Fehlende Planbarkeit und Wertschätzung
Die Soziologin Nina-Sophie Fritsch beschäftigt sich mit Karriereverläufen von Frauen an der Universität. Sie hat die Gründe für einen selbst gewählten Ausstieg aus dem Wissenschaftsleben untersucht.
Wer trotz vorhandener Stelle der Universität den Rücken kehrt, macht das nicht aufgrund der Arbeit. "Zur wissenschaftlichen Tätigkeit an sich gab es sehr großen Zuspruch. Aber die Rahmenbedingungen waren letztlich ausschlaggebend für den Ausstieg", führt Nina-Sophie Fritsch aus. Die Soziologin, die derzeit ihre Dissertation zu diesem Thema an der Universität Wien abschließt, hat für ihre qualitative Untersuchung insgesamt 22 Interviews geführt, ausgewertet und zum Teil bereits Publikationen dazu veröffentlicht. "Ich habe sowohl Frauen interviewt, die aus der Wissenschaft ausgestiegen sind, als auch Frauen in Managementpositionen, sprich Vizerektorinnen oder Rektorinnen", erklärt Fritsch.
Dabei sei es gar nicht vorrangig um die Bezahlung gegangen - als deutlich belastender wurden Befristungen, mangelnde Beschäftigungsmöglichkeiten und die generell kurzfristige Planbarkeit bewertet. Der Druck, Drittmittel einzuwerben, steige. "Oft muss man sich seine Post-Doc-Stelle selber aufstellen, selber Projektanträge schreiben." Dabei sei die Bewilligungsrate gering - und ob man im kommenden Semester oder Jahr noch eine Stelle habe, entscheide sich kurzfristig.
Geografische Mobilität gefordert
Hinzu komme der Imperativ der Internationalität. "Es ist eigentlich schon ein Must-have, einen bestimmten Berufsabschnitt - wir sprechen hier von drei bis sechs Jahren, also die Prae-Doc- oder Post-Doc-Phase - im Ausland zu verbringen." Vor allem auch in den höheren Positionen werde geografische Mobilität vorausgesetzt. "Man muss bereit sein, alle fünf Jahre in ein anderes Land umzuziehen", so die Soziologin. Das betreffe zwar beide Geschlechter - doch zusätzliche Schwierigkeiten ergeben sich vor allem für Frauen in der Familiengründungsphase und in Zusammenhang mit Betreuungspflichten.
Die Interviewpartnerinnen, die sich für einen Ausstieg entschieden haben, waren zu dem Schluss gekommen, dass ihr in einer langen, intensiven Ausbildung erworbenes Wissen und Können in anderen Bereichen am Arbeitsmarkt deutlich mehr geschätzt werde.
Habilitationsmodell oder Tenure-Track
Vom Tenure-Track-Modell (Anm.: gestuftes Karrieresystem), das eine Planbarkeit universitärer Karrieren ermöglichen soll, ist Fritsch nur halb überzeugt. "Ich glaube, wir sind hier an einer Schnittstelle, wo viele unterschiedliche Prozesse laufen, die nur schwer miteinander zu verbinden sind", meint sie. Einerseits gehe es um Internationalisierung, werde verstärkt auf Peer Review Journals, auf die Zahl der Publikationen und Drittmitteleinwerbung gesetzt. "Diese internationalen Maßstäbe sind auch gut und richtig, wurden aber bisher so nicht gelebt. Man will sich am Besten orientieren, aber da gibt es noch Lücken in der Basis", so ihre Überzeugung.
Ob Tenure-Track oder Habilitation, grundsätzlich gebe es viel zu wenige Stellen, konstatiert sie. Die Besten würden ausgesiebt. "Wir konkurrieren in den Sozialwissenschaften mit den Engländern, Amerikanern, Holländern, die allein durch ihre Muttersprache bzw. ihre Englischkenntnisse Vorteile haben." Wenn auch bei einer Tenure-Track-Stelle irgendwann eine "Entfristung" anstehe - regelmäßige Evaluierungen und Qualitätsanforderungen gelte es trotzdem auch für arrivierte Wissenschafter zu bestehen. "Hier herrscht Konkurrenzdruck bis ins hohe Berufsalter hinein", so Fritsch, die den Anreiz zur permanenten Weiterentwicklung grundsätzlich aber nicht gering schätzen möchte.
Die Höhe der einzuwerbenden Mittel würde letztlich auch bestimmen, in welche Richtung sich die heimische Forschung bewege. Da Grundlagenforschung immer weniger finanziert werde, gehe der Trend zu angewandter Forschung. Die Wahl der Forschungsthemen spielt laut Fritsch auch bei der Karriereplanung eine Rolle: "Wer vier Jahre lang an einem exotischen Thema forscht, wird sich mit der Frage konfrontiert sehen, ob sich das rentiert - ob man danach überhaupt weitere Mittel einwerben kann. Der ökonomische Gedanke spielt da auch immer stärker hinein."
Und selbst?
Zwiespältig sieht Fritsch ihre eigene Karriere an der Uni. "Einerseits ist die wissenschaftliche Arbeit genau meins. Aber ich weiß auch, dass ich in den kommenden zwei Jahren aufgrund der Kettenvertragsregelung (Anm.: einem befristeten Arbeitsverhältnis darf nur in Ausnahmefällen und maximal acht Jahre lang wieder ein befristetes folgen) von der Uni Wien, zumindest für einen gewissen Zeitraum, weg muss." Dass bei ihrer Rückkehr dann zufällig gerade eine passende Stelle frei sei, sei unrealistisch, meint sie. "Deshalb versuche ich schon, die Augen offenzuhalten und mir nebenbei ein Standbein aufzubauen, wo ich inhaltlich an meinem Thema weiterarbeiten kann", erklärt die Forscherin.
Von Sylvia Maier-Kubala / APA-Science