Österreich recycelt die Hälfte seines Hausmülls
Im Jahr 2015 fielen in Österreich rund 4,2 Millionen Tonnen Siedlungsabfälle aus Haushalten und ähnlichen Einrichtungen an, das entspricht 482 Kilo pro Kopf. Gut die Hälfte des Mülls wurde stofflich verwertet, mehr als 40 Prozent thermisch ("gemischter Siedlungsabfall", sprich Restmüll) und weniger als zehn Prozent mechanisch-biologisch behandelt. EU-weit nimmt das Land laut Zahlen der EU-Kommission (Quote von 58 Prozent, 2015) damit den dritten Platz nach Deutschland und Slowenien ein.
Rund 2,5 Millionen Tonnen oder 60 Prozent des gesamten Aufkommens konnten über getrennte Sammlungen erfasst werden. Seit 2009 sind Siedlungsabfälle um 6,8 Prozent gestiegen, Restmüll ("gemischter Siedlungsabfall") allerdings nur um 2,1 Prozent. Sperrmüll ist um 5,8 Prozent gesunken, so die Zahlen aus dem Entwurf zum Bundesabfallwirtschaftsplan (BAWPL) 2017. Das größte Sammel- und Verwertungssystem für Verpackungen ist hierzulande die Altstoff Recycling Austria (ARA). Recyclingexperten von ARA und Tochter ERA (Elektro Recycling Austria) standen APA-Science für Fragen zur Verfügung.
APA-Science: Warum hat jedes Bundesland unterschiedliche Sammelsysteme? Ist das sinnvoll?
Die unterschiedlichen Systeme sind das Ergebnis der Suche nach optimalen Lösungen für jede Region. Ob etwa der Einsatz von Sammelsäcken oder Großbehältern sinnvoll ist, hängt davon ab, ob man sich in der Wiener Innenstadt oder im ländlichen Raum befindet. Und ob Bürgerinnen und Bürger alte Zeitungen mit Kartons in einem Container sammeln oder Kleinmetalle gemeinsam mit Metallverpackungen in der blauen Tonne entsorgen, ist nicht zuletzt davon abhängig, welche regionalen Sortier- und Verwertungsanlagen vorhanden sind. In Oberösterreich, Salzburg und Tirol werden beispielsweise nennenswerte Altpapiermengen neben der haushaltsnahen Altpapiersammlung auch über Recyclinghöfe, Alt- und Wertstoffsammelzentren gesammelt.
Im Bereich der Leichtverpackungssammlung stehen zwei Modelle im Einsatz: In rund 60 Prozent des Bundesgebiets werden Verpackungen aus Kunststoffen und Materialverbunden - gemeinsam mit Holz-, Textil- und Keramikverpackungen sowie Verpackungen auf biologischer Basis - im Gelben Sack und in der Gelben Tonne gesammelt.
In Wien, Niederösterreich, Salzburg und Kärnten wird die gezielte Sammlung von Plastikflaschen, gegebenenfalls in Kombination mit Metallverpackungen, angeboten. Hier wurde die getrennte Sammlung im Einvernehmen mit den Städten, Gemeinden und Abfallverbänden auf stofflich verwertbare Kunststoffverpackungen ausgerichtet. Andere Leichtverpackungen können in diesen Regionen über den Restmüll entsorgt und energetisch genutzt werden, wobei die Kosten dafür von der ARA AG aus den Lizenzentgelten und nicht aus der kommunalen Müllgebühr getragen werden.
APA-Science: Getrennt gesammelte Leichtverpackungen (Kunststoffabfälle) machen rund 15 Prozent an den insgesamt erfassten Fraktionen Papier, Glas, Metalle und Leichtverpackungen aus Haushalten aus. Was passiert mit ihnen?
Sämtliche getrennt gesammelten Kunststoffabfälle werden zu Sortieranlagen gebracht, wo diese in die unterschiedlichen Kunststoffarten - wie PET, HDPE - getrennt werden. Die Sortierung erfolgt dabei zum überwiegenden Anteil automatisch mittels Nahinfrarotsensoren. Die verbleibenden Rückstände werden als Mischkunststofffraktion energetisch genutzt: Vermengte und verunreinigte Kunststoffverpackungen und Materialverbunde werden zerkleinert, aufbereitet und zur Energieerzeugung in industriellen Anlagen genutzt. Sie ersetzen so fossile Brennstoffe wie Kohle, Erdöl und Erdgas. Der Heizwert von einem Kilogramm Kunststoff entspricht in etwa dem eines Liter Heizöls. Typische Verwender sind Zementwerke oder die Zellstoffindustrie.
APA-Science: Wie steht es um die traditionell hohe Trennmoral im Land? Wenn man die Sammelquoten betrachtet, ist sie in den einzelnen Bundesländer unterschiedlich ausgeprägt?
