"Können Lernspiele Spaß machen?"
In den letzten Jahren hat sich die kulturelle Bedeutung digitaler Spiele radikal verändert. Während das Computerspiel gegen Ende des zwanzigsten Jahrhunderts in erster Linie als nutzloses und mitunter sogar gefährliches Medium empfunden wurde, so gilt es heute zunehmend als aufstrebendes Kulturgut. Gleichzeitig fand das digitale Spiel auch Einzug in die bildungspolitische Diskussion, insbesondere im Zusammenhang mit dem Thema E-Learning.
Serious Games
Ermöglicht wurde diese Entwicklung vor allem durch die Etablierung des Begriffs der „Serious Games“. Darunter versteht man Computerspiele, die nicht in erster Linie der Unterhaltung, sondern vielmehr einem ernsten Zweck wie eben der Bildung dienen. Bei näherer Betrachtung handelt es sich dabei jedoch um einen sehr widersprüchlichen Begriff. Spiele können eigentlich gar nicht ernst sein, denn sie definieren sich über die intrinsische Motivation, also die Freude am Spielen. Fehlt der Spielspaß, kann man genau genommen auch nicht mehr von einem Spiel sprechen.
Und so ist es auch nicht verwunderlich, dass viele am Markt befindliche Lernspiele in diesem Sinn gar keine "echten" Spiele sind sondern nichts anderes als mehr oder weniger gut gemachte interaktive Lernsequenzen. Das wäre prinzipiell auch nichts Negatives. Digitale Medien sind ein fixer Bestandteil unserer Alltagskultur geworden und somit ist jede Form der Nutzung dieser Medien in Bildung und Unterricht als Fortschritt zu betrachten. Es bleibt allerdings allzu oft der etwas fahle Beigeschmack, dass man durch das Fehlen des Spielspaßes das volle Potential spielerischen Lernens nicht vollständig ausschöpft.
Das Computerspiel als Lehrbehelf
Ein Lösungsansatz zu diesem Dilemma besteht darin, sich nicht auf klassische Lernspiele zu beschränken, sondern stattdessen kommerzielle, für die Unterhaltung produzierte Computerspiele als Grundlage pädagogischen Handelns zu verwenden. In Österreich wurden an der Donau-Universität Krems bereits vor etwa 10 Jahren im Auftrag des Unterrichtsministeriums erste Versuche der Integration von Computerspielen in den Schulunterricht unternommen. Dabei konnte gezeigt werden, dass nahezu jedes Computerspiel didaktisch gewinnbringend einsetzbar ist. Voraussetzung dafür ist die Umsetzung eines geeigneten didaktischen Rahmenplans durch medienpädagogisch geschultes Lehrpersonal.
Gleichzeitig konnten durch diese Versuchsstudien auch die Grundlagen für die Entwicklung von „echten“ Serious Games, also Lernspielen die auch Spaß machen, abgeleitet werden. Entstanden ist eine eigene Theorie des computerspielbasierten Lernens. Es stellte sich des Weiteren heraus, dass vor allem der Prozess der Entwicklung eines Computerspiels die zentrale Rolle für die Sicherstellung des erzielten Spielspaßes darstellt.
Iteratives Design
Basierend auf den Prinzipien der so genannten agilen Softwareentwicklung basiert moderne Computerspielentwicklung auf dem Konzept des iterativen Designs. Dabei wird möglichst schnell ein spielbarer Prototyp produziert und dieser dann in einem sehr rasch ablaufenden iterativen Entwicklungsprozess kontinuierlich getestet und bis zum Endprodukt verbessert. Im Idealfall wird ein derartiger Entwicklungszyklus von der Erstellung über die Testung bis zur Verbesserung des Protoptypen täglich durchlaufen. Es mag vielleicht überraschen, aber Iterationsgeschwindigkeit ist heute eines der wichtigsten Qualitätsmerkmale in der Computerspielentwicklerbranche.
Ein Computerspiel ist somit im Laufe seiner Entwicklung einer kontinuierlichen und mitunter radikalen Veränderung unterworfen über die wichtige Kriterien - wie eben Spielspaß - optimiert werden können. Dieser sehr dynamische Ansatz steht jedoch in krassem Widerspruch zu den im Bereich der Bildungstechnologie verwendeten Entwicklungsprozessen in der die zentralen Eckpunkte eines Produktes bereits im Vorfeld geplant werden. Dies nicht zuletzt auch deshalb, da eine Lernanwendung in der Regel sehr klar definierte und nicht veränderbare Lehrziele zu erfüllen hat.
Hier kommt Ludwig
Lernspiele sind also deshalb oftmals langweilig, weil der ihnen zugrunde liegende Entwicklungsprozess den Spielspaß nicht optimieren kann.
Diese zentrale Erkenntnis bildete die Grundlage für die Entwicklung von Ludwig (www.playludwig.com), einem für den Schulunterricht konzipierten Physiklernspiel zum Thema erneuerbare Energien. Anstelle alle lehrzielrelevanten Fragestellungen bereits im Vorfeld der Entwicklung zu lösen, wurde die Testung im Rahmen des iterativen Designprozesses um eine pädagogische Evaluation erweitert in die SchülerInnen wie auch LehrerInnen mit einbezogen wurden. Auf diese Weise konnte sicher gestellt werden, dass der Entwicklungsprozess nicht nur die Erfüllung der im Lehrplan geforderten Lehrziele sicher stellt, sondern gleichzeitig auch den Spielspaß optimiert.
Das Ergebnis ist ein inzwischen international vielfach ausgezeichnetes Lernspiel, welches nicht nur physikalisches Wissen vermittelt, sondern auch Spaß macht. Am deutlichsten wurde dies von einem Schüler zum Ausdruck gebracht: „Das ist ja gar kein Lernspiel, das ist ja ein richtiges Spiel!” Lernen mit Ludwig macht Spaß und genau so sollte es auch sein.
Kontakt: www.about.me/michaelgwagner