Genaue Diagnose als effektive Waffe im Kampf gegen Krebs
Chemotherapie war gestern: Die personalisierte Medizin - von Ärzten lieber Präzisionsmedizin genannt - verspricht bei Krebs eine wirksamere Behandlung mit weniger Nebenwirkungen und bessere Überlebenschancen. Personalisiert heißt: abgestimmt auf die Gene, den Stoffwechsel, das Alter, Geschlecht, Gewicht, Leber- und Nierenfunktion, Begleiterkrankungen und die soziale Situation eines Patienten.
Möglich wird das durch Fortschritte in der Genomforschung, Molekularbiologie und Biochemie, bessere Diagnosemöglichkeiten und neue Techniken zur Herstellung von Medikamenten. Große internationale Studien bestätigen den Erfolg personalisierter Therapiekonzepte in der Krebsmedizin. So konnten bei Patienten mit Lymphdrüsenkrebs, Myelom, Brust-, Prostata- oder Darmkrebs in den letzten Jahren mit maßgeschneiderten, personalisierten Krebstherapien das Ansprechen auf Therapien und das Überleben von Tumorpatienten deutlich gesteigert werden. Diese Erfolge haben inzwischen zu einer breiten Anwendung der neuen Krebstherapeutika geführt, informiert die Österreichische Gesellschaft für Hämatologie & Medizinische Onkologie (OeGHO).
Individuelle Therapie durch Biomarkerprofil
Biomarker sind biologisch messbare Einheiten wie Enzyme, Hormone oder Gene, die ein frühzeitiges Erkennen und ein individuelles potenzielles Ansprechen auf eine Therapie ermöglichen. Solche Biomarker können meist direkt auf den Tumorzellen, manchmal aber auch im Blut von Krebspatienten nachgewiesen werden. Sie helfen dem behandelnden Arzt bei der Therapieentscheidung, bei der Auswahl von Medikamenten und bei der Beurteilung, ob ein Patient auf eine Krebstherapie ansprechen wird. Zum Beispiel entscheiden bei Brustkrebs verschiedene Biomarker wie Hormonrezeptoren oder HER2-Rezeptorgehalt über die optimale Auswahl oder Kombination von Hormon-, Chemo- und Biotherapie.
Im österreichischen Kompetenzzentrum für Biomarkerforschung CBMed in Graz stehen bis 2018 dafür rund 25 Millionen Euro zur Verfügung, 13 Mio. Euro steuert die Industrie bei. Ziel ist es, Diagnose und Behandlung von Krebs, Stoffwechselerkrankungen und Entzündungen zu verbessern. "Wir haben den Anspruch, in der Biomarkerforschung für Krebs, Herz-Kreislauferkrankungen, Diabetes und Übergewicht weltweit führend zu sein", betonte Thomas Pieber, wissenschaftlicher Geschäftsführer des CBmed an der Medizinischen Universität Graz, erst unlängst (SIEHE HINTERGRUND CBMED).
Leben mit Krebs wird möglich
"Die Krebssterblichkeit ist in den vergangenen 25 Jahren um 21 Prozent gesunken", sagte der Onkologe Christoph Zielinski, Leiter der Universitätsklinik für Innere Medizin I im AKH, vor kurzem anlässlich einer Tagung in Wien. Dieser Erfolg ist vor allem wissenschaftlichen Errungenschaften geschuldet. "Es geht allerdings noch ein Stückl besser", meinte der Experte unter Hinweis auf Prävention, die Erkrankungen verhindern kann, die auf Rauchen zurückzuführen sind.
Wurde Krebs jahrzehntelang nach seiner anatomischen Lokalisation unterschieden - also etwa Brustkrebs oder Lungenkrebs - so differenzieren die Mediziner nun auch nach seinem molekularbiologischen Muster (siehe HINTERGRUND GERALD PRAGER). Von Brustkrebs zum Beispiel gibt es mehrere Unterarten, die unterschiedliche Behandlung erfordern. In den frühen 1980er-Jahren lebten zehn Jahre nach der Brustkrebs-Diagnose 60 Prozent der Patientinnen, jetzt sind es 90 Prozent.
Nur 5 von 52 Präparaten Chemotherapeutika
52 Präparate gegen Krebs seien 2014/2015 in den USA registriert worden, nur fünf davon waren Chemotherapeutika, sagte Zielinski. Im öffentlichen Bewusstsein erfordert das ein Umdenken: Krebstherapie bedeutet nicht mehr zwangsläufig Chemotherapie mit allen gefürchteten Nebenwirkungen wie Haarausfall und Übelkeit. Injektionen und Tabletten mit andersartigen Folgeerscheinungen wurden zu Optionen.
"Vor 20 Jahren, als ich als Onkologin begonnen habe, hat es etwa ein Dutzend Medikamente gegeben. Brustkrebspatentinnen sind ähnlich behandelt worden wie Lungenkrebspatienten. Therapie und Nebenwirkungen waren rasch erklärt. Das ist jetzt anders", sagte Gabriela Kornek, Leiterin der Cancer School CCC Vienna und Präsidentin des Vereins "Leben mit Krebs".
Bessere Chancen für Kinder und Jugendliche
Eine positive Entwicklung gibt es bei den Behandlungsmöglichkeiten von Kindern und Jugendlichen (bis unter 20 Jahren). Experten des österreichischen Krebsregisters der Statistik Austria sowie vor allem Kinder- und Jugendhämatologen und -Onkologen aus Wien und Graz haben in Cancer Epidemiology erstmals eine Studie über die Häufigkeit von Krebserkrankungen, die Überlebens- und Sterberaten in dieser Altersgruppe veröffentlicht. Demnach haben sich die Behandlungsmöglichkeiten deutlich verbessert. Verbesserte diagnostische Methoden, effektivere ursächliche Therapien und begleitende Maßnahmen seien dafür verantwortlich. Gleichzeitig schlage die Heranziehung von Spezialisten für Krebs im Kindes- und Jugendalter zu Buche.
"Das Ziel war, das Ausmaß des Fortschritts bei Krebs im Kindes- und Jugendalter seit den 1990er Jahren zu bewerten sowie die entsprechenden Trends für Zentraleuropa zu vervollständigen", schrieben Henrike Karim-Kos (Statistik Austria) und die Co-Autoren. Insgesamt wurden die Daten von 5.425 Kindern und Jugendlichen mit bösartigen Tumoren und nicht-bösartigen Tumoren des Zentralnervensystems zwischen 1994 und 2011 ausgewertet. Die Überlebensraten wurden auf der Basis der Daten mit 31. Dezember 2013 kalkuliert.
Die Krebshäufigkeit blieb bei Kindern über den Beobachtungszeitraum mit jährlich 182 Fällen pro Million Kindern und Jahr stabil. Bei Mädchen erhöhte sie sich leicht durch einen Anstieg bei den nicht bösartigen Tumoren des Zentralnervensystems und durch Non-Hodgkin-Lymphome. Bei den Jugendlichen stieg die Häufigkeit jährlich um 1,5 Prozent. Trotzdem zeigte sich eine Verbesserung der Behandlungsergebnisse, wie die Autoren feststellten: "Das Fünf-Jahres-Überleben erhöhte sich um fünf bis sieben Prozent auf 86 Prozent. Die Sterblichkeit reduzierte sich um 2,4 bis zwei Prozent."