"Notwendige Förderung oder unzulässige Privilegierung?"
Die österreichische Verfassung bekennt sich einerseits zur Gleichheit aller und gibt andererseits den klaren Auftrag zur Förderung bestimmter Gruppen von Menschen, die historisch bedingt Nachteile erlitten haben bzw. diese in einer an Durchschnittsannahmen strukturierten Gesellschaft faktisch immer noch erleiden. Das ist kein Widerspruch, sondern Ausdruck eines in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts entwickelten, international anerkannten Gleichheitskonzepts.
Die Anordnung "Alle sind gleich" und die Annahme "Allen stehen alle Chancen offen" drücken zwar eine nichtdiskriminierende Grundeinstellung aus, haben sich jedoch als ungeeignet zur Verwirklichung der Gleichheitsidee erwiesen. In unserer gesellschaftlichen Realität machen tatsächliche Barrieren (Stichwort: Behinderung), stereotype Vorurteile (Stichwort: Geschlecht) und historisch gewachsene Schieflagen (Stichwort: Bildungszugang) bereits die Ausgangspositionen unterschiedlich.
Die österreichische Bundesverfassung hatte zwar bereits 1920 "Vorrechte der Geburt, des Geschlechtes, des Standes, der Klasse und des Bekenntnisses" ausgeschlossen, dennoch blieben Gesetze in Kraft, die eine diskriminierende Ungleichbehandlung von Frauen und Männern normierten. Der Reformstau dauerte in manchen Bereichen immerhin bis in die 1990er-Jahre an.
Ein materiell-rechtliches Gleichheitsverständnis, welches Förderung als notwendige Maßnahme zur Erreichung von tatsächlicher Gleichstellung mitumfasst, sorgt im Gegensatz zur bloßen formellen Gleichbehandlung für die Durchsetzung struktureller Gleichheit. Dennoch werden Förderungsmaßnahmen von vielen abgelehnt, teilweise als überflüssig oder gar unzulässig abgetan. Begriffe wie Quotenfrau oder Quotenmann werden in manchen Zusammenhängen zum Schimpfwort.
Die menschliche Psyche gibt sich gerne unbeeinflusst, neutral und objektiv. Mit ähnlichen Begriffen würden wir wahrscheinlich auch Gerechtigkeit und Wissenschaft umschreiben. Wie passen hier Förderung und vermeintliche Bevorzugung ins System? Wir selbst fördern im Umgang mit unseren Mitmenschen unentwegt - und zwar primär uns Ähnliches und Genehmes bzw. entsprechend wahrgenommene Personen. Niemand würde sich das als grobe Ungerechtigkeit eingestehen. Rechtliche Regelungen, die diese Gewohnheiten als unfair entlarven, werden dann gerne als Privilegierung des Anderen und Ungewohnten eingestuft. Die Durchsetzung struktureller Gleichheit ist im gesamtgesellschaftlichen Interesse geboten, denn nur so kann echte Chancengleichheit und die Ausschöpfung aller Potenziale erreicht werden. Und individuelle Gerechtigkeit wird auch bei der Anwendung materieller Gleichheitsprinzipien durch Sachlichkeitsgebote sowie die zwingende Individualbeurteilung jedes Einzelfalles gesichert. Förderungsmaßnahmen haben den vorübergehenden Ausgleich von strukturellen Nachteilen zum Ziel, sie sind juristisch sachlich geboten und kein Privileg, damit also gerecht.
Rechtsgrundlagen zur aktiven Frauenförderung gibt es seit der Ratifikation der Frauenrechtekonvention der Vereinten Nationen in Österreich im Jahr 1982. Ihre Bestimmungen stehen teilweise im Verfassungsrang. Konkrete Vorgaben finden sich - ebenfalls teils im Rang von Verfassungsnormen - seit 1993 sowohl im Universitätsorganisationsgesetz als auch im Bundesgleichbehandlungsgesetz (für alle Angehörigen des Bundesdienstes). Und seit 1998 bestätigt auch das Bundesverfassungsgesetz selbst nochmals die Zulässigkeit von "Maßnahmen zur Förderung der faktischen Gleichstellung von Frauen und Männern" und gebietet allen Gebietskörperschaften die Durchsetzung der tatsächlichen Gleichstellung in allen Bereichen. Alle genannten Normen gewähren betroffenen Einzelpersonen zwar keinen individuellen Rechtsschutz, also keinen Anspruch auf unmittelbare Durchsetzung dieser Grundsätze. Die Durchsetzung und Kontrolle von gesetzlichen Förderungsgeboten obliegt jedoch besonderen Einrichtungen und Gremien.
