Beim Spielen lernt man, ohne es zu bemerken
"Spielen ist lernen, und Kinder lernen durch Spielen", ist Barbara Sabitzer, seit 1. Oktober Professorin für Instructional Technology und Informatik-Didaktik an der School of Education der Johannes Kepler Universität Linz, überzeugt. Die zwanzig Jahre als Professorin für Fremdsprachen und Informatik und 15 Jahre in der Lehrerfortbildung tätige Kärntnerin startete ihre Uni-Karriere vor sieben Jahren an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt, wo sie die Informatik-Werkstatt aufbaute - etwas, das sie nun auch in Linz vorhat.
"Spielen - zusammengefasst unter dem Überbegriff Gamification, wobei es hier engere und breitere Definitionen gibt - ist aus dem gesamten Lernbegriff, bei Kindern wie bei älteren Schülern und auch Studierenden, nicht mehr wegzudenken", betont sie im Gespräch mit APA-Science. Prinzipiell setzt Sabitzer Spielen und Spiele im Unterricht auf zwei Arten ein. "Zum einen gibt es die unterschiedlichsten Lernspiele in alle möglichen Bereichen. Zum anderen ist das selbstständige Entwickeln von Spielen, also Game Design, ein ganz wichtiger Punkt." Und speziell in der Informatik biete es sich an, Spiele anstelle von anderen Programmieraufgaben programmieren zu lassen, was Schüler nachweislich zu besseren Leistungen ansporne.
Offener Unterricht als Standard
Sabitzer setzte in ihrer Zeit als Pädagogin an berufsbildenden höheren Schulen (BHS) auf einen "offenen Unterricht, wenn möglich fächerübergreifend, mit sehr viel Wahlfreiheit". Sie habe die Erfahrung gemacht, dass sich Schüler schon durch die Definition von banalen Übungen als Wettbewerb gut motivieren ließen. Dafür genügte ein ganz kleiner Zusatz, etwa ein in Aussicht gestellter Pluspunkt für die schnellsten Schüler mit richtiger Lösung. Manchmal habe sie von Schülern gehört, "bei Ihnen lernen wir gar nichts, wir spielen ja nur". "Ich hab es als Kompliment gesehen, dass das Lernen quasi unbemerkt passiert ist. Denn die Leistungen haben gepasst, und auch bei den Fremdsprachenwettbewerben waren es dann oft meine Schüler, die sich hervorgetan haben", erzählt sie.
Selbst im Sprachunterricht in der Maturavorbereitung gab es Platz für einen spielerischen Zugang. "Ich habe die gezeichneten Witze aus der Kronenzeitung verwendet und die Schüler kreativ sein lassen: Sie mussten sich in die Situation hineindenken und sie nachspielen oder eine ganze Geschichte daraus machen." Wenn es um Wissens- oder Wortschatzerarbeitung oder auch um Grammatik ging, ließ Sabitzer die Schüler in Zweierteams Rätsel zusammenstellen: Kreuzworträtsel oder ein Quiz á la Millionenshow, und das Ganze zumeist online. Gelöst und korrigiert wurden die Aufgaben jeweils in Teams. "Dabei haben sie vielleicht mehr gelernt als mit so manchen traditionellen Aufgabenstellungen", so die Expertin.
Im Informatikunterricht entstanden passend zum Sprachunterricht Vokabeltrainer, oder es wurden Sudokus mit Wörtern in der Fremdsprache programmiert. Letzteres lasse sich übrigens auch gut mit Standardsoftware wie etwa Excel problemlos umsetzen.
Allerdings: Vielfalt sei die Methode der Wahl, betont Sabitzer, und zuallererst müsse sich der Lehrende fragen, was er eigentlich erreichen wolle. Kleine Rätsel oder Spiele einzubauen mache den Unterricht spannender. "Das kann ein zehnminütiger Wettbewerb sein, ein kurzes Scrabble oder ein Laufdiktat. Wichtig ist, dass die Lernenden aktiv und kreativ sind", unterstreicht die Professorin. Aber ausschließlich zu spielen, das hätte vermutlich keinen positiven Einfluss mehr auf die Motivation.
Hands-on Aktivitäten
Wenn man schwierige Inhalte verständlich machen will, eignen sich laut Sabitzer besonders Hands-on-Aktivitäten - Bewegung, Angreifen, Zeichnen. Um Kindern die Abläufe in einem Computer zu veranschaulichen, griff sie im Vorläuferprojekt zur Informatik-Werkstatt in Klagenfurt etwa zum Rollenspiel: "Ein Kind war der Prozessor, eines die Festplatte, eines der Arbeitsspeicher, eines die Tastatur, und eines der Datenbus etc.", erklärt Sabitzer. Sie ist nun gerade dabei, eine Informatikwerkstatt auch in Linz aufzubauen. "Wir brechen verschiedenste Themen für Kinder ab vier Jahren herunter und bauen dabei für alle Sinne etwas ein", erläutert sie. Geplant sind - auch viele spielerische - Aktivitäten für diverse Altersgruppen, vor allem aber auch für Lehramts- und Informatikstudierende.
