Nachwuchsforscher-Weltfinale in Pittsburgh
Den Kampf gegen die Freudentränen hat Jack Thomas Andraka schon lange verloren, als er auf das Podium stürmt. Der erst 15-Jährige Schüler aus Glen Burnie, Maryland (USA) hat soeben erfahren, dass er die mit 75.000 Dollar dotierte "Gordon E. Moore Medaille" gewonnen hat. Sichtlich gezeichnet nimmt Andraka die Auszeichnung am letzten Tag der Intel International Science and Engineering Fair - ISEF entgegen. Mit seiner Arbeit über "A Novel Paper Sensor for the Detection of Pancreatic Cancer" - einer von ihm entwickelten Screening-Methode für Pankreaskrebs - konnte er sich den Hauptpreis im "Weltfinale" der Nachwuchsforscher-Wettbewerbe sichern - eine große Leistung, nahmen doch bei der heurigen ISEF insgesamt mehr als 1.500 Schüler aus 68 Ländern teil.
Die Teilnehmer der seit 1950 jährlich stattfindenden Veranstaltung, die von der amerikanischen Society for Science and the Public organisiert wird, rekrutieren sich ausschließlich aus Gewinnern 446 nationaler Wettbewerbe. Jeder einzelne Teilnehmer durchlief also einen langwierigen Auswahlprozess. Die heuer in Pittsburgh (USA) stattfindende Nachwuchsforscher-Messe stellt demnach das weltweit größte Parkett dar, auf dem die jungen Forscher ihre Projekte präsentieren können.
Wie weit fortgeschritten viele der Forschungsansätze bereits sind, zeigt, dass heuer etwa ein Viertel der auf der ISEF präsentierten Projekte bisher zu einem Patent geführt haben, wie es seitens der Veranstalter hieß. In 17 Kategorien, die sowohl die Geistes- und Sozialwissenschaften, wie auch die technischen und Naturwissenschaften umfassen, schütten die Stiftung für Wissenschaft und Bildung des Hauptsponsors - die Intel Foundation, sowie zahlreiche weitere Unternehmen, Stiftungen, Regierungsorganisationen und wissenschaftliche Vereinigungen über 3 Mio. Dollar an Preisgeldern und Stipendien aus.
Abräumer unter sich
Die Preisverleihung an dessen Ende die "Gordon E. Moore Medaille" steht, begann schon am Vortag. Auch bei den sogenannten "Special Awards" räumte Andraka groß ab. Insgesamt sechs Auszeichnungen nahm er entgegen - unter anderem Preise der United States Army und des Amerikanischen Patentamts. Am Tag darauf folgte dann auch der erste Platz in der Kategorie "Medizin und Gesundheitswissenschaften". Neben Andraka gab es noch weitere große Abräumer. Einer davon ist der 17-Jährige Kanadier Nicholas Benjamin Schiefer. Er entwickelte eine Methode, mit der man schnell nach Inhalten auf Social-Media-Plattformen wie Twitter oder Facebook suchen kann. Dafür gab es neben dem Kategoriesieg in den "Computerwissenschaften" auch noch zahlreiche Spezialpreise und ein Stipendium im Wert von 50.000 Dollar.
"Die Projekte der Schüler sind jedenfalls auf Universitätslevel", so Gabriel Weisz vom Computer Science Department der Carnegie Mellon Universität in Pittsburgh, der der hochkarätigen Expertenjury im Computer-Bereich angehörte. Er selbst habe 13 Projekte näher begutachtet. "Die Jury hat es sich nicht leicht gemacht - wir haben zweieinhalb Stunden diskutiert, bis wir zu einer Entscheidung gekommen sind", so der Computerwissenschafter.
