ein Stück verloren", ist Gerd Hesina, Geschäftsführer des VRVis - Zentrum für Virtual Reality und Visualisierung, überzeugt. Er sieht sein Unternehmen als Brückenbauer und Übersetzer zwischen Wissenschaft und Wirtschaft.
"Es bringt nichts, wenn man eine Erfindung hat und die dann in der Schublade bleibt. Man braucht eigentlich immer beide Seiten", so Hesina. Das sei inzwischen sowohl von der Grundlagenforschung als auch der angewandten Forschung erkannt worden. "Wir vermitteln zwischen diesen beiden Welten. Damit beschäftigen wir uns im VRVis täglich." Notwendig dafür sei, nicht nur den Stand der Technik zu kennen, sondern auch bei Branchen und Märkten am Puls der Zeit zu sein - "etwas, das für Forschende üblicherweise vielleicht nicht so interessant ist".
Umgekehrt sei man in letzter Zeit mit einer überzogenen Erwartungshaltung auf Seite der Wirtschaft konfrontiert. "Manche Vorstellungen sind falsch, weil sie in dieser Form nicht funktionieren. Da muss man die Eindrücke, die aus Filmen oder Werbevideos stammen, zurechtrücken", sagte Hesina im Gespräch mit APA-Science. Ein Beispiel dafür sei Virtual Reality, "wo in einem Video etwas gezeigt wird, was so technisch einfach nicht funktioniert. Das muss man dann klar darlegen, dass das so nicht geht, und andere Wege aufzeigen".
Kein neues Bit
Beschäftigen sollte man sich auch mit der Frage, was Grundlagenforschung überhaupt sei. "Die Basis der klassischen Informationstechnologie sind Bits, da gibt es nur 0 oder 1. Ein neues Bit werde ich nicht finden, egal wieviel Grundlagenforschung ich betreibe", erklärte der VRVis-Chef. Betrachte man die Sache aber nicht auf Ebene von Bits, sondern im Hinblick auf die Disziplinen, die es innerhalb der Informatik gibt, finde sich ein weites Feld. "Dort gibt es noch ganz viel zu tun an Grundlagenforschung - und das ist nicht gleich von Anfang an für die Wirtschaft greifbar, für die Wissenschaft hingegen sehr wohl."
Von einer Publikation bis zur echten Anwendung in der Wirtschaft sei es dann oft noch ein weiter Weg. "Für die Studie macht man das vielleicht nicht mit echten Daten und nur für ein paar Testfälle. Spezialfälle und Co. bleiben dann außen vor. Da sind wir die Brückenbauer, weil wir die Bedürfnisse von beiden Seiten kennen, mit den Verfahren in den verschiedenen Disziplinen umgehen können und die Sprache der Wirtschaft gelernt haben", so Hesina.
Tüfteln versus Vorgaben
Notwendig dafür seien Mitarbeiter mit unterschiedlichen Interessenslagen und Ausbildungen. "Manche wollen Vorgaben, andere wollen tüfteln. Es muss nicht jeder alles können. Dem einen oder anderen Grundlagenforscher braucht man mit der anwendungsorientierten Forschung nicht kommen. Umgekehrt gibt es Leute, die das vor allem praktisch betrachten wollen", erklärte Hesina.
Abgänger einer Fachhochschule würden im Großen und Ganzen lieber anwendungsorientiert forschen, Universitätsabsolventen wären eher an Grundlagen interessiert. Bei den Karrierewegen sei in der Grundlagenforschung die Dissertation eine mögliche Zwischenetappe, bei der Anwendungsorientierung gehe es eher in Richtung Leitungsfunktionen. "Wenn gewechselt wird, dann eher von der Grundlagenforschung in Richtung Angewandte, wir haben aber auch schon die umgekehrte Richtung erlebt", so Hesina.
Die kürzlich geäußerte Befürchtung des Rats für Forschung und Technologieentwicklung (RFT), dass Österreich bei der Grundlagenforschung den Anschluss an die internationale Spitze verlieren könnte, teilt Hesina: "Wenn man hier mitspielen will, muss man auch die Mittel zur Verfügung haben. Das muss man sich leisten können und wollen." Ein stärkeres Engagement in diesem Bereich führe zu einer höheren Wettbewerbsfähigkeit und werte Österreich als Wirtschaftsstandort auf. "Da schließt sich der Kreis, weil über die Wirtschaft wieder Geld hereinkommt."
Von Stefan Thaler / APA-Science