E-Learning kommt in der Normalität an
Neue Lernformen haben auch vor den heimischen Unternehmen nicht haltgemacht. "Das E-Learning verliert das E und wird ein Alltagsfeature", ist Erwin Bratengeyer, Leiter des E-Learning Centers an der Donau-Universität Krems überzeugt. Gleichzeitig verlagere sich das Lernen und Lehren in virtuellen Räumen zusehends auf mobile Endgeräte wie Tablets oder Smartphones. Mobiles Lernen in der betrieblichen Weiterbildung war auch das Schwerpunktthema bei der Austrian eLearning Conference (AeLC) am 7. und 8. November im Messezentrum Wien.
An einen kurzlebigen Trend glaubt Bratengeyer dabei nicht. "Zum einen ist die Mobilität nachhaltig angekommen - mit Geräten und Globalisierung, technologisch und soziologisch." Zudem hätten die kurze Halbwertszeit des Wissens und die Verfügbarkeit von Informations- und Wissensressourcen im Internet dafür gesorgt, dass E-Learning insgesamt ein Standardthema geworden sei. "Die Normalisierung ist eingekehrt und es ist kaum möglich, eine professionalisierte Weiterbildung ohne die Zuhilfenahme dieser Features zu betreiben", so der Co-Leiter des Programmbeirats der Konferenz gegenüber der APA.
Große Themenpalette
Hinsichtlich Themengebieten und Branchen für E-Learning sieht der Experte kaum Einschränkungen, das gehe hin bis zum Thema Soft Skills. "Man kann recht gut Produkte zum Thema Konfliktmanagement finden oder zu Partnermediation. Dennoch gibt es eine Reihe von Bereichen und Szenarien, die ich jetzt nicht auf Teufel komm raus bei E-Learning abbilden würde." Das gleiche gelte für das Lernen auf mobilen Endgeräten, meint Bratengeyer, der dafür "bestimmte Lernzwecke wie zum Beispiel Multiple-Choice-Anwendungen, kleine Lernhappen im Sinne von Microlearning sowie Faktenwissen" am geeignetsten hält.
Obwohl sich E-Learning zunehmend von einer jeweils dazugehörigen "Lernplattform" emanzipiert hat, werden die Begriffe oft noch immer im gleichen Atemzug genannt. Problematisch sei das nicht weiter, meint der Experte, wobei er einschränkt: "In der fortgeschrittenen Bildungsszene ist das vielleicht nicht mehr der Fall, im Corporate-Bereich allerdings schon noch." An der Gleichsetzung von E-Learning mit dem "Rauf- und Runterladen" von Powerpoint-Präsentationen findet Bratengeyer per se nichts auszusetzen, das sei immerhin ein erster Schritt und der müsse erst einmal getan werden.
Die wichtigsten Vorteile von E-Learning liegen für Bratengeyer in der Orts- und Zeitflexibilität sowie in der größeren didaktischen Vielfalt. Generell will er das Konzept nicht auf das Lernen mit technischen Gimmicks beschränkt sehen, sondern als Mischform mit Präsenzveranstaltungen verstanden wissen: "Wenn man E-Learning sagt, sollte man Blended Learning meinen."
Akzeptanzproblematik
Wenn neue Lernformen auf die Mitarbeiter zukommen und Althergebrachtes verdrängen, könnten freilich auch Widerstände auftreten, räumt Bratengeyer ein. "Die Akzeptanzproblematik besteht natürlich. Sie kann im Fachgebiet begründet liegen oder in der Lernkultur - was die schwierigere Problematik ist." Besonderes Augenmerk müsse man auch auf das Zeitmanagement legen, da beim E-Learning die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit fließend sind. "Die E-Learning-Lernzeit steht kaum im Kalender. Die Arbeitsbelastung ist damit nicht definiert."
Ist das Lernen mit elektronischer Unterstützung heute weitgehend im Alltag angekommen, so war die Stimmungslage vor zehn Jahren noch mehr von Skepsis geprägt. "Damals war das assoziiert mit viel Technologie und Wegrationalisierung des Menschen", schätzt Bratengeyer. Indikatoren dafür, dass das heute nicht mehr so ist, liest er etwa daran ab, dass selbst im eher konservativen Schulbereich moderne Lehrmethoden Einzug gehalten haben. Im Unternehmensbereich gebe es höchstens noch strukturelle Schranken. "Ein kleiner Betrieb mit einer Handvoll Mitarbeitern wird sich jetzt nicht veranlasst sehen, eine E-Learning-Strategie zu entwickeln."
"E-Learning-Mythen"
"E-Learning wird in Unternehmen höchst unterschiedlich angenommen", meint auch Horst Krieger, der gemeinsam mit Bratengeyer den Programmbeirat der AeLC leitete. "Es gibt nach wie vor die Gläubigen der E-Learning-Mythen, die glauben, es wird alles schneller, besser, einfacher. Das ist dann die Gruppe von Organisationen die erkennen müssen, dass es doch nicht so ist - dass es doch Geld kostet und dass man doch investieren muss", erklärte Krieger im Gespräch mit der APA. Dann gebe es noch eine zweite, größer werdende Gruppe - "das ist die gute Nachricht" - von Unternehmen, die verstanden hätten, dass E-Learning tatsächlich auch eine Investition in das Wissensmanagement und in den Know-how-Pool eines Unternehmens sei.