Dritter Platz für Oberösterreicher
Auch die Arbeit der einzigen heimischen Vertreter auf der ISEF war unter den Projekten, auf die Weisz und seine Kollegen einen näheren Blick geworfen haben. Patrick Marksteiner und Patrick Neulinger von der HTBLA Perg entwickelten eine selbstständig operierende Drohne, die nach Signalen von Lawinenpiepsern sucht. Die HTL-Schüler arbeiteten im Zuge ihrer Diplomarbeit an dem "Autonomous Vehicle for Independent Operations - AVIO" und waren damit bereits im Vorjahr auf zahlreichen österreichischen Wissenschaftswettbewerben erfolgreich. Mit ihrem ersten Preis in der Kategorie "Sonderpreis IKT" im Rahmen von "Jugend Innovativ", sicherten sich die beiden 20-Jährigen die Teilnahme an der ISEF. Am Ende reichte es für den dritten Platz bei den "Grand Awards" in den Computerwissenschaften - ein mehr als respektabler Erfolg, im Hinblick auf die hohe Leistungsdichte im Wettbewerb.
Die beiden haben die HTL mittlerweile hinter sich gelassen und werden im kommenden Herbst an der Universität Mannheim Wirtschaftsinformatik studieren. Dort wollen sie sich vermehrt dem Programmieren widmen. Im AVIO-Projekt ging es aber vor allem um die Verbindung von Hard- und Software.
Verbindung von Hard- und Software
Die durch vier Rotoren angetriebene Drohne haben die HTL-Absolventen nämlich nicht von Grund auf entwickelt. Die Basis bildet ein Bausatz eines sogenannten "Quadrocopters". Die Systeme, die den Mini-Helikopter zur autonom fliegenden Drohne machen, entwickelten Marksteiner und Neulinger selbst. Die Software, die die Daten verarbeitet und die Bewegungen des Geräts koordiniert haben sie selbst entworfen, geschrieben und im Zusammenspiel mit der Hardware getestet.
Im echten Lawineneinsatz wurde die Funktionstüchtigkeit der Erfindung aber noch nicht überprüft. Bei den bisherigen Tests vergruben die Schüler die Lawinenpiepser in der Erde. "Das waren spannende Momente", so Marksteiner und Neulinger im Gespräch mit der APA. Man habe viel Zeit in dieses Projekt investiert und als das Gerät dann in der Luft war, gab es nur einen Gedanken, nämlich: "Bitte funktioniere!". Genau das macht für die beiden auch den Reiz aus - denn in der Softwareentwicklung gehe es "immer um das Problemlösen" und darum, zu erkennen, ob man sich einem Problem richtig angenähert hat.
Mehrjährige Projekte schwer umsetzbar
Den Großteil der Arbeit an AVIO erledigten die Schüler in ihrer Freizeit. Im Unterricht sei dafür einfach keine Zeit geblieben, so Dietmar Wokatsch, der die beiden an der HTBLA Perg unterrichtete und zu dem Projekt angeregt hat. Im Abschlussjahr sei die Zeit leider knapp bemessen, außerdem habe man sich dazu entschlossen an einigen einschlägigen Wettbewerben teilzunehmen, was ebenfalls zeitlich aufwendig war. Es habe sich aber ausgezahlt, da das Team bei zahlreichen Wettbewerben als Sieger hervorging. Schade findet Wokatsch, dass es in Österreich nicht möglich ist, bereits deutlich früher in der Oberstufe mit der Diplomarbeit zu beginnen. Das führe dazu, dass komplexe Projekte oft nicht von ihren Initiatoren weiterverfolgt werden können. AVIO haben Marksteiner und Neulinger beispielsweise an nachfolgende Diplomanden übergeben. Ihre Nachfolger haben mit der Erweiterung des Systems in Richtung eines Notfallmeldesystems, das Handys orten kann, im heurigen Finale von "Jugend Innovativ" den dritten Platz erreicht und zusätzlich die Reise zur ISEF 2013 gewonnen.
Auf der ISEF sei es bisher möglicherweise ein Nachteil gewesen, dass man in Österreich nur sehr eingeschränkt Projekte langjährig mit dem gleichen Team verfolgen könne. Viele amerikanische Teilnehmer seien nämlich bereits seit Jahren jeweils mit Erweiterungen ihres Projekt im Wettbewerb vertreten und in ihrem Gebiet bereits entsprechend weit gekommen. Außerdem wisse man beim zweiten oder dritten Mal genau, worauf es auf der ISEF ankommt und wie man die Jury überzeugt, so Wokatsch, der sich über die erneute Teilnahme im kommenden Jahr freut.