Ist Gamification also ein Weg, Leute zu Dingen zu motivieren, auf die sie eigentlich keine Lust haben? "Ja", schmunzelt die Pädagogin. Es gehe um die implizite Informatikvermittlung. "Erkläre ich einem Volksschullehrer, wir machen jetzt Informatik, dann wirkt das meistens abschreckend. Sage ich aber: Wir machen ein Bewegungsspiel, und es geht darum, am schnellsten von A nach B zu kommen und den richtigen Weg zu erwischen - dann ist er mit Begeisterung dabei, ohne zu merken, dass dahinter ein Algorithmus steckt."
An der School of Education wird mit verschiedensten kleinen Robotern, darunter auch den "BeeBots", gearbeitet. "Die Bienenroboter kommen, auch wenn sie vielleicht wie Kinderspielzeug wirken, überall an", freut sich Sabitzer. In der Oberstufe etwa werden sie im Italienischunterricht eingesetzt. Die Schüler haben einen riesigen Stadtplan von Rom mitsamt einer Reihe von kompetenzorientieren Aufgaben, und die 18-Jährigen müssen die Biene so programmieren, dass sie von einer Sehenswürdigkeit zur anderen fährt. "Das macht Spaß für den Sprachunterricht und vermittelt mit ein paar zusätzlichen Erklärungen schon grundlegende Kompetenzen für die Informatik", so die Forscherin.
Die Lust zu spielen sei bei Jüngeren vielleicht stärker ausgeprägt. Grundsätzlich habe aber jeder Mensch einen Spieltrieb, und den gelte es zu wecken. "Das ist halt auch eine Frage des didaktischen Geschicks. Aber man kann als Lehrer schon viel machen", ist sie überzeugt. Ob ein Schüler wettbewerbsorientierte Spiele bevorzugt oder eher zu sprachlichen Spielen wie dem Theaterspielen neigt, sei im Übrigen keine Frage des Geschlechts. Sabitzer: "Unterschiede zwischen zwei Personen desselben Geschlechts können wesentlich größer sein als zwischen den Geschlechtern."
Freiräume schaffen
Generell findet es die Didaktik-Expertin wichtig, offene Phasen im Unterricht einzubauen, in denen die Schüler die Freiheit haben, eigene Talente und Interessen einzubringen. Dies kann die Motivation steigern und dadurch auch in Fächern, die von Schülern eher als schwierig empfunden werden, zu besseren Leistungen führen. "Wer sich etwa in Mathematik schwer tut und immer wieder auf seine Defizite hingewiesen wird, wird irgendwann vielleicht demotiviert sein und Ängste aufbauen." Baue man hier im Unterricht die Entwicklung eines Spiels im Team ein - zum Beispiel mit einem guten, zwei mittleren und einem schwächeren Schüler - könne jeder seine individuellen, auch nicht-fachlichen Stärken einsetzen. "Möglicherweise ist der Schwächere besonders kreativ oder sprachlich begabt, und überlegt sich die Regeln oder formuliert sie aus", erklärt Sabitzer. Durch positives Feedback hätten auch Schwächere die Möglichkeit, Erfolgserlebnisse mit ihrem "ungeliebten" Fach zu verknüpfen, was sich wiederum positiv auf die Motivation auswirken könne.
Mathematiklehrer würden vielleicht einwenden, dass dabei ja nicht Mathematik gemacht werde. Das sei allerdings nicht ganz richtig, betont Sabitzer, da in den Teamgesprächen gute Schüler oft als Peer-Tutoren fungieren und schwierige Themen noch einmal in einer anderen, vielleicht verständlicheren Sprache erklärten.
"Dadurch, dass schwächere Schüler das Spiel mitentwickeln und einen wichtigen Beitrag beisteuern, sehen sie das Fach auch wieder anders und bauen vielleicht unbewusste Ängste, Hemmungen oder Vorbehalte ab." Und letztlich profitiert das gesamte Team laut der Expertin auch fachlich, wenn die formulierten Regeln auf ihre Tauglichkeit abgeklopft und Musterlösungen im Team erarbeitet werden.
Game Design im Unterricht - noch wenig erforscht
Game Design lasse sich in jedem Fach einsetzen. "Schüler sind kreativ. Vielleicht nicht im ersten Schritt. Aber wenn man sie bestärkt und ihnen die Freiheit lässt, sich etwas auszudenken, dann kommen sehr kreative und oft lustige Dinge heraus", so ihre Erfahrung. Aber wissenschaftlich untersucht seien die Auswirkungen von Spieleentwicklung im Unterricht der Bildungsexpertin zufolge noch zu wenig.
Inwieweit den angehenden Lehrern die Vorteile von Gamification und ihre Einsatzmöglichkeiten vermittelt werden, hänge sehr stark von den Lehrenden an den Unis oder Pädagogischen Hochschulen (PH) ab. "Wenn sie Didaktik eher aus wissenschaftlicher Perspektive sehen, werden ihre Studierenden vielleicht Theorie über Spiele hören, sie aber möglicherweise nicht anwenden und daher vergessen. Um Spielen und Spieleentwicklung in den Schulalltag zu bekommen, braucht es auch in der Lehre an Hochschulen einen praktischen Zugang. Eine Kombination aus beidem wäre wohl optimal", meint sie. Ginge es nach ihr, würde sie Spielen oder Kreativität als Unterrichtsprinzip einführen. "Klar gibt der Lehrplan bestimmte Dinge vor - aber Spiele kann ich in jedes Thema einbauen."
Von Sylvia Maier-Kubala / APA-Science