Lernmanagementsysteme sind für Krieger gewissermaßen "old school" - wie ein Universitätsgebäude mit einem gemeinsamen Raum, wo sich die Lernenden treffen und wo vorgegeben ist, in welcher Reihenfolge ("Learning Steps") welcher Inhalt abgearbeitet wird. "Aber das ist sehr stark curricular, sehr sequenziell. Jetzt geht man aber stärker in die Richtung informelles Lernen." Laut verschiedenen Studien stamme das Wissen des Menschen überwiegend aus informellen Lernsituationen. Dafür gelte es nun Lösungen zu schaffen, so genannte "Personal Learning Environments". "Das ist sozusagen die New School des E-Learnings. Und da passt auch das Microlearning hinein, das Lernen in kleinen Happen, wenn man gerade Zeit hat", so Krieger.
WIFI setzt auf E-Learning
Als erstes Weiterbildungs-Institut hat in Österreich vor zehn Jahren das Wirtschaftsförderungsinstitut (WIFI) nach eigenen Angaben den Einsatz neuer Medien in der berufsbezogenen Weiterbildung forciert. Heute würden monatlich mehr als 6.000 Kursteilnehmer E-Learning-Angebote des WIFI besuchen. „Für uns ist E-Learning mehr als eine moderne Unterrichtsmethode“, betont WIFI Österreich-Institutsleiter Michael Landertshammer auf Anfrage der APA. „Aus der Lernforschung wissen wir, dass Lernen eine zutiefst persönliche Angelegenheit ist. Jeder Mensch lernt anders - durch Hören, Lesen, Ausprobieren oder eine Mischung davon. Moderne Trainer schaffen Räume für die Möglichkeit, aktiv und selbstgesteuert zu lernen. E-Learning ist als besonders flexible und individuelle Lernmethode dafür natürlich besonders geeignet.“
„Die langjährige Erfahrung zeigt uns, dass das soziale Lernen bei aller Individualität und Flexibilität sehr wichtig ist“, sagt Landertshammer. „Man will sich in der Gruppe austauschen, voneinander profitieren und gemeinsam Lösungen erarbeiten. Wir unterstützen das zum einen durch die Kommunikationsmöglichkeiten auf der Lernplattform. Zum anderen setzen wir stark auf 'Blended Learning': Das sind Kursangebote, die sowohl Präsenzphasen als auch E-Learning-Elemente aufweisen.“ E-Learning-Angebote gebe es mittlerweile in allen WIFI-Geschäftsfeldern: Von der branchenbezogenen Weiterbildung über Sprachen, Technik, IT und Persönlichkeit bis hin zu BWL und Managementwissen.
Virtuelles Schweißen
Ganz neu sei im technischen Bereich die Möglichkeit, durch Simulationen virtuelle Praxis zu erlangen. „Demnächst bieten wir an, das Schweißen mit virtuellem Schweiß-Equipment zu erlernen“, sagt Landertshammer. „Helm, Brenner und Werkstück sind wirklichkeitstreue Modelle. Gemeinsam mit einem PC und einem Bildschirm entsteht der Schweiß-Arbeitsplatz, an dem die Lernenden sehr realistisch trainieren können. Der Lichtbogen ist virtuell, die Geräusche sind es auch, und der Materialeinsatz hält sich stark in Grenzen.“
Bis sich das Thema und diese Lernform in Österreich durchsetzt, brauche es noch ein wenig Zeit. "Wir erwarten aber ein verstärktes Bewusstsein für neue und alternative Lernformen in den nächsten Jahren und daher wird auch eine verstärkte Nachfrage erwartet. Gerade bei Unternehmen rechnet Landertshammer damit, dass sich die Effizienzvorteile dieser Lernform, zumindest bei bestimmten Trainings, mehr und mehr durchsetzen wird und der Bedarf auf Unternehmensseite größer wird", schätzt der Institutsleiter.
„E-Learning ist auch bei unseren firmeninternen Weiterbildungsprogrammen sehr gefragt“, erklärt Landertshammer und nennt eine Reihe von Gründen: Unternehmen, die Schulungen mit Online-Elementen anbieten, müssten mit wesentlich geringeren schulungsbedingten Abwesenheitszeiten rechnen. Naturgemäß würden sich die Reise- und Raumkosten reduzieren. Nicht zuletzt intensiviere sich der interne Wissensaustausch, wenn Mitarbeiter auf der gemeinsamen Lernplattform arbeiten.
Von Mario Wasserfaller / APA-Science
Service: Austrian eLearning Conference (AeLC): http://www.aelc.at