"Ein Leben lang spielen und neugierig sein"
Was haben Kinder und Wissenschaftler gemeinsam? Sie spielen mit Ideen und probieren sie aus. Kinder sind so, wie Wissenschaftler sein sollen: Sie wollen stets Neues denken und Neues erfahren. Die Kinderuni möchte dazu beitragen, dass Kinder ihre Neugierde pflegen, kultivieren und später als Jugendliche und Erwachsene über ein kritisches Denken verfügen, mit dem sie nichts als vorgegeben akzeptieren, sondern im guten Sinne des Wortes Dinge hinterfragen.
Wissenschaftliche Erkenntnisse, die ja nie nur dem Einzelinteresse, sondern auch der Gesellschaft dienen sollen, lassen sich oft nicht planen, sondern sie "passieren". Daher kann es neue Erkenntnis nur dann geben, wenn die Gesellschaft Orte zur Verfügung stellt, die von einem kritischen Geist erfüllt sind - dies ist nicht nur eine Aufgabe der Politik, sondern von uns allen. Gerade auch die "Hohen Schulen" wurden geschaffen, um geistigen Freiraum zu ermöglichen, um nachzudenken und Neues in die Welt zu setzen.
Diesen Auftrag der Universitäten an die Gesellschaft übernimmt die Kinderuni in einzigartiger Weise, da sie den Jüngsten ein weites Denk- und Betätigungsfeld bietet. Dort wird nicht nur Wissenschaft vermittelt, sondern auch oft der Grundstein für lebenslange Begeisterung gelegt. Kinder erleben, dass der Neugierde keine Grenzen gesetzt sind und dass die Forschung einen Freiraum bietet, der immer wieder das große Abenteuer verspricht: Neuland entdecken!
Kinder denken oft "quer", sie denken "anders" als die Erwachsenen, sie sind - noch - "denk-unschuldig". So wie es viele Wissenschafter auch sind, wenn sie in naiver Begeisterung daran gehen, mit neuen Ideen die Welt auf den Kopf zu stellen. Gerade in diesen zehn Jahren Kinderuni haben wir gelernt, dass Lehrveranstaltungen sich ganz anders entwickeln können als geplant: wenn etwa die jungen Studierenden mit neuen, unerwarteten Fragen ein vorbereitetes Vortragskonzept vielleicht sogar in eine ganz neue Richtung lenken! Wie viele verschiedene, innovative und spannende Zugänge Kinder zu einem Thema haben können, ist für uns Lehrende oft absolut verblüffend.
Ein Reiz der Kinderuniversität besteht auch darin, dass sie eine Stätte der Begegnung zwischen Wissenschafterinnen und Wissenschaftern und Eltern sowie Kindern ist, und zwar auch mit Familien, die die Uni ansonsten nicht so leicht erreicht. Wissenschaft spielt sich ja längst nicht mehr im elfenbeinernen Turm ab. In diesem Sinne steht die "Kinderuni" auch für die Öffnung der Universitäten und für ein Investment in die Zukunft. Einen ganz wesentlichen Beitrag dazu leisten im besonderen die niederschwelligen Lehrveranstaltungen von "Kinderuni on Tour", die in Parks, Schulen und an anderen öffentlichen Plätzen stattfinden. Ähnliche Aktivitäten sollten in Zukunft - in Zusammenarbeit mit Eltern und Schulen - noch wesentlich stärker ausgebaut werden, um alle Kinder schon früh für Wissenschaft zu begeistern.
Kinderuni ist zudem für uns Lehrende natürlich auch immer ein ganz persönliches Erlebnis. Wenn es nach einem langen und spannenden Tag etwa ans "Basteln" geht, die kleinen Teilnehmer prähistorische Musikinstrumente bauen und dann sofort gemeinsam musiziert wird, beginnt man auch sein eigenes Fach (die Anthropologie) besser zu begreifen. In diesen Momenten wird klar, dass Wissenschaft vor allem auch Emotion ist, und dass Wissenschaft ebenso wie Neugierde von jeder Generation neu entdeckt werden muss.
Zu den Autoren:
Horst Seidler, Professor für Anthropologie an der Universität Wien und Dekan der Fakultät für Lebenswissenschaften und Martin Fieder, Privatdozent am Departement für Anthropologie, Dekanats-Mitarbeiter sowie Universitätsberater