Frauenförderung ist eine zentrale Aufgabe der Universitäten und gehört auch zum Aufgabenbereich der Arbeitskreise für Gleichbehandlungsfragen. Diese erhielten jüngst eine Aufwertung ihrer Förderungs- und Kontrollfunktion und werden zukünftig auch bezüglich der Umsetzung der Gleichstellung anderer benachteiligter Gruppen agieren. Die neuen Gleichstellungspläne sollen weiters Maßnahmen hinsichtlich sozialer Chancengleichheit, Vereinbarkeit und Integration umsetzen. Die Idee der Diversität und Offenheit der hohen Schulen erhält damit einen neuen Impuls.
Dass der Frauenanteil von 30 Prozent bzw. 23 Prozent in Spitzenpositionen der universitären Forschung, also bei Habilitationen und Professuren, noch immer weit unter jenem der männlichen Forschenden liegt, offenbart die Hartnäckigkeit der androzentristischen Strukturen der Universitäten und die Beständigkeit fachspezifischer Gewohnheiten. Studien- und Berufswahl laufen bedauerlich oft geschlechtsstereotyp ab; Anerkennung, Prestige und Ressourcenzuteilung folgen diesem Muster. Diese vermeintliche Erfolglosigkeit nach fast 25 Jahren der universitären Frauenförderung zeigt jedoch klar ihre strikte Qualitätsgebundenheit und widerlegt Ansichten, wonach gesetzliche Fördergebote Gleichmacherei und eine Nivellierung nach unten mit sich bringen würden. Die Debatten um die Vergleichbarkeit von Qualifikationen und somit eine mögliche Anwendbarkeit von Förderungsgeboten offenbaren in den Gremien auch die größten Widerstände gegen diese Rechtsinstrumente. Ähnliche Schwierigkeiten werden auch in der Umsetzung der Gleichstellungspläne auftauchen; hier gilt es kontinuierlich weiterzuarbeiten.
Was die Repräsentativsysteme an den Universitäten sowie die Leitungsebene betrifft, hat die Anwendung gesetzlich vorgeschriebener Quoten mittlerweile zu einer Gleichbeteiligung der Geschlechter geführt. Diese zwingenden Quoten im Sinn der Förderung des unterrepräsentierten Geschlechts wurden vom Verfassungsgerichtshof als sachlich gerechtfertigt bestätigt. Der universitäre Bereich ist damit jener, in dem neben der qualifikationsabhängigen Erwerbsquote (im Forschungsbereich) auch eine politische Quote (in den Gremien und Rektoraten) Wirkung gezeigt hat und funktioniert.
Der österreichische Gesetzgeber geht nun anderenorts einen Schritt weiter und normiert für die Privatwirtschaft ab 2018 eine Geschlechterquote für die Besetzung von Aufsichtsräten. Demnach sollen mindestens 30 Prozent Frauen bzw. mindestens 30 Prozent Männer im Aufsichtsgremium börsennotierter bzw. großer Gesellschaften vertreten sein. Dies bedeutet zwar noch keine Gleichbeteiligung der Geschlechter, stellt aber einen ersten Schritt in diese Richtung dar. Wahlen oder Entsendungen entgegen dieser Vorgabe sind nichtig. Überdies werden bei Aktiengesellschaften bereits aktuell Diversitätsgrundsätze eingemahnt, indem in den Aufsichtsräten nicht nur hinsichtlich Geschlecht, sondern auch Altersstruktur und Internationalität eine entsprechende Repräsentanz verwirklicht werden muss. Bei Unternehmen mit Bundesbeteiligung (von mindestens 50 Prozent) gibt es die Selbstbindung hinsichtlich der Förderung der Gleichstellung von Frauen und Männern seit 2011. Mehr als die Hälfte der Aufsichtsgremien erreicht derzeit einen Frauenanteil von 35 Prozent; bis Ende 2018 muss diese Quote von allen staatsnahen Betrieben erfüllt sein.
Fazit: Frauenförderung ist immer noch geboten, Quoten sind wirksam und offensichtlich notwendig, und beides führt - wie die Universitäten zeigen - nicht zu Qualitätsverlust, sondern zu neuen Perspektiven.