"Wie kommunale Abfallwirtschaft funktioniert"
Österreich ist international ein Vorbild in der Abfallwirtschaft. Die höchste Recyclingquote, die niedrigste Deponierungsrate, ein funktionierender Stoffkreislauf. Wesentlich dazu beigetragen hat die Abfallwirtschaft auf kommunaler Ebene. Wie ist diese organisiert? Was leistet sie alles? Weshalb funktioniert in Österreich, was in anderen Ländern als exotisch empfunden wird? Und was hat ein Mengenkriterium in einer EU-Richtlinie mit Privatisierung zu tun? - Ein Einblick.
Die Zuständigkeiten in der Abfallwirtschaft sind kompliziert. Zuständig für Gesetzgebung und Vollziehung ist der Bund, hinsichtlich nicht gefährlicher Abfälle aber nur soweit als ein Bedarf nach einheitlichen Vorschriften gegeben ist. Da der Bund von seiner Bedarfskompetenz etwa im Bereich der Verpackungsabfälle Gebrauch gemacht hat, trifft er diesbezüglich die Regelungen der Erfassung und Behandlung. Mit Ausnahme der Verpackungsabfälle sind daher die Länder im Bereich der nicht gefährlichen Siedlungsabfälle aus Haushalten und ähnlichen Einrichtungen zuständig.
Im Bereich der Siedlungsabfälle haben Bund und Länder die Vollziehung der Abfallwirtschaft im Wesentlichen den Gemeinden übertragen. Das Aufgabenfeld der Gemeinden in der Abfallwirtschaft ist umfangreich. Mit Ausnahme der Verpackungsabfälle sind die Gemeinden für die Organisation der Abfallsammlung wie auch für die Behandlung und Verwertung zuständig (im Bereich der Elektroaltgeräte nur hinsichtlich der Sammlung). Jährlich fallen etwas mehr als vier Millionen Tonnen Siedlungsabfälle aus Haushalten und ähnlichen Einrichtungen wie Kindergärten oder Tourismusbetrieben an, das entspricht einem Pro-Kopf-Anteil von rund 480 kg. Fast zwei Drittel der Siedlungsabfälle werden recycelt und damit so viel, wie nirgendwo sonst.
Die kommunalen Organisationsstrukturen wie auch Sammelsysteme sind österreichweit nicht zuletzt aufgrund der unterschiedlichen örtlichen Gegebenheiten und Anforderungen heterogen ausgestaltet. So ist die Abfallsammlung im städtischen Gebieten anders zu organisieren wie in ländlichen Regionen, abhängig ist die Organisation auch von der Siedlungslage der Tourismusintensität, der Topographie uvm.
In zahlreichen Bundesländern sind Gemeinden zu Abfallwirtschaftsverbänden zusammengeschlossen, die regional die abfallwirtschaftlichen Aufgaben übernehmen - von der Sammlung, dem Transport und der Behandlung der Abfälle, über den Betrieb von Altstoffsammelzentren und eigener Behandlungsanlagen bis hin zur Einhebung der Abfallgebühren. Dadurch ergeben sich beträchtliche Synergien und die Bündelung von Know-how, das in einer ressourcenschonenden Abfallwirtschaft, die zunehmend komplexere und diffizilere Abläufe erfordert, schlicht notwendig ist.
Als Sprachrohr für die Anliegen der Bürger und als Bindeglied zwischen der produzierenden Wirtschaft und dem konsumierenden Bürger spielen die Gemeinden und Verbände im Bereich der Abfallvermeidung und Abfallberatung eine wesentliche Rolle. Die Abfallberatung ist nicht zuletzt, da eine wesentliche Zielgruppe die junge heranwachsende Generation ist, eine fortwährende Aufgabe. Hinzu kommen die Entwicklung und der Einsatz neuer Materialien, Produkte und Produktdesigns, die spezifischer Abfallbehandlungen bedürfen und der Bürger informiert sein muss, wo und wie er sich dieser Dinge entledigen kann (so etwa aktuell hinsichtlich Lithium-Ionen Akkus und Bio-Kunststoffe). Informationskampagnen etwa zur Vermeidung von Lebensmittelabfällen, "Frühjahrsputze", "Sauberfeste", Schwerpunktaktionen in Bildungseinrichtungen sind nur einige Maßnahmen, die zur Bewusstseinsbildung gesetzt werden. Im Wege von Repair-Cafes, Reparaturnetzwerken und Re-Use-Sammlungen von Elektroaltgeräten wird aktiv in Gemeinden Abfall vermieden.
