Unis als Talente-Magnete mit wenig nachhaltiger Wirkung
Mit dem Zuzug von etwa 500.000 Menschen in den vergangenen zehn Jahren sei Österreich "zu einem Immigrationsland ohne Plan und Konzept geworden", wie der Migrationsforscher Heinz Faßmann auf einer Tagung Anfang März in Wien sagte. Wurden in den 1960er Jahren noch gezielt vor allem niedrig qualifizierte Gastarbeiter angeworben, hat sich der Zuzug selbst und auch die Anforderungen am Arbeitsmarkt seither stark verändert. Die Universitäten wirken zwar als Talent-Magnete, viele dieser "idealen Zuwanderer" würden sich nach ihrem Abschluss aber wieder aus Österreich verabschieden, so Faßmann.
In Zeiten der Freizügigkeit im Schengen-Raum wird Österreich mit seinem relativ hohen Lohnniveau weiter vor allem für Menschen attraktiv bleiben, die auf der Suche nach Arbeit sind. Jobs für Niedrigqualifizierte werden allerdings rarer. Das schlage sich auch in einer höheren Anzahl gut ausgebildeter Migranten aus dem EU-Ausland nieder. Deren Ausbildung sei im Schnitt mittlerweile höher als die des durchschnittlichen Österreichers, sagte der Wissenschafter von der Universität Wien.
Unis als Talente-Magnete
Oft angelockt durch den in vielen Bereichen relativ freien Hochschulzugang, drängen außerdem seit einigen Jahren mehr ausländische Studenten - der Großteil aus Deutschland - nach Österreich. Derzeit kommen insgesamt etwa ein Viertel der heimischen Studenten aus dem Ausland, unter den Studienanfängern waren es laut Zahlen aus dem Jahr 2014 sogar 38 Prozent.
Fast 20 Prozent des gesamten Zuzugs stehen in Verbindung mit den heimischen Universitäten. "Gerade die Unis sind Magnete für Talente", erklärte Faßmann bei der Tagung "Talents in Motion" des European Council for High Ability (ECHA). Studenten aus dem Ausland wären zudem sozusagen "ideale Zuwanderer", da sie fast zwangsläufig die Sprache gut können, die österreichischen Gepflogenheiten und das "System" zumindest ausschnittsweise kennen.
Realität ist statistisch erfassbarer Brain-Drain
Diese werden aber nicht gehalten: Weniger als 20 Prozent der ausländischen Absolventen beantragen nach Studienabschluss erneut eine Aufenthaltserlaubnis. Der Großteil bleibt also nach dem Abschluss nicht im Land, was sich auch bei einem Blick auf die Zahlen der "Rot-Weiß-Rot-Card" zeigt: So wurden 2013 nur 214 Karten an ausländische Studienabsolventen ausgegeben - bei rund 1.700 Graduierten aus Drittstaaten. Daten der Statistik Austria zeigen, dass insgesamt schon seit Jahren mehr Österreicher aus ihrer Heimat wegziehen als wieder zurückkommen. Am höchsten sind die Wegzugsraten bei Hochschulabsolventen - Österreich leidet also unter einem "Brain-Drain", wie Faßmann ausführte.
Flüchtlingskrise als "Blindflug"
Eine dramatische neue Dynamik hat die heimische Bevölkerungsentwicklung durch die im vergangenen Jahr extrem verschärfte Flüchtlingskrise erfahren. Wie hoch das Qualifikationsniveau unter den alleine 2015 ungefähr 90.000 neu angekommenen Asylsuchenden tatsächlich ist, wisse momentan niemand genau. "Wir befinden uns da im Blindflug", auch weil die Gruppe der Flüchtlinge eine sehr Heterogene sei, so der Migrationsforscher.
Klar sei, dass man die Menschen mit positivem Asylbescheiden nur über Bildung in den Arbeitsmarkt bringen könne. Auf die Entwicklung von Talenten in diese Gruppe müsse also in Zukunft sehr genau geachtet werden. Neben einem klaren politischen Plan, brauche es auch ein Schulsystem, mit noch mehr interkulturellen Fertigkeiten, um das Talente-Potenzial in dieser neuen Bevölkerungsgruppe zu heben.