"Die Verantwortung von Wissenschafts-PR in Zeiten von Fake News"
Bis vor kurzem war meine persönliche Überzeugung, dass Wissenschaftskommunikation den gschupftn Ferdl nicht erreichen muss, wenn er nicht erreicht werden will. Als meine Zielgruppe für Wissenschafts-PR wurden jahrelang Entscheider, Meinungsbildner, die interessierte Öffentlichkeit und vielleicht Kinder und Jugendliche, denn man braucht Nachwuchs in Naturwissenschaft und Technik, definiert. Und dann kamen Brexit, Donald Trump und Fake News.
Plötzlich hat Wissenschaftskommunikation eine neue Verantwortung, und - in Zeiten schrumpfender Redaktionsbudgets und (angeblich) aufgestockter Pressestellen - speziell die Wissenschafts-PR. Journalistinnen und Journalisten müssen immer mehr Themen und Pressemitteilungen sichten, News verbreiten sich schneller, der Double-Check geht sich oft nicht aus. Umso verantwortungsvoller müssen wir in den Pressestellen arbeiten.
Unsere Aufgabe ist es nicht nur, Journalistinnen und Journalisten mit Daten, Geschichten und schönen Grafiken zu beliefern oder die Wissenschaftlerin zum Star - oder zur "Kärntnerin des Tages" in der Kleinen Zeitung - zu machen. Wir müssen verantwortungsvoll Inhalte mit Quellen und Hintergrundinformationen liefern, Themen setzen und Glaubwürdigkeit gegenüber den Medien aufbauen, damit sie mit unseren Ergebnissen, Expertenmeinungen, Zahlen und Fakten und unseren Themenvorschlägen arbeiten können. Den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern gegenüber sind wir verpflichtet, sie zu motivieren, über ihre Arbeit zu sprechen, und dass wir ihre Informationen nach gesellschaftlicher Relevanz filtern und diese zielgruppengerecht aufbereiten und verbreiten.
In Deutschland hat gerade "Wissenschaft im Dialog", eine Plattform für Wissenschaftskommunikation, der alle großen deutschen Wissenschaftsorganisationen und auch die Ludwig Boltzmann Gesellschaft angehören, "Leitlinien zur guten Wissenschafts-PR" herausgegeben. Ich empfehle einen kurzen Blick in die Leitlinien, denen eine gut gemachte Check-Liste für Wissenschaftler und PR-Verantwortliche angeschlossen ist: http://go.apa.at/6NsKTm0u (PDF).
In einer Leitlinie heißt es etwa: "Gute Wissenschafts-PR arbeitet faktentreu. Sie übertreibt nicht in der Darstellung der Forschungserfolge und verharmlost und verschweigt keine Risiken. Sie vermeidet eine Darstellung, die unbegründete Befürchtungen oder Hoffnungen weckt." Weitere große Themen sind das Aufgreifen von Fragen und Stimmungen aus der Öffentlichkeit und das Erklären von wissenschaftlichen Arbeitsweisen und Methoden, was auch bei uns oft als Ausweg aus Fake News gehandelt wird.
Verstärkt die Geistes- und Sozialwissenschaften kommunizieren
Fake News drehen sich in vielen Fällen, wie bei der Leugnung des Klimawandels, um Themen aus den Naturwissenschaften. Mindestens genauso viele Fake-News-Klassiker - Migration, Verschwörungstheorien, die Arbeit von Nachrichtendiensten usw. - stammen aber aus dem Bereich der Geistes- und Sozialwissenschaften. Ich habe den Eindruck, diese Disziplinen werden von der Wissenschaftskommunikation vergleichsweise vernachlässigt. Woran liegt das? Ist es einfacher und weniger kontroversiell, über Studien und Forschungsergebnisse aus der Medizin zu berichten? Passiert weniger Medienarbeit in diesen Disziplinen? Es kann sehr komplex sein, Inhalte aus den Geistes- und Sozialwissenschaften zu vermitteln. Ich erinnere mich an die detaillierte und schlüssige Erklärung einer Wissenschaftlerin, warum das Wort Klimaflüchtling, das sich in den Medien durchgesetzt hat, so falsch ist.
Unsere Verantwortung in der Wissenschaftskommunikation - auch in den Pressestellen der Universitäten und Forschungseinrichtungen - ist es, mit der Wahl der Themen Fake News und allem, was dazu gehört, aktiv entgegenzuwirken. Wie wir an die Menschen herankommen, die es sich in ihren Filterblasen bequem gemacht haben, müssen wir herausfinden. Auch das ist eine neue Aufgabe für die Wissenschafts-PR. Populärwissenschaftliche und gut recherchierte Filme, TV-Serien und Literatur, in denen die großen wissenschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit wie Genome Editing oder künstliche Intelligenz aufgegriffen werden, halte ich für einen guten Anfang.
Auch komplexe Inhalte mitteilen
Seit Jahren werden wir in der Wissenschafts-PR in Workshops und auf Kongressen trainiert, komplexe Inhalte möglichst einfach zu formulieren und zu verknappen. Das hat natürlich viel für sich, ich glaube aber, dass man es damit auch übertreiben kann. Wir dürfen uns gerade in der Wissenschaftskommunikation trauen, Inhalte zu vermitteln, die mehr Platz brauchen, als die zwei oder drei Sätze, die ein Politiker im Morgenjournal bekommt, oder die in einem Tweet Platz haben. In Blogs, YouTube Videos und dergleichen haben wir diesen Raum auch. Hier haben wir zudem die Chance, mit den Leuten direkt zu kommunizieren.
Auch Wissenschaftsjournalistinnen und Journalisten fordern oft, dass Presseaussendungen mehr über die Methoden, Quellen und Hintergründe der Forschungsergebnisse liefern, etwa anlässlich der von APA-Science veranstalten Podiumsdiskussion "Alles Fake News oder was?" am 18. Jänner. Im Sinn der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ist das ohnehin. Und wir wollen die Leute nicht unterschätzen, auch den gschupftn Ferdl nicht.
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