Im Spannungsfeld zwischen Daseinsvorsorge und Marktwirtschaft
Was in vielen Ländern gar nicht vorstellbar ist, ist in Österreich Realität: Es gibt ein partnerschaftliches Miteinander zwischen Gemeinden und privater Abfallwirtschaft. So erfolgt die Entsorgung von gemischtem Siedlungsabfall (Restmüll) häufig durch private Unternehmen im Auftrag von Gemeinden und Verbänden. Abfallverbände betreiben nicht nur eigene Behandlungsanlagen, es werden derartige Anlagen auch im Wege eines Privat-Public-Partnership geführt. Auch im Bereich der Haushaltsverpackungsabfälle, in dem die Wirtschaft - infolge der EU-rechtlich vorgegebenen Herstellerverantwortung - für die Sammlung und Verwertung verantwortlich ist, gab es bislang eine gute und enge Zusammenarbeit.
Trotz eines tadellos funktionierenden Systems in Österreich gibt es doch immer wieder Bestrebungen die kommunale Abfallwirtschaft, die ohne Zweifel Teil der Daseinsvorsorge ist, zu entkommunalisieren bzw. zu privatisieren. Ein aufseiten der Privatwirtschaft häufig diskutiertes Thema ist die sogenannte Andienungspflicht bzw. der Anschlusszwang jener Einrichtungen an das kommunale Abfallsystem, bei denen haushaltsähnliche Abfälle anfallen. In den meisten Landesabfallwirtschaftsgesetzen ist klar geregelt, dass sich Gewerbebetriebe hinsichtlich ihrer haushaltsähnlichen Siedlungsabfälle der kommunalen Abfallwirtschaft zu bedienen haben. Damit ist sichergestellt, dass es im Bereich der Siedlungsabfälle keine Parallelsysteme sondern nur ein System (das kommunale System) gibt. Damit wird auch einem Rosinenpicken vorgebeugt und verhindert, dass sich die Wirtschaft (private Entsorgungsbetriebe) nur um verwertbare Altstoffe bemüht und für die unwirtschaftlichen Teile die öffentliche Hand über höhere Gebühren aufzukommen hat. Weitere Auswirkungen einer Liberalisierung in diesem Bereich wären die "Verkübelung" (eigene Kübel der Entsorger), das vermehrte Verkehrsaufkommen und die Lärmbelastung (jeder Betreiber fährt eigene Routen).
Und doch wäre diese Andienungspflicht dem kurz vor Beschlussfassung stehenden EU-Kreislaufwirtschaftspaket zum Opfer gefallen. So sollte ursprünglich die Definition des Siedlungsabfalls im EU-Richtlinienvorschlag durch ein Mengenkriterium erweitert werden. Dies hätte bedeutet, dass Siedlungsabfall nur dann vorliegt, wenn der anfallende Abfall aus Gewerbebetrieben auch mengenmäßig jenem der privaten Haushalte entspricht. Nicht zuletzt aufgrund der Abgrenzungsschwierigkeiten wäre damit die Andienungspflicht de facto aufgehoben.
Entgegen dem Vorschlag der EU-Kommission hat sich aber am 14. März 2017 das EU-Parlament gegen das Mengenkriterium ausgesprochen. Dieser Beschlussfassung sind freilich zahlreiche Gespräche mit der kommunalen Seite vorausgegangen. Auch die Bundesländer stellten sich dezidiert gegen das Mengenkriterium und sahen zudem durch den Richtlinienvorschlag das Subsidiaritätsprinzip verletzt. Nachdem dieses Kriterium nun nicht im abgestimmten Vorschlag des EU-Parlamentes enthalten ist, sind diesbezügliche Änderungen in den weiteren Abstimmungsprozessen (zwischen Rat und Parlament) nicht zu erwarten. Es kann daher alles so bleiben wie es ist - und das ist aus abfallwirtschaftlicher Sicht gut so.