Musikensembles - Forscher auf der Suche nach der Synchronizität
Musikensembles bringen es zu Wege, Tonfolgen bis auf wenige Millisekunden synchron zu spielen. Den Mechanismen, die eine derart erstaunliche kognitive und künstlerische Leistung ermöglichen, ist ein Wiener Forschungsteam auf Grundlage von Analysen der Spielweise von Musikern auf der Spur. Mit einem Computermodell wollen sie testen, wie sich Menschen an veränderte Bedingungen anpassen. Bei dem Ansatz handelt es sich - im Gegensatz zu künstlerischer Forschung - um eine Analyse einer künstlerischen Tätigkeit mit technisch-naturwissenschaftlichen Methoden.
"Ich war selbst immer fasziniert vom Musikmachen gemeinsam mit Menschen", erklärte Projektleiter Werner Goebl vom Institut für Wiener Klangstil der Universität für Musik und Darstellende Kunst Wien (mdw) im Gespräch mit APA-Science. Tatsächlich sei das Solo-Musizieren eine Ausnahme, global gesehen dominiere hier das Gemeinsame bei weitem, so der Musikforscher, der auch einen Abschluss in Klavierkammermusik hat.
Variabel, aber gleichzeitig
Bei musikalischen Ausdrucksstudien haben die Wissenschafter festgestellt, "dass Tempo und Lautstärkeentwicklung ganz stark variieren. Wenn mehrere Menschen zusammen spielen, haben sie auch diese starken Variationen - das machen sie aber alles unisono", so Goebl. Es gehe also nicht nur um die Synchronisation der Bewegungen, sondern auch des Ausdrucks auf extrem hohem Niveau. Die Frage sei nun, wie Menschen das schaffen und wie sie diese Fähigkeiten erlernen.
Um das zu analysieren, machen die Forscher sehr genaue akustische Aufnahmen von Ensembles. Die Mikrofonierung ist so gestaltet, dass jedes einzelne Instrument ohne jegliche Überlagerung mit den anderen abgenommen werden kann. "Dann versuchen wir auch noch Körperbewegungen aufzuzeichnen", erklärte Goebl. Mit Hilfe von Computerwissenschaftern soll es möglich werden die Kopfposition und die Orientierung der Köpfe aus den Aufnahmen der vier über den Musikern positionierten Bewegungskameras zu extrahieren.
Auf der Suche nach den Bestandteilen
Interessant sei vor allem, wie sich die Fähigkeiten zum Zusammenspiel mit zunehmendem musikalischen Können verbessern. "Da wissen wir noch gar nicht so genau, was eigentlich die Bestandteile der Synchronisation sind", so der Forscher. Wenn zwei Menschen beispielsweise einen einfachen Takt klopfen und einer diesen leicht verändert, dann reagiert der andere darauf, in dem er sein Verhalten an die neuen Begebenheiten anpasst. Wie dieser simple Vorgang ablaufen könnte, sei Inhalt einer gut etablierten Theorie, "aber damit erklärt man die musikalische Synchronisation noch gar nicht".
Hier komme etwa dazu, dass Musiker im Vorhinein komplexe Vorstellungen von ihrem Tun entwickeln, was wiederum das Spiel auf mannigfaltige Weise beeinflusst und leitet. Dazu kommen auch noch Fragen, wie Musiker ihre Aufmerksamkeit auf das eigene Tun und das der anderen verteilen. Goebl: "Da ist natürlich die Frage, wie das funktioniert, wenn man zum Beispiel zu viert oder in größeren Ensembles spielt."
Mit dem Computer spielen
Alle Daten, die im Rahmen des am Österreichischen Forschungsinstitut für Artificial Intelligence (OFAI) in Wien durchgeführten Projekt gesammelt werden, fließen momentan ebenda in ein Computermodell ein, das die Spielarten des menschlichen Musizierens nachstellen kann. "Der Computer übernimmt dann einen Part und der Mensch den anderen", so der Forscher, der selbst sechs Jahre am OFAI tätig war.
Da das Modell auf Knopfdruck sein Spiel verändern kann, eröffnet sich für die Wissenschafter die Möglichkeit, sozusagen durchzutesten, wie sich Menschen einerseits anpassen und andererseits welchen Einfluss die im Vorhinein gefassten Vorstellungen auf die Synchronisation haben. "Wir können quasi an diesen Parameterschrauben drehen und sehen dann, wie gut sich die Menschen mit dem Computermodell verbinden und wie sie sich dabei fühlen", erklärt Goebl. In dem seit einem Jahr laufenden vom Wissenschaftsfonds FWF geförderten Projekt habe man nun die technischen Grundlagen für das System geschaffen.