Wenn Kinder auf die Uni gehen: Österreich als Pionier
"Gerechnet haben wir mit 100 Besuchern. Gekommen sind eintausend", erzählt Karoline Iber von der allerersten Kinderuni, die vor genau zehn Jahren stattfand. "Wir wollten die leerstehenden Hörsäle im Sommer nutzen, einfach ein lustiges, nettes Programm für Kinder machen und ihnen die Uni und wissenschaftliche Themen näherbringen". Obwohl die Idee im Vorfeld auf Skepsis gestoßen war, gab es nach der Veranstaltung von Kindern und Forschern gleichermaßen sehr positive Rückmeldungen, so die Pädagogin, Geschäftsführerin und Mitbegründerin des Kinderbüros der Universität Wien im Gespräch mit der APA.
Für heuer, im Jubiläumsjahr, sind 4.500 Anmeldungen eingegangen, 500 Wissenschafter nehmen als Vortragende mit 468 Lehrveranstaltungen teil. "Der Deckel ist erreicht", stellt Iber fest. Während der Ansturm der Mittelschichtkinder auf die Sommerveranstaltung ungebremst ist - "Nachwuchs aus den Bezirken 7, 8, 9 und 19 ist überrepräsentiert", ist es den Verantwortlichen ein besonderes Anliegen, verstärkt Kinder aus bildungsferneren Schichten zu erreichen. So wurden Folder in 24 Sprachen aufgelegt, es gibt Kontakte zu Moscheen oder Kulturzentren. "Die Veränderung ist schwer messbar, aber sie ist da", meint Iber.
2010 wurden im Rahmen des Europäischen Jahrs zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung 300 Kinderuni-"Tagestickets" für benachteiligte Kinder eingeführt. Die kleinen Teilnehmer - vermittelt über Kontakte zur Caritas, Flüchtlingshäuser oder Zentren für Alleinerzieherinnen - werden von zu Hause abgeholt, den ganzen Tag begleitet und betreut und abends nach Hause gebracht. Zur feierlichen "Sponsion" wird dann auch die gesamte Familie geladen.
In Parks, am Land und im Netz
Um ein niederschwelliges Angebot zur Wissenschaftsvermittlung im öffentlichen Raum zu liefern, geht die Kinderuni seit sechs Jahren "on Tour". "Wir fahren in Parks und Jugendzentren in alle Wiener Bezirke und arbeiten mit Parkbetreuern und Sozialarbeitern zusammen. Seit fünf Jahren sind wir beispielsweise am Leberberg in Simmering. Die Kinder kennen uns schon, tragen ihre Kinderuni-T-Shirts mit Stolz und freuen sich, dass wir da sind", so Iber. Heuer tourt die Kinderuni zudem durchs Waldviertel und das Südburgenland.
Auch wenn die sommerliche "stationäre" Kinderuni an die Grenzen ihrer Kapazität gestoßen ist, werden weitere Pläne gewälzt. "Wir haben uns viel mit Qualitätsentwicklung beschäftigt", stellt Iber fest. So soll die neue Website verstärkt zu einem Wissenschaftsportal für Kinder ausgebaut werden, man denke über ein Kinderuni-Magazin nach, biete Ferienwochen an und habe auch diverse kleine Projekte laufen, wie etwa Führungen von Schulklassen durch Uni-Gebäude.
Auch für die Großen ein Gewinn
"Anfangs dachten wir, wir machen die Kinderuni nur für die Kinder. Doch dann stellte sich heraus: Auch die teilnehmenden Wissenschafter profitieren", erzählt die Kinderbüro-Leiterin. "Das Publikum ist unglaublich kritisch, der Vortragende muss sich wirklich damit auseinandersetzen, was eigentlich der Kern seiner Arbeit ist", erläutert sie weiter. Obwohl es unter den Lektoren eine richtiggehende "Fan-Gemeinde" gebe - "die richten ihre Urlaube nach der Kinderuni" - sei die Mischung zwischen neuen und alten Gesichtern recht ausgewogen.
Pionierarbeit
Dass Österreich eine Vorreiterrolle einnimmt, beweist die Funktion des Kinderbüros als Koordinatorin des Europäischen Netzwerks der Kinderunis (EUCU.NET). Das Kinderbüro nimmt neben der Kinderuni Innsbruck und dem Zoom Kindermuseum auch an der EU-Initiative "SiS-Catalyst - Children as Change Agents for Science in Society" teil. "Wir arbeiten intensiv mit Kinderunis in Polen, Paris, Liverpool oder Portugal zusammen. Auch mit der Türkei - bei der heurigen Kinderuni wird es beispielsweise Vorlesungen von türkischen Wissenschaftern auf türkisch geben", erzählt die Expertin. Beim Blick über die Ländergrenzen hinweg zeige sich, dass die Frage der sozialen Inklusion - "wie können wir uns öffnen" - seitens der Universitäten immer mehr an Bedeutung gewinne.
Die Förderung der Kinderunis durch das BMWF habe das Entstehen neuer Angebote in Österreich forciert, freut sich die Bildungsfachfrau. Sie begrüßt auch die universitätenübergreifende Zusammenarbeit der Kinderunis und findet es gut, dass sich jede Kinderuni an ihre Rahmenbedingungen anpasst. "Wien als Stadt denkt groß - Innsbruck denkt viel regionaler, und das ist gut so."
Service: http://kinderuni.at/
(Von Sylvia Maier-Kubala/APA-Science)