Spielend motivieren und lernen - Von Nudging bis Game-based Learning
Den Spieltrieb für andere Zwecke zu nutzen, ist grundsätzlich keine schlechte Idee. Dennoch haben auch Gamification und Game-based Learning ihre Grenzen. Wo ein Einsatz sinnvoll ist und welche Trends es in diesem Bereich gibt, haben Experten für APA-Science beleuchtet.
Die Digitalisierung führt bei Gamification – also der Anwendung von spieltypischen Elementen in einer Vielzahl nicht unbedingt spielaffiner Kontexte – und Game-based Learning, das alle Arten von spielerischem Lernen umfasst, zu einem neuen Schub. Besonders Gamification rückt verstärkt in den Fokus der Öffentlichkeit, aber auch der Unternehmen. Entsprechende Ansätze dringen "ausgehend vom Werbungs- und Unterhaltungsbereich in viele andere Bereiche des alltäglichen Lebens ein, um unter anderem damit den dahinterliegenden Ehrgeiz zu wecken", verweist Wolfgang Gruber von der Fachhochschule St. Pölten auf Lauf-Apps und Co.
Grundsätzlich sei der Einsatz von Gamification, um das Verhalten oder die Einstellung der Konsumenten oder Mitarbeiter zu ändern, nichts Verwerfliches. Es gehe darum, welcher Sektor auf welche Weise beeinflusst werde. Antikriegsspiele könnten beispielsweise dazu verwendet werden, sich dem Thema Moral anzunähern. Ebenso unproblematisch sei der Einsatz, wenn es um die spielerische Beschäftigung mit realitätsnahen oder Real World-Problemen geht.
"Schubser" in bestimmte Richtung
"Auch ein kleiner Schubser ist eine Manipulation. In manchen Bereichen wird das aber als akzeptabel gesehen, vor allem, wenn man versucht, die Leute dorthin zu schubsen, wo es gesellschaftlich erwünscht ist – also beispielsweise hin zu einem geringeren Energieverbrauch", so Jaro Krieger-Lamina vom Institut für Technikfolgen-Abschätzung (ITA) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. "Aber was gesellschaftlich erwünscht ist, ist kein stabiler Rahmen. Das ist oft nicht transparent und verändert sich. Die Frage ist auch, ob man ein so geändertes Verhalten wirklich nachhaltig geändert hat, oder ob das verpufft, wenn die Spielsituation wegfällt", erklärte Krieger-Lamina.
Auch im Unternehmensbereich komme Gamification verstärkt zum Einsatz. Schließlich seien der Spieltrieb und alles, was damit verbunden ist – etwa kompetitives Verhalten – sehr stark. "Es gibt entsetzlich langweilige Tätigkeiten, die jemand machen muss. Das den Leuten schmackhaft zu machen, indem man es spielerisch umsetzt, kann sehr erfolgreich sein", ist Krieger-Lamina überzeugt. Die Frage sei aber immer, was ist die Motivation dahinter? "Wenn es darum geht, die Bezahlung an Highscore-Listenplätze zu koppeln oder eine andere Form der Leistungsmessung einzuführen, um das allerletzte aus den Menschen rauszubekommen, dann frage ich mich, ob das wirklich zielführend und nachhaltig im Sinn der Gesundheit der Arbeitskräfte ist", so Krieger-Lamina im Gespräch mit APA-Science.
"Alle Ansätze, gamifiziert oder nicht, sollten ethischen Regeln entsprechen. Ich glaube, wir machen uns als Mitglieder einer digitalisierten Gesellschaft viel zu wenig Gedanken über unsere Handlungen", meint auch Maja Pivec von der FH Joanneum. Am nachhaltigsten seien jedenfalls Mechaniken, die auf der intrinsischen Motivation basieren, also wenn Teilnehmer das Gefühl bekommen, ein Teil von einen großen übergeordneten Ziel zu sein und zu einem großen gemeinsamen Ziel beizutragen (siehe: "Gamification: Neue Feder auf altem Hut").
Im Unternehmensbereich werde mit Gamification beispielsweise versucht, die jüngeren Generationen verstärkt mit vertrauten Medien zu erreichen. In vielen anderen Branchen habe sich der Ansatz ebenfalls bewährt, etwa bei der anonymisierten Datensammlung für die Forschung im Kampf gegen Demenz.
Game-based Learning als "Cashcow"
Auch beim Game-based Learning gibt es neue Trends, "wenngleich das Schlagwort vom "spielend lernen" ja nichts Neues ist. Jetzt wird es halt im Zuge der Digitalisierung anders verpackt – etwa in Computerspiele", so Krieger-Lamina. Und auch Gruber verweist darauf, dass es spielerisches Lernen in Form erster Planspiele auf Basis von Modifikationen des Schachspiels schon Mitte des 17. Jahrhunderts gegeben hat. Mittlerweile sei aber gerade von der Privatwirtschaft der Bereich des Game-based Learning als "Cashcow" entdeckt worden. "Einerseits weil Trainingsangebote nach diesem Prinzip gestaltet werden können und andererseits natürlich auch Bildungsangebote und technische Ressourcen, Plattformen und Spiele an Bildungsinstitutionen verkauft werden können", erläuterte Gruber.
Zwar würden bei den Käufern von Game-based Learning-Produkten derzeit individuelle Konsumenten noch vor Elementarschulen und in weiterer Folge Unternehmen liegen. Das größte Wachstum gebe es aber im Unternehmensbereich, verwies der Experte auf aktuelle Studien. Zögerlicher sei demgegenüber der Bildungssektor, wo Game-based Learning-Ansätze in vielen Fällen noch immer ein Nischendasein fristen würden. Zu berücksichtigen sei auch der erhebliche Aufwand in der Neuentwicklung. Daher werde in allen Bereichen darauf geachtet, ob sich dieser Ressourceneinsatz tatsächlich auch lohnt.
Implementierung als Problem
Game-based Learning scheitere zudem oft an der fehlenden beziehungsweise nicht weit genug gedachten Implementierungsstrategie, so Gruber. Zum Teil würden Produkte entwickelt, die zwar in der Theorie gut klingen. Tatsächlich gebe es dann aber gewisse Einstiegshürden bei der konkreten Anwendung, die ohne ein "an die Hand nehmen" der tatsächlich umsetzenden Personen dazu führen, dass das Produkt nicht eingesetzt wird.
Dass mit dem Vormarsch von Virtual und Augmented Reality das ganze Leben mittelfristig zum Spiel wird, glauben die Experten nicht. "Es wird wichtiger werden, besonders in bestimmten Sektoren des wirtschaftlichen und sozialen Lebens. Dennoch, es sind beide Bereiche nach wie vor auf bestimmte Segmente im Dienstleistungsbereich beschränkt", sagte Gruber. Und auch für Krieger-Lamina steht nicht fest, "ob es da einen Durchbruch gibt oder das Thema wie die rot-grüne 3D-Brillle für den Fernseher nach ein paar Jahren wieder von der Bildfläche verschwindet".
Von Stefan Thaler / APA-Science