"Chancengleichheit geht uns alle an"
Es gibt sehr viele ausgezeichnete und erfolgreiche Forscherinnen in Österreich. Doch trotz aller bisherigen Bemühungen sind Frauen in Wissenschaft und Forschung nach wie vor unterrepräsentiert. Was es braucht ist mehr Awareness, ein breiteres Problembewusstsein und mutigere Initiativen. Dafür darf man auch ein wenig weg vom reinen Frauenthema, denn Chancengleichheit geht uns alle an.
Der Frauenanteil in Forschung und Entwicklung ist in Österreich noch immer nicht so hoch wie er sein sollte, das gilt auch für das Forschungsnetzwerk ACR. Die letzte Erhebung des Joanneum Research aus 2016 zeigt für die außeruniversitäre naturwissenschaftlich-technische Forschung einen Frauenanteil von 27 Prozent. Im Vergleich dazu ist die ACR ganz gut aufgestellt, so sind 38 Prozent der Beschäftigten, 29 Prozent der Forschenden und 27 Prozent der Führungskräfte in den ACR-Instituten Frauen. Das ist aber noch lange nicht genug.
Als wirtschaftsnahes Forschungsnetzwerk ist es uns ein Anliegen, den Frauenanteil in unseren Instituten weiter zu heben, dafür setzen wir unter anderem auf Vorbilder und mehr Awareness für Frauenkarrieren in der Forschung. Mit dem ACR Woman Award haben wir 2010 eine Auszeichnung ins Leben gerufen, die nicht nur exzellente Arbeit anerkennt, sondern auch Möglichkeiten abseits der klassischen Berufe aufzeigt. In der Forschung und Entwicklung gibt es unzählige Berufsbilder, die in der breiten Öffentlichkeit kaum bekannt sind und mit welchen vor allem Mädchen kaum in Berührung kommen. Ein junger Mensch orientiert sich aber sehr stark an seinem Umfeld - einen Beruf, den er nicht kennt, wird er nicht ergreifen.
Doch es braucht mehr als das. Innerhalb des ACR-Netzwerks organisieren wir regelmäßig Arbeitsgruppen zu Genderthemen, um das Bewusstsein in den Instituten für Gender Equality und Gender Mainstreaming zu erhöhen und Überzeugungsarbeit zu leisten. Ganz wichtig ist es zu definieren, was überhaupt mit diesen Begriffen gemeint ist, um sicherzugehen, dass man nicht aneinander vorbeiredet. Es gibt auch Fälle, wo man auf Ablehnung stößt, nur weil ein Begriff negativ behaftet ist, siehe Feminismus. An diesem Punkt arbeiten wir gerade. In den nächsten Monaten erarbeiten wir einen gemeinsamen Leitfaden, der die Begriffe erklären und in unseren Kontext stellen soll. Zudem wird es konkrete Empfehlungen geben, welche Maßnahmen sich bereits als hilfreich erwiesen haben, um für Mitarbeiterinnen attraktiver zu werden. Wie Joanneum Research in der Gleichstellungserhebung 2016 ebenfalls erfasst hat, ist eine solche Maßnahme zum Beispiel die Etablierung von verschiedenen Arbeitszeitmodellen - auch für Führungspositionen -, um so die Vereinbarkeit von Job und Familie zu verbessern. Wir wollen unseren Instituten Möglichkeiten aufzeigen und auch den Austausch untereinander fördern, denn es gibt innerhalb unserer Institute viele Maßnahmen und Initiativen, von denen man gegenseitig lernen kann. So gibt es vielerorts GGenderbeauftragte und Teilzeit-Führungskräfte, ein Institut hat wiederum ein transparentes Lohnmodell eingeführt, wo jeder weiß, wer wie viel verdient und warum - das ist in Österreich schon etwas Besonderes.
Weg vom reinen Frauenthema
Um aber wirklich voranzukommen, müssen wir abrücken vom reinen Frauenthema. Zur tatsächlichen Chancengleichheit zwischen Frauen und Männern ist es noch ein langer Weg, aber den kann man nur gemeinsam beschreiten. Wenn jede Diskussion zu Gender-Themen - und da braucht man nur einen Blick in die Internetforen zu entsprechenden Zeitungsartikeln zu werfen - in erbitterten Grabenkämpfen endet, ist sie obsolet. Es gibt Ungerechtigkeiten in vielen Bereichen, besonders für Frauen - aber auch für Männer. Daher brauchen wir ein breiteres Problembewusstsein und einen klareren Blick auf das große Ganze und kein Ausspielen von Einzelthemen wie Wehrpflicht versus Frauenquote, Pensionsantrittsalter versus Binnen-I, Väterrechte versus Gender Pay Gap. Es muss wieder salonfähig werden, sich für Chancengleichheit einzusetzen, denn Diskriminierung ist kein Frauenproblem, sondern betrifft die gesamte Gesellschaft. Genau deshalb brauchen wir mutigere Initiativen seitens der Politik, um die, die es schwerer haben, besser zu unterstützen, um Stereotypen aufzubrechen, um unbezahlte Arbeit gerechter zu verteilen und vor allem, um Rahmenbedingungen zu schaffen, die es jeder und jedem ermöglichen, tatsächlich des eigenen Glückes Schmied zu sein. Und davon sind wir leider noch ein gutes Stück entfernt.