Pilzgifte - Schrecken der Landwirtschaft
Schimmelpilze und ihre Toxine verursachen viele Pflanzenkrankheiten und sind daher ein Sorgenkind für die Landwirtschaft. Seit vielen Jahren wird daran geforscht, die durch Ernteausfälle hervorgerufenen Milliardenschäden und die Menge der verunreinigten Lebens- und Futtermittel zu vermindern. Neue Ansätze gehen in Richtung Vorwarnsysteme – etwa mittels Drohnen – und Biokontrolle.
"Bis zu zehn Prozent der globalen landwirtschaftlichen Produktion gehen durch die Kontamination mit Mykotoxinen – also Pilzgiften – verloren. In der EU kostet das laut Schätzungen ein bis eineinhalb Milliarden Euro in einem durchschnittlichen Jahr", erklärt Rudolf Krska von der Universität für Bodenkultur Wien (BOKU) im Gespräch mit APA-Science. Noch viel höher seien die Risiken, Kosten und Ausfälle beispielsweise in Südostasien und Sub-Sahara-Afrika, weil dort nicht wie hierzulande die Fusarium-Pilze dominieren würden, sondern vor allem Aspergillen. "Die produzieren Aflatoxine, die zu den drei krebserregendsten Stoffen gehören, die es überhaupt gibt – inklusive den von Menschen hergestellten", so der Experte, der sich darüber wundert, dass "jeder das Wort Glyphosat kennt, aber Mykotoxin oder Aflatoxin nicht, obwohl das eine viel reellere und größere Gefahr ist".
Zukunftsthemen im Kampf gegen die Pilzgifte sind laut dem Experten Digitalisierung und Big Data. "Es geht in Richtung Drohnen, Satellitenbilder und Algorithmen, um Vorwarnsysteme für Mykotoxin-Kontaminationen zu entwickeln. Diese zeigen unter anderem, ob die Pflanzen so aussehen, wie sie aussehen sollen – also der Weizen beispielsweise nicht bleicher ist als sonst", sagt Krska. Allerdings befinden wir uns da zwischen Forschung und ersten Anwendungen, das ist noch nicht State of the Art", stellt der Mykotoxinforscher klar.
Algorithmen schlagen Alarm
Neben den hochaufgelösten Bildern würden auch historische und aktuelle Wetterdaten, die Bodenbeschaffenheit, die Resistenzfähigkeit der Pflanze und der Lebenszyklus des Pilzes berücksichtigt. Dazu kämen Informationen von vor Ort, etwa Daten zur Pflanzenentwicklung, die der Landwirt am Smartphone eingibt. Dieses Konzept wird in dem von Krska koordinierten EU-Projekt MyToolBox in Kooperation mit 24 Partnern aus 11 Ländern (darunter 3 aus China) gemeinsam mit Farmern umgesetzt. "Die Verbindung der Bodendaten mit den Satelliten- oder Drohnendaten ermöglicht es, Algorithmen zu entwickeln, die es nicht mehr erforderlich machen, alles am Boden zu analysieren. Letztendlich soll man rein auf Basis des Satellitenbildes eine Gefahr erkennen und darauf reagieren können", so Krska.
Wenn ein potenzielles Problem angezeigt wird, hat der Landwirt mehrere Optionen. Er kann zum Beispiel den Erntezeitpunkt vorverlegen oder die Trocknungszeit verlängern. Vorrangig geht es aber darum, rechtzeitig zu erkennen, ob Fungizide gesprüht werden müssen. "Keiner will Fungizide einsetzen, wenn er sie gar nicht braucht, aber sehr wohl im erforderlichen Maße, um den Mykotoxineintrag möglichst zu vermeiden", erklärt der Leiter des Instituts für Bioanalytik und Agro-Metabolomics am Department für Agrarbiotechnologie Tulln (IFA).
