Frauen in außeruniversitärer Forschung im Kommen
Der Frauenanteil in der außeruniversitären naturwissenschaftlich-technischen Forschung steigt langsam, aber stetig. Zurückzuführen ist das auf die überdurchschnittlich hohe Zahl an neu eingestellten Forscherinnen. Wo der Fördergeber strikt auf die Einhaltung von Gleichstellung achtet, zeigt dies nachhaltige Wirkung. Bezahlt machen sich auch ein Umdenken im Recruiting und Bewusstseinsbildung unter Führungskräften.
Wie die Gleichstellungserhebung 2016 belegt, machte das weibliche wissenschaftliche Personal in den untersuchten Forschungseinrichtungen 2015 rund 27 Prozent aus. Zwei Jahre zuvor waren es noch 25 Prozent. Generell lasse sich ein positiver, wenn auch nicht sehr dynamischer Trend bei der Beschäftigung von Forscherinnen erkennen, erklären Florian Holzinger und Silvia Hafellner vom Institut für Wirtschafts- und Innovationsforschung der Joanneum Research, das die Erhebung durchgeführt hat, gegenüber APA-Science. Auch seien große Unterschiede zwischen einzelnen Einrichtungen zu beobachten. "Positiv stechen die COMET-Zentren hervor, wo es sehr viele junge Frauen hinzieht", so Hafellner. Hier seien die Fördergeber (BMWFW und BMVIT) stark dahinter, dass nicht nur wissenschaftliche Exzellenz, sondern auch Gleichstellung forciert werde. Das reiche von der Formulierung von Ausschreibungen bis hin zu Monitoring und Berichten mit nachvollziehbaren Zahlen, und bewirke einen deutlich höheren Verpflichtungsgrad. Fest steht für die Studienautoren aber auch: Werden Genderkriterien nicht kontrolliert, sind sie zahnlos.
Für den Bericht, der im Auftrag des BMVIT durchgeführt wurde, wurden Beschäftigte im Austrian Institute of Technology (AIT), den Christian Doppler Labors und Josef Ressel Zentren (CDG), COMET-Zentren (K1- und K2-Zentren, ohne K-Projekte), Mitglieder der Austrian Cooperative Research (ACR), Joanneum Research (JR), Laura Bassi Centres of Expertise (LBC), dem NanoTechCenter Weiz (NTCW) und Salzburg Research (SR) befragt.
Jungforscher sind weiblich, Chefs älter und männlich
Junge Forscherinnen finden sich quer durch alle Institutionen: Rund 38 Prozent aller in außeruniversitären Einrichtungen neu eingestellten Wissenschafter waren 2015 weiblich (2013: 39 Prozent). Das liegt deutlich über dem durchschnittlichen Frauenanteil von 27 Prozent und weist laut den Autoren darauf hin, dass bei Rekrutierungen zunehmend auf ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis geachtet werde.
Die größte Gruppe an Forscherinnen bilden die 26- bis 35-Jährigen. Die über 46-Jährigen machen nur 18 Prozent aus. Doch generell ist der Frauenanteil in allen Altersgruppen gestiegen. "Das lässt darauf schließen, dass Frauen auch längerfristig gehalten werden", so Holzinger. Allerdings sind Frauen überdurchschnittlich häufig in niedrigen Funktionsebenen tätig und in Führungspositionen weiterhin unterrepräsentiert. Eine Ausnahme bilden die Laura Bassi Centres of Expertise, die explizit von Frauen geleitet werden (siehe Gastkommentar von Ruth Breu).
Trend zur Teilzeit: Karrierefalle oder neue Arbeitskultur?
Während Teilzeitarbeit in der ersten Gleichstellungserhebung 2004 noch eher unüblich war, ist sie mittlerweile zu einer weitverbreiteten Beschäftigungsform in der außeruniversitären Forschung geworden. Bereits mehr als 50 Prozent der Frauen, aber auch ein Drittel der Männer, arbeitet Teilzeit. Dieser Anteil ist deutlich höher als in Gesamtösterreich und betrifft vor allem junge Forscher und Forscherinnen bei der Neuanstellung - weil sie etwa ihre Dissertation schreiben.
Geschlechtsspezifische Unterschiede treten später auf: Während Männer Teilzeit als Einstieg ins System wählen und ab dem Alter von etwa 30 Jahren kontinuierlich Stunden erhöhen und die längste Zeit bis zur Pensionierung Vollzeit arbeiten, reduzieren Frauen zwischen 30 und 35 Jahren ihre Wochenarbeitszeit auf ca. 32 Stunden. Erst sehr, sehr viel später (wenn die Kinder aus dem Haus sind) kehren sie zur Vollzeit zurück. Vereinbarkeit betrifft - trotz vieler Bemühungen auch in einzelnen Institutionen - nach wie vor vor allem Frauen.
Während die Tätigkeit als Teilzeit-Forscher wohl möglich ist - "sonst gäbe es diese Zahlen nicht" -, bleibe abzuwarten, wie sich der Trend karrieretechnisch auswirke, etwa auf die Übernahme von Projektleitungen. "Wir haben im Rahmen der Erhebung gesehen, dass inzwischen auch Führungspositionen in Teilzeit möglich sind", erläutert Hafellner. Allerdings könne man davon ausgehen, dass diese Stellen durch Überstunden in Wahrheit Vollzeitstellen entsprechen. Und ob der Trend zur (vereinbarkeits-bedingten) Teilzeit auch auf Männer übertragbar sei, werde sich zeigen.
