Studiengang will Kunst und Forschung auf Augenhöhe verbinden
Mit dem Anspruch, Verbindungen zwischen Kunst und Wissenschaft auf gleicher Ebene herzustellen, bietet die Universität für Angewandte Kunst in Wien den Studiengang "Art & Science" an. Dabei involvieren sich Studenten mit meist künstlerischem Hintergrund in die Arbeit an Forschungslabors, was Einblicke in die jeweils andere Gedankenwelt eröffne, so Studiengangsleiter Virgil Widrich zu APA-Science.
Die Idee, einen Studienschwerpunkt im Spannungsfeld zwischen "Kunst und Wissenschaft" zu etablieren, sei an der Angewandten schon vor geraumer Zeit entstanden. Zur Umsetzung kam es dann 2009. "Das Feld ist natürlich sehr spannend, denn es tut sich gesellschaftspolitisch sehr viel im Bereich der Wissenschaft. Viele gesellschaftlich sehr relevante Fragen werden heute ja nicht nur von der Kunst, sondern auch von der Wissenschaft gestellt", erklärt Widrich.
Bereiche wachsen thematisch zusammen
Durch den technischen Fortschritt in der Forschung wurden Themen wie Genmanipulation, pränatale Diagnostik oder künstliche Befruchtung aus dem Bereich der Science-Fiction in den Alltag geholt. Zudem stellen sich mittlerweile Fragen dazu, ob Zellen eigentlich altern müssen - ob also das Altern an sich unvermeidlich ist. Ein weiterer Berührungspunkt liege darin, "dass sich auch die Kunst mittlerweile wissenschaftlicher Methoden und Recherchewerkzeuge bedient", so der Film- und Medienkünstler und Regisseur. Daher sei es für die Angewandte fast notwendig gewesen, hier neben den künstlerischen Studien ein Angebot zu schaffen.
Anfangs orientierte man sich stark in Richtung Visualisierung von Wissenschaft mit künstlerisch-technologischen Mitteln. "Es hat sich aber gezeigt, dass das zu Missverständnissen führt, weil das oft von Wissenschaftern so gelesen wurde, dass hier wissenschaftliche Arbeiten oder Fragestellungen visualisiert werden", erklärt Widrich. Der Anspruch sei aber gewesen, die Künstler bereits an anderer Stelle zu involvieren und nicht erst wenn es darum ging, Bilder und Grafiken zu einer fertigen Forschungsarbeit beizusteuern. "Wir wollen ja hier auf Augenhöhe mit der Wissenschaft sein. Wir wollen auch Dinge hinterfragen und einladen, Dinge auch anders zu sehen", so der Studienleiter.
"Risiken und Nebenwirkungen"
Beim Aufeinandertreffen von Kunst und Wissenschaft gebe es auch "Risiken und Nebenwirkungen". Die Kunst müsse aufpassen, dass sie sich keinen wissenschaftlichen Anspruch auferlege, den sie nicht erfüllen kann. "Wir sind einfach Dilettanten, die da plötzlich beispielsweise in ein medizinisches Umfeld eindringen", so Widrich. Dort arbeiten Menschen mit jahrelanger Facherfahrung, die Künstler nicht haben. Dessen müsse man sich als Kunstschaffender bewusst sein.
Auf der anderen Seite gebe es auch teilweise berechtigte Vorbehalte vonseiten der Wissenschafter. Für diese sei es oft schwer einzuschätzen, was die Künstler eigentlich tun und was etwa mit den entstandenen Bildern passiert. Zusätzlich gebe es in der Forschungsarbeit auch Datenschutzrichtlinien oder publikationsstrategische Geheimnisse, die es zu berücksichtigen gelte, erklärt Widrich.
Willkommener Austausch
Die Erfahrung zeige aber, dass beide Seiten aneinander durchwegs sehr interessiert sind. Künstler schätzen hier vor allem den Austausch mit Menschen "die über ein unglaubliches Fachwissen verfügen" und die mannigfaltigen Möglichkeiten, die sich etwa durch wissenschaftliche Geräte ergeben. Forscher wiederum gewinnen durch den Austausch laut Widrich "vollkommen andere Sichtweisen darauf, wie man Probleme schildert, wie man etwas darstellt, und wie man etwas erzählt. Oft sind es auch die Wissenschafter selbst, die beforscht werden."
Im Rahmen des Studiengangs gehen die zu etwa zwei Drittel aus künstlerischen Fachrichtungen und zu etwa einem Drittel aus dem naturwissenschaftlichen Bereich kommenden Studenten direkt in Labors. Bereits nach kurzer Zeit würden sich eventuelle Ressentiments auflösen und für beide Seiten lohnende Kooperationen entstehen, wie die Erfahrung zeige. Dieser Austausch führe oft auch zu Diskussionen über große gesellschaftliche Themen. Widrich: "Das ist eigentlich genau das, was wir wollen."
Aufgrund des großen Interesses aus dem nicht deutschsprachigen Ausland ist die Unterrichtssprache mittlerweile Englisch. "Wir waren das erste Studium an der Angewandten, in dem die Amtssprache Englisch ist", freut sich der Filmkünstler. Es unterhalten sich also Studenten mit künstlerischem und wissenschaftlichem Hintergrund mit Forschern im jeweils dazugehörigen Werte- und Sprachmodus in einer Sprache, die meist nicht ihre Muttersprache ist, wodurch wiederum sehr interessante Situationen entstünden.
Jenseits der Schubladen
Die "Schubladendiskussionen" darüber, was Kunst, was Wissenschaft und was künstlerische Forschung ist, interessieren hier weniger. Widrich: "Wir sind ja keine Kunsttheoretiker und die Wissenschafter auch keine Wissenschaftstheoretiker." Man wolle auch gezielt nicht die Gegensätze zwischen Künstler und Forscher hervorheben, so der Anspruch. Das Ziel - nämlich "die Wahrheit zu finden" - sei in beiden Bereichen das gleiche und auch die Methoden der Wahrheitssuche seien dabei nicht so unähnlich. Große Unterschiede bestünden allerdings im Handwerk und im Umgang mit Subjektivität und Objektivität.
Als Filmkünstler sei Widrich selbst naturgemäß stark an Auseinandersetzungen mit Technologie und Naturwissenschaften interessiert gewesen. Momentan arbeitet der renommierte Filmemacher unter anderem an einem Film, der im Mikrokosmos spielt. "Die Art, wie ich ihn machen werde, wurde durchaus beeinflusst von dem, was ich hier an der Angewandten und im Umgang mit Studenten und wissenschaftlichen Partnern kennengelernt habe. Das möchte ich künstlerisch auf keinen Fall missen."
Service: Der Studiengang im Internet: http://www.dieangewandte.at/artscience/.