Im Fall von entsprechenden Warnungen können auch mehr Lebensmittelkontrollen in einer Region durchgeführt werden. "Das ist relevant, wenn man an den sogenannten Mais-Skandal im Jahr 2013 denkt. In Serbien gab es damals extrem hohe Werte beim krebserregenden Aflatoxin im Mais, der an tausende deutsche Bauernhöfe geliefert und an Kühe verfüttert wurde. Entsprechende Rückstände fanden sich dann in der Milch", ruft Krska in Erinnerung.
Klimawandel verschärft Problemlage
Durch den Klimawandel wird das Auftreten von Schimmelpilzen und von Mykotoxinen immer weniger vorhersagbar, so der Experte: "Man kann in einer Gegend, wie es 2013 etwa in Serbien war, nicht mehr die Voraussage treffen, dass es dort vor allem Fusarien-Toxine gibt und Aspergillen beziehungsweise Aflatoxine gar nicht berücksichtigt werden müssen. Denn wenn sich extrem geringe Regenfälle mit hohen Temperaturen paaren, nachdem jahrzehntelang ein eher kaltes, nasses Klima geherrscht hat, habe ich den Aspergillus dort."
Neben der Unvorhersagbarkeit führe der Klimawandel grundsätzlich zu einer Verschlechterung der Situation. "Ob es mehr oder weniger Mykotoxine geben wird, kann man schwer sagen. Aber je wärmer es wird, desto gefährlicher sind sie. Aflatoxine, die vor einigen Jahrzehnten bestenfalls irgendwo in Süditalien aufgetreten sind, tauchen durchaus auch schon in Mitteleuropa auf." Pathogene wie der Aspergillus würden sich mit durchschnittlich fünf Kilometer pro Jahr in Richtung der Polkappen bewegen. Es gebe aber auch "plötzliche Ausreißer", wie man beim verunreinigten Mais in Serbien gesehen habe. Wenn ein Produkt bereits kontaminiert ist, können dem Futtermittel zum Beispiel Adsorbentien und rekombinante Enzyme zugegeben werden, wie sie vom Firmenpartner Biomin in Kooperation mit der BOKU/IFA-Tulln entwickelt wurden. Die toxischen Substanzen werden dann im Verdauungstrakt der Tiere gebunden und abgebaut.
Fortschritte bei resistenten Pflanzen
Eine weitere Möglichkeit im Kampf gegen Mykotoxine sind resistente Pflanzen. Durch das Einkreuzen von entsprechenden Eigenschaften werden Pflanzen gezüchtet, die gegen die Ausbreitung und das Eindringen von Schimmelpilzen resistent sind. "Hier hat sich in den vergangenen 20 Jahren viel getan, weil es entsprechende genetische Marker gibt. Wir wissen, auf welchem Chromosomen-Teil die Enzyme, die für die Entgiftungsmechanismen verantwortlich zeichnen, lokalisiert sind. Wir haben aber auch neue Substanzen entdeckt, die die Zellwand der Pflanze stärken können und damit das Eindringen des Schimmelpilzes erschweren", erläutert der Forscher.
Die Arbeit in diesem Bereich gehe aber nie zu Ende, "weil sich die Pflanzen und die Pilze anpassen und sich die Natur und das Klima laufend verändern". Außerdem reiche es nicht, resistente Pflanzen zu züchten. Sie müssten auch mindestens denselben Ertrag bringen – "und das ist eine ziemlich herausfordernde Vorgabe". Gentechnische Veränderungen seien derzeit keine Option, "weil verschiedenste Gene im Resistenzmechanismus involviert sind. Da hilft es nichts, wenn man eines außer Gefecht setzt oder punktuelle Mutationen macht. Das ist eine komplexere Angelegenheit", so Krska im Gespräch mit APA-Science.
Gute Ergebnisse lassen sich inzwischen auch mit der sogenannten Biokontrolle erzielen, also wenn nichtgiftige Pilze die toxischen Kollegen in den Hintergrund drängen. Die Bill & Melinda Gates Foundation habe bereits über eine Milliarde Dollar in diesem Bereich investiert. Maßgeschneidert für die Subsahara-Verhältnisse würden nichttoxische Pilze auf den Maisfeldern verstreut, die als Wettbewerber wiederum die giftigen Pilze ausstechen. "Auch beim Aspergillus gibt es atoxische Stämme, die isoliert, molekularbiologisch charakterisiert, vermehrt und danach auf Samen-Pellets am Feld ausgebracht werden. Das verursacht zwar gewisse Symptome, ist aber nicht toxisch", erklärt der Experte.
