Faszinierende Fungi-Fakten: Reise in geheimnisvolle Welt der Pilze
Bücher über Pilze gibt es zuhauf. Das Gros davon beschränkt sich auf das, was man landläufig als Schwammerl kennt. Das ist aber nicht einmal die halbe Wahrheit über diese komplexen Lebewesen. "Die wahren Pilze, das sind die versteckt lebenden Fadenwesen im Boden oder Holz", so der Biologe Robert Hofrichter in seinem neuen Buch, in dem er zeigt, welche Wunder diese verborgene Welt so zu bieten hat.
Essbar oder giftig - für viele Menschen reduziert sich die Beschäftigung mit Pilzen auf diese Frage. Doch Hofrichter, der sich seit Jahrzehnten für die wunderbare Welt der Fungi, wie sie wissenschaftlich heißen, begeistert, widmet sich in dem Buch nur peripher der Bestimmung oder Zubereitung der Pilze. Vielmehr liefert er einen Überblick über diese geheimnisvollen Geschöpfe, die den ganzen Planeten bevölkern - nicht nur Wälder, Wiesen, Parks und Gärten, sondern sogar die Meere und selbst auf der internationalen Raumstation ISS zu finden sind.
Fakten und Rekorde
Tatsächlich bietet die dritte Form höheren Lebens (neben Pflanzen und Tieren) etliche verblüffende Fakten und Rekorde. In ökologischer Hinsicht ähneln Pilze Tieren mehr als Pflanzen. Sie sind bestens vernetzt: ein einziger Baum kann mit bis zu 100 verschiedenen Pilzarten vergesellschaftet sein, ein Kubikzentimeter Erdboden bis zu 20 Kilometer hauchdünne Pilzfäden (Hyphen) enthalten. Für Hofrichter erzählt dieses "Geflecht des Lebens", das mit seinen zum Myzel vernetzten Hyphen den eigentlichen Pilz bildet, von der Vernetzung von Lebewesen, vom Austausch von Stoffen zum gegenseitigen Nutzen und von einer Kommunikation auch jenseits der Tierwelt.
Pilze sind aber auch heimtückische Räuber, die ihre Hyphen zu Lassos formen, um damit Fadenwürmer zu fangen können. Sie sind ebenso heimtückische Parasiten, die Insekten zu Zombies machen. Pilze können riesig sein, wie der im Jahr 2000 im US-Bundesstaat Oregon entdeckte Hallimasch zeigt, der so viel wie vier Blauwale von je 150 Tonnen wiegt und eine Fläche von geschätzten 1.200 Fußballfeldern einnimmt. Und sie sind gefährlich, und zwar nicht nur als Knollenblätterpilzes, sondern auch in Form einer von fast 200 bisher bekannten Pilzerkrankungen, denen jährlich weltweit 1,5 Millionen Menschen zum Opfer fallen. Und sie sind Überlebenskünstler, die mit den harschen Bedingungen auf der ISS ebenso zurecht kommen und wie in den Kerosinleitungen von Kampfjets.
Pilze selbst produzieren mit ihren Fruchtkörpern nicht nur ausgezeichnete Leckerbissen wie Steinpilz oder Trüffel, sondern auch seltsame Erscheinungsformen, die in der Nacht leuchten, nur auf Schmetterlings-Puppen wachsen oder roten Tintenfischen gleichen - wobei man sich spätestens bei solchen Schilderungen Hofrichters mehr Fotos in dem Buch wünscht. Doch auch der Mensch hat die Pilze "gezähmt" und lässt sie für sich produzieren, und zwar nicht nur Fruchtkörper in Form von Zuchtchampions. In industriellem Maßstab werden sie heute zur Erzeugung von Nahrung und Futtermitteln, von Antibiotika, Enzymen, Alkohol, Vitaminen und vielen anderen Stoffen eingesetzt. Auch das könnte man als spezielle Form der Kooperation zwischen grundverschiedenen Organismen sehen, die typisch für Pilze ist und sich wie ein roter Faden durch das Buch zieht.
Service: Robert Hofrichter: Das geheimnisvolle Leben der Pilze", Gütersloh, 240 S., 20,60 Euro, ISBN: 978-3-579-08676-7