Austro-Forscher in den USA: "Österreich ist der Wilde Westen"
"Es ist momentan ein bisschen wie der Wilde Westen", sagte der aus Wiener Neustadt stammende Computerwissenschafter Franz Franchetti von der Carnegie Mellon University (CMU) in Pittsburgh. Gemeint sind damit aber nicht die USA, sondern die Neuausrichtung der Rahmenbedingungen für Forscher an österreichischen Unis. Wie sie zu solchen Einschätzungen kommen, erklärten Austro-Forscher im Gespräch mit APA-Science.
Wäre Franchetti in Österreich geblieben, hätte er nach dem Doktorat vermutlich nicht im universitären Bereich angedockt. "Mein Originalplan war, danach zu einer großen Firma zu gehen, weil Unis in Österreich damals komplett uninteressant waren", sagte der Forschungsprofessor an der renommierten CMU, der seit Herbst 2014 auch Präsident der Vereinigung österreichischer Wissenschafter in Nordamerika "ASCINA" (Austrian Scientists and Scholars in North America) ist.
Um in der neurologisch-klinischen Forschung entscheidend weiterzukommen, wäre es auch für ASCINA-Sprecher Dietrich Haubenberger "schwierig gewesen, nur in Österreich die richtigen Schritte zu setzen". Der Neurologe hat viel Einblick in beide Wissenschaftssysteme, ist er doch nach mehrjähriger klinischer Forschungstätigkeit an den US-National Institutes of Health (NIH) ans Wiener AKH zurückgekehrt und seit 2014 wieder am NIH in Bethesda (Maryland) tätig.
Regionalliga statt Champions League?
Bei ihm sei der Sprung in die USA aber weniger eine Frage der Rahmenbedingungen gewesen. Österreich sei in Haubenbergers Forschungsfeld einfach kein absolutes Zentrum. "Es ist aber vollkommen klar, dass wir nicht in jedem Subforschungsgebiet Spitze sein können", schränkte der Forscher ein.
Wenn es ein solches Zentrum in einem kleinen Land nicht gibt, könnten das selbst die besten Bedingungen nicht kompensieren. Zudem brächte regionale Beschränkung - sei es physisch oder im Kopf - mit Sicherheit Nachteile für eine wissenschaftliche Karriere. "Dann wird man halt in der Regionalliga spielen und nicht in der Champions League", zeigte sich Haubenberger überzeugt.
Agierende USA...
Abseits der karrieretechnischen Rahmenbedingungen, die die Systeme bieten, hätten die USA einen entscheidenden Vorteil: Dort wehe nämlich ein anderer Forschungsgeist. Innovation sei "zutiefst drinnen" in der sich ständig neu definierenden Gesellschaft. Der Anspruch sei schlicht: "Weltführer zu sein, in allem. Und das wirkt sich natürlich auf die Forschung aus." Dort wolle man beispielsweise "Krebs heilen, fast schon kompromisslos".
In vielen Bereichen sei auch die Rolle der staatlichen Finanzierung nicht zu unterschätzen: Entscheiden die USA etwas erreichen zu wollen, fließe mitunter viel Geld, wie einst etwa in das "Human Genome Project". Jetzt ist eines dieser großen Themen die Hirnforschung, "und in dieser Welle bin ich auch hierher gekommen", so Haubenberger.
...reagierendes Österreich
Die Gedanken würden in den USA immer nach vorne gehen, während man in Österreich eher auf der "reagierenden Seite" stehe. Klar sei, dass in Nordamerika alles sehr schnelllebig sein kann. Während das österreichische System, so man sich da erfolgreich "durchdient", ab einem gewissen Punkt Sicherheit biete - was natürlich auch seinen Reiz habe. Diesen Punkt gebe es in den USA eher nicht, "das wird aber hier auch nicht negativ gesehen". Die Flexibilität biete nämlich auch Chancen, sich in neue Felder zu bewegen - auch jenseits der 50. Trotzdem würden sich auch die meisten US-Forscher nach einer unbefristeten Stelle sehnen.