Biokontrolle zeigt Wirkung
So sei im Rahmen des Projekts "MyToolBox" mit einem serbischen Partner in Novi Sad eine sehr gute Wirkung im Kampf gegen den toxischen Aspergillus erreicht worden. "Das hat zu einer über 90-prozentigen Reduktion des Aflatoxingehalts im Mais auf unseren Versuchsfeldern geführt", so Krska. Biokontrolle finde auch im Obstbau statt, indem mit speziellen aufgesprühten Hefearten versucht werde, beispielsweise dem Alternaria-Pilz, der unter anderem braune Flecken bei Äpfeln verursacht, Einhalt zu gebieten. Grazer Forscher erproben übrigens eine Methode zur Verringerung der pilzbedingten Fruchtfäule bei Bio-Äpfeln (siehe "Lagerfähigkeit von Äpfeln: Mikroorganismen sollen Dauer erhöhen").
Im Ackerbau könne man mit minimaler Bodenbearbeitung etwas gegensteuern, damit die Biodiversität erhalten bleibe. "Das ist ein großes Thema, weil es bei den Schimmelpilzen um den Wettbewerb im Boden geht. Denn je größer die Artenvielfalt an Mikroorganismen, desto weniger Chancen haben die giftigen Mikroorganismen, weil sie umgeben sind von vielen Substanzen, die nicht giftig und ihre Feinde sind", betont der Forscher.
"Man muss durch das bewusste Bewirtschaften nicht nur der Pflanzen, sondern auch des Bodenlebens, dafür sorgen, dass sich die natürliche Pilzpopulation gut etablieren kann", meint auch sein Kollege Joseph Strauss, Leiter des Departments für Angewandte Genetik und Zellbiologie (DAGZ) an der BOKU. Nicht rentabel sei hingegen das künstliche Hineinbringen von speziellen Pilzen, weshalb versucht werden müsse, das Bodenleben durch eine nachhaltige Landwirtschaft zu erhalten. Durch die industrielle Revolution auf diesem Sektor sei viel Humus und Kohlenstoff verloren gegangen, was sich auch negativ auf Pilz-Biodiversität und Pilz-Biomasse ausgewirkt hätte.
Pflanzen und Pilze in Symbiose
Dabei würde ohne Mykorrhiza, also der Symbiose zwischen den Wurzeln höherer Pflanzen und Pilzen, ökologisch gesehen nichts auf der Erde existieren. Die Landnahme durch Pflanzen sei überhaupt nur über Mykorrhizen möglich gewesen. Als Meeresbewohner, die an Land gespült wurden, hätten sie sich nie mit ihren eigenen Wurzeln ernähren können. "Das Pilznetzwerk ist natürlich wesentlich besser bei der Aufnahme von Wasser, Nährstoffen und es kann extrem gut Phosphate aus dem Gestein rauslösen", so Strauss. Letztlich dürfe man aber auch nicht die falschen Pilze stimulieren. "Wenn die mir dann die Ernte zerstören, ist das auch nicht Sinn der Sache", gibt der Molekulargenetiker zu bedenken.
Dem würde eine Vielzahl an Gegenstrategien und -mitteln gegenüberstehen, so Krska: Von der minimalen Bodenbearbeitung und dem Einsatz resistenter Sorten über Vorwarnsysteme mit Drohnen und Satellitenbildern bis zu Fungiziden, Biokontroll-Organismen und der Entgiftung mit Enzymen reicht die Palette. "Am wichtigsten ist aber, dass Anbieter von einzelnen Maßnahmen – von der Chemie- bis zur Futtermittelfirma – künftig integrierte Ansätze verfolgen und ganzheitliche Lösungen in den Vordergrund stellen", betont der Experte.
Von Stefan Thaler / APA-Science