Umfrage: Forschen als Lebenseinstellung
"Ja, ich würde mich sofort wieder für diesen Beruf entscheiden" - so lautet der Tenor unter den Teilnehmern einer kleinen Umfrage von APA-Science unter Forscherinnen und Forschern. Wir fragten nach, was den Ausschlag für die Berufswahl gegeben hat, welche Vor- und Nachteile der Job birgt, wie die Rahmenbedingungen in Österreich empfunden werden und welchen Stellenwert Auslandsaufenthalte haben.
Maja Pivec, Lehrende am Bachelor-Studiengang "Informationsdesign" und am Master-Studiengang "Communication, Media and Interaction Design" der Fachhochschule Joanneum
Mein Forschungsgebiet - in letzter Konsequenz die Frage, wie wir neue Technologien und Neue Medien einsetzen könnten, um einen Wandel der Gesellschaft und der Welt voranzutreiben - fasziniert mich so stark, dass ich es jederzeit wieder wählen würde. Als Vorteil meines Berufs sehe ich den großen Freiraum, sich Problemstellungen zu widmen und kreative Lösungen zu erforschen - auch wenn die Ergebnisse dann manchmal nicht so sind wie erwartet. Als Belastung empfinde ich die administrative Arbeit, die mit der Lukrierung von Fördergeldern verknüpft ist. Wer in die Forschung gehen möchte, sollte seinem Herzen und seinen Ideen folgen: Gerade weil es kein Nine-to-five-Job ist, braucht es Leidenschaft. Es gibt Karriereförderprogramme für junge Forscherinnen und Forscher und auch nationale Förderprogramme, die einen guten Infrastrukturaufbau ermöglichen und damit auch Entwicklung in der Spitzenforschung. Trotzdem ist es für das Standing immer wichtig, sich für die Drittmittel auch international zu bewerben. Es ist wichtig, in internationalen Teams zu arbeiten, sich zu vernetzen, interkulturelle Arbeitsbedingungen kennenzulernen und Erfahrungen zu sammeln. Ich selber komme aus Maribor in Slowenien.
Martin Wagner, Professor für molekulare Lebensmittelmikrobiologie, Leiter des Instituts für Milchhygiene an der Veterinärmedizinischen Universität Wien
Die Entscheidung, Forscher zu werden, fiel nicht an einer einzigen Weggabel, sondern war ein jahrelanger Prozess. Es ist ein ungeheures Privileg, in großer persönlicher Freiheit eigenen intellektuellen Fährten nachzustöbern und dafür bezahlt zu werden. Ein Nachteil ist sicher, dass man permanent hochtourig unterwegs sein muss. Den Jungen rate ich, sich den besten verfügbaren Mentor zu suchen. Jedes noch so kleine Fach hat seinen Meister, und nur der sollte es sein. Die heimischen Rahmenbedingungen werden professioneller. Ich habe mit österreichischen Forschungsförderern - die gegen die Unterdotierung der Etats scheinbar wenig ausrichten können - nur positive Erfahrungen gemacht. Angebliche Topbedingungen in anderen Ländern gelten dort auch meist nur für einzelne Institutionen. Am Anfang zählt der Funke und dann erst das Feuerholz, um zu brennen! Ich habe mich bewusst gegen die USA entschieden und absolvierte Forschungsaufenthalte an der Universität Würzburg und über ein Schrödinger-Stipendium an der Complutense Universität in Madrid. Es war die richtige Entscheidung - das Netzwerk, das ich damals geknüpft habe, hält bis heute.
Heide Spiegel, Projektleiterin in der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES), fachlich verantwortlich für Langzeitfeldversuche zu Düngung und Bodenbearbeitung
Der Boden hat mich immer schon fasziniert. Aber eine Karriere in der Forschung habe ich nicht geplant, ich bin mit den Projekten hineingewachsen. Ein Nine-to-five-Bürojob war nie eine Option für mich. Projektarbeit ermöglichte mir, Forschung und Familie - ich habe drei mittlerweile erwachsene Kinder - unter einen Hut zu bringen und beruflich am Ball zu bleiben. Sie endet aber auch nicht um 17 Uhr - wissenschaftlich arbeiten und forschen ist eine Lebenseinstellung. Rückblickend war es wichtig, sich durch Rückschläge, wie etwa eine abgelehnte Publikation, nicht entmutigen zu lassen. Soziales Netzwerken und das Knüpfen von Kontakten sind Voraussetzung, um auch internationale Projekte durchführen zu können. Was das Umfeld in der Agrarforschung betrifft, so ist es ungemein schwieriger geworden. In EU-weiten Ausschreibungen ist es für ein kleines Land ohne breites Konsortium überhaupt schwer, an Förderungen teilzuhaben. Ich hätte gerne im angelsächsischen Raum wissenschaftlich gearbeitet, aber mit Familie und Kindern ist das nicht einfach. Dafür arbeite ich heute mit vielen namhaften internationalen Einrichtungen zusammen. Unsere Boden-Expertinnen und -Experten sind aktuell in gleich drei "Horizon 2020"-Forschungsprojekten involviert, da kommt man auch herum.