Jury fühlt Teilnehmern auf den Zahn
Die Jury prüfe die Arbeiten jedenfalls auf Herz und Nieren, so die beiden HTL-Absolventen. Es gebe sehr viele Nachfragen, besonders genau hätten sich die Juroren darüber informiert, was passiert wenn eine unerwartete Situation eintritt. Auskunft geben mussten alle Teilnehmer ausnahmslos auf Englisch. "Da muss man schon gut vorbereitet sein und wissen was man sagt". Ebenso interessiert seien die Gutachter daran gewesen, warum man ein Projekt gewählt habe und wie die Zusammenarbeit abgelaufen sei.
Wissenschaftlicher Jahrmarkt
Dem Besucher kann das Überangebot an meist überaus komplexen Inhalten auf der ISEF jedenfalls fast die Luft nehmen. Ein gewisses Engegefühl kommt auch auf, wenn man sich die Boxen ansieht, in denen die Schüler ihre Projekte präsentieren. Mit Postern, selbst gebauten Maschinen, Zusammenfassungen auf A4-Zetteln und Präsentationshilfen aller Art warten die Jungforscher darauf, ihre Arbeit interessierten Besuchern zu erklären. Manche sind relativ offensiv darauf aus, sich mitzuteilen, andere sitzen eher zurückhaltend in ihrem nur wenige Quadratmeter großen Reich.
Eine Teilnehmerin, die sich nicht über zu wenig Andrang beschweren kann, ist Carolin Lachner aus Lörrach in Baden-Württemberg. Sie gibt im Minutentakt Auskunft über ihr Projekt - und das auf Spanisch, Deutsch und Englisch. Die 18-Jährige ist in ihrem Auslandsjahr in Argentinien über das Phänomen der sogenannten Wasserbrücke gestolpert. Dabei berühren sich zwei Becher mit deionisiertem, also von allen Mineralien befreitem Wasser. Legt man elektrische Spannung zwischen die beiden Becher und zieht sie auseinander, entsteht zwischen ihnen eine deutlich sichtbar Wasserbrücke, die aussieht wie ein dünner durchsichtiger Faden.
"Das Phänomen ist zwar schon seit langem bekannt, allerdings ist es noch ziemlich wenig erforscht", so die Schülerin, die eine von neun deutschen ISEF-Teilnehmern war. Sie entwickelte eine Methode, mit der die Wärmeströme in der Wasserbrücke aufgezeichnet werden können. Darüber hinaus konnte sie das Phänomen erstmals auch für Rizinusöl nachweisen. Ihre Versuche führte Lachner in einem Labor auf dem Schulhof ihres Gymnasiums durch, wie sie gegenüber der APA erklärte. Ihre Arbeit und ihr Präsentationstalent brachten der Schülerin den 2. Platz in der Kategorie "Physik und Astronomie" sowie weitere drei "Special Awards" und die Teilnahme an der Taiwan International Science Fair ein.
Überraschenderweise war das Verhältnis zwischen Jungforscherinnen und Jungforschern beinahe ausgeglichen, ebenso hielt sich die "Nerd-Dichte" in Grenzen. Neben Kanada und Europa gingen auch viele Auszeichnungen in den Nahen Osten, nach Indien oder nach Ost- und Südostasien.
Im Gespräch mit Nobelpreisträgern
Die ISEF hebe sich durch ihre Größe und Internationalität jedenfalls deutlich von heimischen Wettbewerben ab, so die österreichischen Vertreter. Die Organisatoren brachten heuer beispielsweise sieben Nobelpreisträger zur Messe. Auch Marksteiner und Neulinger kamen mit dem einen oder anderen von ihnen ins Gespräch. "Das gibt es ja auch nicht überall", so die angehenden Studenten. Man lerne auch fast automatisch Leute aus verschiedensten Ländern kennen und jedes Projekt sei auf eine gewisse Art und Weise interessant. Die beiden Oberösterreicher profitierten auch im Bezug auf ihre Freizeitgestaltung unmittelbar von der Messe, denn Kollegen aus Kanada luden die beiden ein, eine weitere Woche in der Nähe von Toronto zu verbringen - ein Angebot, das die Jungforscher dankend annahmen.
Nikolaus Täuber/APA-Science