Zu wenige Optionen für Jungforscher
Was eine Karriere in Österreich insgesamt entscheidend erschwere, sei, dass der Zugang zu Forschungsförderung über die wissenschaftlichen Lebensphasen nicht gleich verteilt ist, so Haubenberger. Mit 35 sollte man als Jungforscher international schon auf eigenen Beinen stehen und ein wenig in die Mentorrolle für Jüngere schlüpfen. "Da ist man in Österreich aber gerade mit dem Facharzt fertig. Wir sind hier also zehn Jahre zu spät", findet Haubenberger.
Es brauche insgesamt mehr Investitionen in junge Leute. Wenn sich die Ausschüttungen der relativ kleinen heimischen Fördertöpfe stark auf etablierte Forscher konzentrieren, "kommen die Jungen insgesamt zu kurz". Ob der vielen fixen Stellen im (Uni-)System, gebe es wenig Spielraum in den Budgets und der verbleibende Raum wird von wenigen Spitzenleuten bespielt. Die Jungen wandern dann dorthin ab, wo sie bessere Bedingungen finden. Die Leute dann wieder zurück zu bringen, sei nicht so einfach.
Im "Wilden Westen"
Auch Franchetti sieht weniger Risiko bei einer Rückkehr in die oberen Sphären der wissenschaftlichen Karriereleiter. Speziell in den vergangenen zehn oder 15 Jahren habe sich in Österreich jedoch sehr viel getan. Er habe den Eindruck, dass die maßgeblichen Institutionen die Kritik vernommen haben und jetzt einiges unternehmen, um Dinge zu verbessern. "Es dauert halt lange, bis sich herausstellt, ob man es richtig macht."
Ob die Forschungs-Rahmenbedingungen und Karrieremöglichkeiten tatsächlich konkurrenzfähiger im Vergleich zu den USA werden, sei noch nicht klar. Der Faktor "Lebensqualität" sei in Österreich jedenfalls hoch, die "Arbeitsqualität" hole auf. Das gelte für den universitären und für den außeruniversitären Bereich. Trotzdem sei noch viel im Fluss und unübersichtlich - ein wenig "Wilder Westen" eben.
Anpassungsschwierigkeiten im heimischen System
Oft seien es persönliche und weniger "Karrieregründe", die Forscher wieder nach Österreich zurückbringen, so die Beobachtung von Haubenberger. Manchen falle es dann aber schwer, sich wieder "einzupassen". War man lange im Ausland, fehle oft einfach die Zeit im heimischen System und die sei schwer aufzuholen. Die heimischen Unis seien darüber hinaus auch "noch nicht ganz offen, transparent und international mobil, wenn es um Laufbahnstellen geht". Viele Unis würden sich zwar bemühen, dem entgegen zu arbeiten, doch dieser Prozess dürfte noch länger brauchen, erklärte der Wissenschafter.
Von Kollegen, die den Schritt zurück gemacht haben, bereue das seines Wissens keiner, erklärte Franchetti. Alle hätten diesen Weg aber auch mit dem Wissen angetreten, "dass es dann anders sein wird".
Unis in Krems können Brain-Drain nicht stoppen
Dass man selbst Teil eines Brain-Drains von Österreich in die USA ist, sei vielen Austro-Forschern in den USA bewusst. Um aber diesen Effekt teilweise umzukehren, müsse Österreich seine Rolle im europäischen Forschungsverband klarer definieren und Rahmenbedingungen schaffen, um vielversprechenden Leuten in verschiedenen Karriere-Phasen gute Angebote zu machen, so Haubenberger. Ob das gelingt, indem man "auch in Krems Universitäten baut", sei allerdings fraglich.
Von Nikolaus Täuber / APA-Science