Thomas Blaschke, stv. Leiter Fachbereich Geoinformatik Z_GIS an der Universität Salzburg sowie Leiter des Research Studio iSPACE
Das Wichtigste ist wohl die Begeisterung für das gewählte Studium, erst später kommen Überlegungen zur Karriere. Spätestens im Masterstudium ist es ratsam, sich "Soft Skills" im Umfeld des wissenschaftlichen Arbeitens und der Ergebnispräsentation anzueignen. Umfangreiche Auslandserfahrung habe ich insbesondere in Deutschland, den USA und in Großbritannien gesammelt. Der größte Pluspunkt am Forscher-Sein ist die inhaltliche Freiheit trotz hoher Anforderungen. Allerdings wird die Summe der Arbeitszeit im Laufe der Jahre zum Problem für Familie und Gesundheit. Eigentlich besser als ihr Ruf sind die heimischen Rahmenbedingungen, finde ich. Universitäten und Grundlagenforschung sind zwar klar unterfinanziert. Aber die Arbeitsbedingungen sind meiner Ansicht nach oft sogar besser als an amerikanischen Universitäten - wenn man das Glück hat, einen Arbeitsvertrag zu bekommen. Das Problem ist also eher quantitativ: Wie viele hoch qualifizierte Personen schaffen es, dauerhaft einen Vertrag zu bekommen?
Tobias Gawron-Deutsch, Experte für Informations- und Kommunikationstechnologien im Bereich Smart Grids bei Siemens Corporate Technology
Ich wollte schon in der Schule den Dingen auf den Grund gehen. Meine Vorbilder waren meine Großeltern, mein Vater, Daniel Düsentrieb und später Albert Einstein. Ich kann mit meiner Arbeit die Zukunft mitgestalten und einen Beitrag für die Gesellschaft leisten. Kopfzerbrechen bereitet mir, dass man in der Forschung im Vorhinein nicht weiß, was herauskommen wird. Gleichzeitig ist das ein Vorteil: Ich habe die Freiheit, Ideen weiterzuspinnen. Bei Siemens gibt es zudem eine starke Kooperation mit der Produktentwicklung, dadurch bleibe ich geerdet. Ganz besonders reizt mich die hier gebotene Möglichkeit, mit vielen Bereichen zusammenzuarbeiten. Ich rate jedem, der Wissenschafter werden will: "Go for it!" Aus Erfahrung weiß ich auch, dass Noten nichts über den Forschergeist aussagen. Nicht entmutigen lassen sollte man sich außerdem von der Vorstellung, dass andere klüger seien oder eine Idee schon bearbeitet wurde. Schade finde ich, dass wir hervorragende junge Leute ausbilden, die aber kaum Perspektiven haben. In meinem Bekanntenkreis sind einige hoch qualifizierte und international renommierte Forscher, die keine entsprechende Stelle finden oder sich beruflich im Ausland neu orientiert haben. Ich war während des Studiums im Ausland. In den letzten Jahren standen meine Promotion, der Wechsel zu Siemens und die Familiengründung im Vordergrund. Falls es sich aber ergibt, würde ich die Chance zu einem weiteren Auslandsaufenthalt auf jeden Fall nutzen.
Jasmin Isabelle Pielorz, Scientist und Projektmanagerin am Austrian Institute of Technology (AIT), Forschungsbereich: Crisis and Disaster Management bzw. Environmental Monitoring
Ich hatte schon als Kind starkes Interesse an naturwissenschaftlichen Themen und wollte generell Zusammenhänge verstehen. Studiert habe ich Physik, meine Dissertation war über Astrophysik. Ein großer Vorteil meines Berufs ist die Möglichkeit, kreativ zu sein und eigene Ideen gemeinsam mit Kollegen und Projektpartnern umzusetzen. Belastend ist, dass man als Forscher oft nur befristete Stellen hat und sich Familie und Beruf schwer vereinbaren lassen. Deshalb rate ich insbesondere jungen Menschen, ins Ausland zu gehen und Erfahrungen zu sammeln. Gut finde ich die hervorragenden Universitäten und Forschungseinrichtungen in Österreich. Für Forscherinnen und Forscher gibt es zahlreiche Finanzierungsmöglichkeiten - aber manchmal würde ich mir etwas mehr Transparenz bei der Entscheidungsfindung und weniger Bürokratie wünschen. Für meine Forscherkarriere waren Auslandsaufenthalte immer wichtig: Als gebürtige Deutsche war ich nach meinem Studium in Bonn für ein Jahr an der Universität Uppsala in Schweden und bin jetzt in Österreich. Wenn es sich beruflich ergibt, hätte ich nichts dagegen, in noch einem anderen Land für einige Zeit zu leben und zu arbeiten.