"Vom Kommen und Gehen in der Wissenschaft"
Der wohl kritischste Moment in der jungen Karriere eines jeden Forschers (w/m/x) ist die Phase, die unmittelbar auf die Promotion folgt. Gerade bei PostDOCs ist ein signifikanter "Brain Drain" festzustellen. Mobilität und Fluktuation des wissenschaftlichen Personals in der PostDOC Phase stellen dringende Voraussetzungen für Spitzenforschung dar, doch aktuell liegt in Österreich kein Gleichgewicht zwischen den sehr vielen AbgängerInnen und nur wenigen RückkehrerInnen vor.
Österreichische Forschung nimmt in einigen Bereichen bereits einen Platz an der Weltspitze ein (z.B. Molekularbiologie, Quantenforschung, Archäologie ...) - Nachwuchsförderung ist das entscheidende Mittel, um wissenschaftliche Exzellenz nachhaltig zu halten, neu zu schaffen sowie innovative Themengebiete zu erschließen. Doch ein großes Angebot an hervorragenden jungen Wissenschaftlern (w/m/x) auf dem internationalen Markt steht einer kleinen Zahl an Dauerstellen an den heimischen Universitäten und Forschungseinrichtungen gegenüber.
Hier sollen die Chancen an außeruniversitären Institutionen in den Blick genommen werden, denn ein neues Konzept der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) gibt in seiner Papierform Anlass zu Hoffnung. Bislang war es an der ÖAW v.a. möglich, befristete Anstellungen über Drittmittelprojekte zu bekommen - als Mitarbeiter oder auch als Projektleiter mittels beispielsweise START-Preis oder ERC-Grant. Das neue Karrieremodell für wissenschaftliche MitarbeiterInnen der ÖAW bietet nun schon nach dem PostDOC durch das Tenure Track Modell der JuniorgruppenleiterInnen Aussichten auf längerfristige Beschäftigungen. Besonders für KandidatInnen, die hochrangige Grants einwerben, soll dies eine Anerkennung und bessere Aussicht darstellen.
Problematisch erscheint allerdings die reale Umsetzung dieses Modells - die Anzahl solcher Laufbahnstellen wird durch die Zielvereinbarungen der jeweiligen ÖAW-Institute festgelegt und die Stellen verfügen über keine fixe Standard-Ausstattung. Leistungsorientierte Mittelvergabe ist selbstverständlich nachvollziehbar, doch benötigt Spitzenforschung von Beginn an die nötigen Ressourcen. Die nächste Stufe im ÖAW Modell, die bei positiver Evaluierung nach 5 Jahren den Übergang in ein unbefristetes Anstellungsverhältnis in der Position eines/r GruppenleitersIn, Senior Research Associates oder Senior Staff Scientists bedeutet, ist zum einen sehr positiv, lässt zum anderen aber auch Wünsche offen: mit einer (Universitäts-)Professur gleichgesetzt, verfügt beispielsweise der Gruppenleiter über keinen Titel und kann erneut nicht mit einer gesicherten Grundausstattung rechnen.
Ein angemessenes Maß an Startup-Finanzierung bei einer Berufung auf jeder Ebene des Tenure Track Modells kann für vielversprechende KandidatInnen den entscheidenden Unterschied machen - gewinnt man doch damit maßgeblich an Selbstständigkeit und Möglichkeiten, die eigenen Forschungen weiter auszubauen. Dies müsste schon auf dem Niveau der JuniorgruppenleiterInnen berücksichtigt werden und würde die Forschungsaktivität der Betreffenden deutlich steigern.
Wenn all das, was im Laufbahnmodell der ÖAW vorgesehen ist, in der Zukunft real umgesetzt wird, dann sind es wichtige erste Schritte zur Einschränkung des derzeitigen Brain Drains und ein neuer Anreiz für hochqualifizierte RückkehrerInnen. Um einen realen Brain Gain in Österreich zu erreichen, benötigt diese Neustrukturierung aber noch zwei Ergänzungen - eine höhere Wertschätzung und bessere Ausstattung des wissenschaftlichen Nachwuchses.
Ein neuer Umgang mit den wissenschaftlichen ZukunftsträgerInnen in Österreich könnte einiges bewegen. Bei aller gewünschten Mobilität in der PostDOC Phase sollte früh mit den ForscherInnen über ihre Karriere gesprochen werden - schon bevor z.B. ein/e MitarbeiterIn nach dem Doktorat oder 2-Jahren-PostDOC Österreich verlässt, müssten ihre/seine Wünsche geklärt und mögliche Strategien diskutiert werden. Eine deutlich formulierte Wertschätzung und die offene Kommunikation von gegebenen Einschränkungen könnten mit Sicherheit dazu beitragen, dass weniger der hervorragend begabten ForscherInnen in der PostDOC Phase Österreich verlassen und dann schlicht mangels Perspektiven auch im Ausland bleiben.
Für die Steigerung der Attraktivität einer außeruniversitären Karriere und damit auch der Qualität der Bewerber ist eine Aufstockung der für die Laufbahnstellen vorgesehenen Mittel nötig. Zum einen ginge es darum, dass bereits auf der Stufe der JuniorgruppenleiterInnen eine angemessene Ausstattung (inklusive Personal) gewährleistet ist, besonders aber in der nächsten Stufe der entfristeten GruppenleiterInnen. Zum anderen müssten Institutionen in der Lage sein, rasch vielversprechende KandidatInnen zu halten (Rufabwehr) oder proaktiv anzuwerben - dies wäre durch die Bereitstellung eines Kontingents an Laufbahnstellen auf beiden Karrierestufen, welche nicht bereits in den Zielvereinbarungen genannt sind und keinen Instituten fix zugeordnet sind, realisierbar. Spitzenforschung erfordert neben langfristiger und ausreichender Finanzierung eben auch Flexibilität.