Die seitens ARA jährlich durchgeführte Konsumentenbefragung zeigt nach wie vor einen hohen Stellenwert der getrennten Sammlung in der Bevölkerung. Die unterschiedlichen spezifischen Sammelleistungen in den einzelnen Bundesländern sind in erster Linie auf regional unterschiedliche Haushalts- und Sammelstrukturen zurückzuführen und lassen keine Rückschlüsse auf das "Umweltbewusstsein" der Bevölkerung zu. So werden etwa in Oberösterreich, Salzburg und Tirol beträchtliche Altpapiermengen neben der haushaltsnahen Altpapiersammlung auch über Recyclinghöfe, Alt- und Wertstoffsammelzentren gesammelt - diese Mengen sind nicht in den Pro-Kopf-Sammelmengen je Bundesland enthalten.
APA-Science: Wird nur einheimischer Müll verwertet oder auch Abfälle aus anderen Ländern?
Seitens ARA erfolgt die Verwertung der gesammelten Verpackungsabfälle zu über 90 Prozent im Inland. Damit können der heimischen Industrie wichtige Rohstoffe zur Verfügung gestellt werden.
Sofern heimische Verwerter freie Kapazitäten haben, werden diese auch für die Verwertung von Abfällen aus dem Ausland genutzt. Für die Im- und Exporte von Abfällen gelten europaweit strenge Richtlinien, die eine ordnungsgemäße und gesetzeskonforme Verwertung in jedem Fall sicherstellen.
APA-Science: Gibt es bei der Wiederverwertung manchmal Interessenskonflikte zwischen ökologisch sinnvollen und wirtschaftlich günstigeren Maßnahmen?
Für Recycling gilt generell, größtmöglichen ökologischen Nutzen durch Ressourcenschonung und Klimaschutz mit geringstmöglichem ökonomischen Aufwand für Betriebe, Konsumenten und Volkswirtschaft zu verbinden. Die ökologischen Rahmenbedingungen - also wieviel von den anfallenden Verpackungen recycelt werden sollen - werden seitens des Landwirtschaftsministeriums im Rahmen der Bestimmungen der Verpackungsverordnung vorgegeben. Die Sammel- und Verwertungssysteme haben die Aufgabe, diese Vorgaben bestmöglich und effizient zu erfüllen.
APA-Science: Nur weniger als die Hälfte der in Österreich inverkehrgesetzten Elektro- und Elektroaltgeräte (EAG) wird gesammelt. Was passiert mit dem Rest?
Von den rund 186.000 Tonnen Geräten (2015) werden 80.000 über die ARA-Tochter ERA GmbH gesammelt, ein weiterer Teil über Altmetall- bzw. klassische Schrotthändler. Bei weitem nicht alle Geräte sind sammelbar, weil zwar neue Geräte für neue Haushalte - pro Jahr werden zwischen 30.000 und 50.000 neu gegründet - angeschafft, die alten jedoch noch nicht ausrangiert werden. Echte Verluste, sprich Geräte, die nicht ins Recycling gehen, sind eine unbekannte Größe. Wir sprechen hier von informellen Sammlern, die Haushalte gezielt anfahren oder vor Mistplätzen auf Ware warten. Für die Recyclingindustrie sind sie ein Problem, weil sie nach ungleichen Spielregeln arbeiten.
Im Restmüll landen weniger als ein Prozent Elektroaltgeräte.
APA-Science: Wer sind die Abnehmer für die gesammelten Geräte?
Es hat sich hier eine eigene, stark fragmentierte und hoch spezialisierte Recyclingindustrie entwickelt, etwa im Bereich Bildschirmbehandlungen, Metallverwertung, Elektromotoren oder Festplatten.
APA-Science: Wären höhere Recyclingquoten wünschenswert?
Wir haben bei Elektro- und Elektroaltgeräten bereits jetzt eine stoffliche Verwertung von 78 Prozent, aus technischen Gründen geht da nicht viel mehr. Die Kreislaufwirtschaft hat ihre Grenzen. Metallrecycling gelingt immer besser, bei Kunststoff ist es schwierig. Hier sind Gemische ein Problem. Es lässt sich etwa kein hochwertiges Druckergehäuse aus recyceltem Kunststoff herstellen. Ein großes Thema ist auch Glas: die alten TV-Bildröhren waren aus Bleiglas - das landet nun in den Bleihütten. Es ist nicht möglich, aus Bildschirmglas wieder Bildschirmglas zu machen. Man hat zwei Möglichkeiten: entweder viel im Kreislauf führen und eigentlich nicht recyceln, sondern downcyceln. Oder wenig im Kreislauf führen und dafür hochwertige Stoffe erzeugen.
Das Interview führte Sylvia Maier-Kubala / APA-Science