Big Data in der Medizin: "Maschinen treffen keine Entscheidungen"
Von Gentechnologie bis Wearables: Die Menge der zur Verfügung stehenden Gesundheitsdaten ist geradezu explodiert und ermöglicht viele neue Anwendungen im Bereich der personalisierten Medizin. Welche Rolle Big Data und künstliche Intelligenz dabei spielen und ob Maschinen bald die besseren Ärzte sind, beleuchtete Silvia Miksch vom Institut für Softwaretechnik und Interaktive Systeme an der Technischen Universität (TU) Wien im Gespräch mit APA-Science.
"Als erstes muss man darauf achten, dass die Daten vertrauenswürdig sind, sonst kann man keine Modelle rechnen und somit keine Aussagen oder Vorhersagen treffen. Anschließend werden aus der großen Datenmenge die für die Diagnose wichtigen Parameter herausgefiltert - die kann man auch personalisieren", so Miksch. Eine Herausforderung sei, die Daten dann so aufzubereiten, "dass die jeweilige Personengruppe - vom Arzt über die Pfleger bis zur Krankenhausverwaltung - gute Entscheidungen treffen kann. Selbst Entscheidungen treffen wird der Rechner nie."
Maschinen können Ärzte nicht ersetzen
Schon vor 20 Jahren als man im Bereich Artificial Intelligence an wissensbasierten Systemen gearbeitet habe, sei befürchtet worden, dass automatische Diagnosen den Arzt ersetzen. "In der Zwischenzeit weiß man, dass das nicht funktioniert." Auch mit Deep Learning, bei dem Maschinen ähnlich wie Menschen lernen, könne man das Wissen der Experten und die Zusammenhänge nur begrenzt modellieren und abbilden, erklärte Miksch, die sich auf künstliche Intelligenz und Visualisierung spezialisiert hat. Maschinen könnten aber sehr wohl Vorhersagen treffen und Alternativen aufzeigen.
Eine große Hürde sei derzeit die Datenqualität. "Auch in der Forschung wird das immer noch als Stiefkind behandelt. Aber es ist wichtig, um aus Daten Erkenntnisse zu gewinnen oder daraus zu lernen. Da muss ich wissen, wie vertrauenswürdig meine Daten sind und wo sie herkommen", so Miksch. Neben den Daten brauche es aber auch Experten, die bei der Analyse helfen. "Ich glaube an das Zusammenspiel von Mensch und Maschine. Ohne das geht es nicht", so die Expertin.
Zwei-Klassen-Medizin vermeiden
Viele Daten würden auch durch den Trend zur Selbstvermessung - Stichwort Wearables - entstehen. "Die Vision ist, dass man versucht, die Patienten mündiger zu machen und ihnen zu helfen, sich selbst zu monitoren, um dann im entscheidenden Moment zu reagieren und zum Arzt zu gehen", erläuterte Miksch. Allerdings gebe es ein starkes Gefälle bei den Gesundheitskompetenzen. "Da geht es nicht darum, ob jemand technikaffin ist oder nicht, sondern ob die Leute bewusst leben oder wissen, worauf sie achten müssen." Hier gelte es einen Weg zu finden, damit es nicht zu einer Zwei-Klassen-Medizin kommt. "Es sollte darauf geachtet werden, dass nicht die, denen es ohnehin schon besser geht, hier profitieren und die anderen nicht", so Miksch.
Ein Beispiel dafür, welche Herausforderungen, aber auch Chancen die Personalisierung bietet, sei das Projekt MobiGuide: Dabei konnten Frauen mit Schwangerschaftsdiabetes per Smartphone und bestimmter Sensoren ihren Gesundheitszustand überprüfen, hatten darüber jederzeit Zugang zum Arzt und bekamen Verhaltensempfehlungen. "Ein Problem war, die Daten ordentlich auf einem kleinen mobilen Geräte aufzubereiten. Außerdem musste sichergestellt werden, dass der Akku vom Handy nicht leer wird. Trivial, aber die Realität", verwies die Expertin auf kleine Hürden.
Letztendlich wurden den Patientinnen Empfehlungen unter Berücksichtigung der persönlichen Interessen gemacht, um beispielsweise einen hohen Blutzuckerwert zu reduzieren. "Wenn die Person sehr sportlich ist, empfiehlt man, mehr Übungen zu machen. Sonst kommen eher Vorschläge, die die Ernährung betreffen", erklärte Miksch.
Von Stefan Thaler / APA-Science