Denn nur zehn Prozent der Befragten gaben an, keine Überstunden zu machen. Das Arbeiten außerhalb der Arbeitszeit - sehr häufig atypisch, sprich am Wochenende oder nachts - wird auf allen hierarchischen Ebenen als absolute Notwendigkeit betrachtet. Der Druck, am Ball zu bleiben, Networking zu betreiben oder - im Fall von Neueinsteigern - den "State of the Art" besser kennenzulernen, ist groß (siehe "Kann nur ein Mann? Wie man Vorurteilen das Wasser abgräbt"). Die größte Arbeitsbelastung gaben (männliche) Führungskräfte an.
Unternehmen: Förderkriterien können Umdenken bewirken
Wollte man den Frauenanteil in der heimischen Forschung wirklich heben, müsste man im Unternehmenssektor ansetzen, in dem 70 Prozent der F&E-Aktivitäten stattfinden. Hier stagniert der Frauenanteil seit Jahren bei 15,7 Prozent (siehe "Industrie hinkt bei Forscherinnen-Anteil noch weit hinterher"). Das wäre der größte Hebel, "allerdings ist der Zugriff ganz schwer", gibt Holzinger zu bedenken. Die Entwicklung steuern ließe sich nur mit gesetzlichen Regelungen oder durch eine stärker an Genderkriterien orientierte Vergabe von Forschungsförderungsgeldern, wie der Zahl an Projektleiterinnen. "Über F&E-Förderungen wird ein Großteil der Unternehmen erreicht, das wäre schon eine signifikante Größe", meint Holzinger.
AIT: Umdenken bei der Rekrutierung
Im Vergleich zu 2013 rückläufig und mit 19 Prozent (2015) unterdurchschnittlich gering (laut Gleichstellungserhebung 2016) ist der Prozentsatz an Forscherinnen am Austrian Institute of Technology (AIT). Bei Projektleiterinnen bewegt man sich laut AIT in derselben Größenordnung. "Den größten Zuwachs gibt es bei jungen Kolleginnen, hier ist klar eine Alterspyramide zu beobachten", erklärt Elvira Welzig, die am AIT den Bereich Strategic HR and Science Networks verantwortet. Auch wenn prozentuelle Zielvorgaben fehlten - man lege großes Augenmerk auf die Erhöhung des Frauenanteils sowie des Anteils an Projektleiterinnen und Senior Positions.
Um dies zu erreichen, komme der Rekrutierung eine Schlüsselposition zu. "Hier muss man ganz gezielt arbeiten", betont Welzig. So habe man bereits vieles komplett umgestellt, formuliere etwa Ausschreibungen anders. Denn geschlechtsspezifische Unterschiede und unterschiedlich ausgeprägtes Selbstbewusstsein würden letztlich dazu führen, dass sich weniger Frauen um Stellen bewerben, für die sie bestens qualifiziert wären, meint auch Gender-Expertin Brigitte Ratzer von der Technischen Universität Wien dazu. Auf Ausschreibungen, die die "eierlegende Wollmilchsau mit zwanzig Jahren Berufserfahrung um wenig Geld" suchen, würden Frauen in der Regel nicht reagieren, während sich Männer bereits mit 60 Prozent der verlangten Fähigkeiten gute Chancen ausrechneten. "Man kann also mit der Formulierung bereits vorselektieren, indem man Leute, die nicht gerne bluffen, von einer Bewerbung ausschließt", so Ratzer.
Am AIT überdenke man mittlerweile auch die bei Ausschreibungen eingesetzten Fotos. Welche Bildsprache sendet ein Stellenangebot aus? "Welche Rolle hat die Frau auf dem Foto? Wird ihr etwas erklärt oder erklärt sie?", schildert Welzig die Überlegungen.
Führungskräfte laufend sensibilisieren
Sehr viel Bedeutung kommt der HR-Expertin zufolge zudem der konsequenten Bewusstseinsbildung bei Führungskräften zu, unter anderem durch verpflichtende Gender-Trainings. "Man muss dranbleiben und ihnen klarmachen, dass beispielsweise ein Dreiervorschlag ohne Frau nicht akzeptabel ist", erklärt sie. Auch gibt es eine "Gender Taskforce", die sich um Qualitätssicherung kümmert und etwa Schulungen im Feedback-Geben abhält. Dabei werde darauf hingewiesen, wie unterschiedlich Kritik oder Lob aufgenommen würden. Die Genderbeauftragte der Einrichtung, Sandra Schneider, eine Maschinenbauerin, sei mit einem klaren Aufgabenkonzept betraut und treibe die diesbezüglichen Aktivitäten, wie stärkeres Frauennetzwerken im Haus und generell ein Sichtbarmachen nach außen, konsequent voran.
Für das Arbeitsklima förderlich hält Welzig Open Labs und Open Offices. "Viererbüros mit einer Frau wirken isolierend", so ihre Erfahrung. Steigen Frauen aus der Forschung aus, wenn sie Mütter werden? Nein, meint Welzig. "Die Leute kommen zurück. Allerdings wechseln manche von der unmittelbaren Forschung in die Verwaltung und steigen etwa auf Research Funding um", sagt sie und verweist auch auf ihren eigenen Hintergrund als Technische Chemikerin. Das zeige wohl einfach die vielfältigen Interessen und Facetten von Frauen und eine Freude an der Veränderung und Managementtätigkeiten auf.
Kehren Unter-30-jährige Forscherinnen und Forscher der Institution den Rücken, gibt es aus ihrer Sicht übrigens keine geschlechtsspezifischen Unterschiede. Welzig: "Sie gehen, weil sie jung sind und nach drei Jahren etwas anderes sehen wollen. Punkt."
Von Sylvia Maier-Kubala / APA-Science